Leitsatz (amtlich)

§ 86a Abs. 1 HGB ist weit auszulegen. Ein Finanzdienstleister hat seinen Handelsvertretern kostenlos Werbegeschenke und ähnliches zur Verfügung zu stellen. Deren Auswahl ist Sache des Unternehmers.

Unternehmensbezogene Software, die für die Tätigkeit des Handelsvertreters nützlich ist und einheitlich gestaltetes Briefpapier, das das Logo des Unternehmers trägt, unterfallen ebenfalls § 86a HGB.

Kosten für Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen hat der Handelsvertreter selbst zu tragen.

 

Normenkette

HGB § 86a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 03.03.2009; Aktenzeichen 24 O 40/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen VIII ZR 11/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3.3.2009 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des LG Hannover unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.930,22 EUR zu zahlen zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2008.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die gegen das genannte Urteil gerichtete Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Hilfswiderklage der Beklagten wird ebenfalls abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 12 % und der Beklagten zu 88 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 22.494,59 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger war Handelsvertreter der Beklagten. Die Beklagte hat mit dem Kläger während dessen Tätigkeit im Rahmen laufender Rechnung monatlich durch Provisionsabrechnungen abgerechnet. Der Kläger hat zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten Gegenstände bestellt wie Werbemittel, InfoUnterlagen, Planungs und Repräsentationsunterlagen, Schreibutensilien. Die jeweiligen Bestellungen des Klägers bei der Beklagten wurden ihm nach Auslieferung der Gegenstände in den jeweiligen Provisionsabrechnungen des Folgemonats berechnet. Dasselbe gilt für Kosten von Fortbildungs und Weiterbildungsveranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat. Ferner berechnete die Beklagte dem Kläger auf Grund eines geschlossenen Vertrages die Nutzung der überlassenen A. GmbHSoftware mit monatlich 80 EUR. Die Beklagte hat während der Tätigkeit des Klägers als Entgelt für die genannten Leistungen insgesamt 10.564,37 EUR von den Provisionen einbehalten. Diesen Betrag macht der Kläger nunmehr mit der Klage ggü. der Beklagten geltend.

Das LG hat der Klage i.H.v. 3.680 EUR stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, von dem Kläger eine Vergütung für die Softwarenutzung i.H.v. monatlich 80 EUR zu verlangen. Die Vereinbarung einer Nutzungsgebühr im Vertrag der Parteien sei gem. § 86a HGB unwirksam und habe keinen Rechtsgrund für die kontokorrentmäßige Belastung dargestellt. Ausweislich der Bezeichnung des Vertragsgegenstandes habe es sich um A. GmbHspezifische (Vertriebs)Software gehandelt. Unstreitig seien jedenfalls Einzelmodule für die Vermittlungstätigkeit unerlässlich und hätten laut Vertrag von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden müssen. Als speziell auf den Vertrieb der Beklagten zugeschnittene Software handele es sich um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeitsmittel. Unbeachtlich sei, ob nur ein Teil der Einzelelemente für die Vermittlungstätigkeit 'erforderlich' und ein Teil lediglich 'nützlich' gewesen sei sowie ob weitere Bestandteile allein der vom Kläger selbst zu finanzierenden Büroorganisation zuzurechnen gewesen seien. Wenn die Beklagte erforderliche und damit kostenfreie - zusammen mit nützlichen - und damit möglicherweise vergütungspflichtigen - Arbeitsmittel in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gem. § 86a HGB unwirksam. Die sog. 'Giveaways' fielen nicht unter die in § 86a HGB genannten Unterlagen, die für die Ausübung der Vermittlungstätigkeit des Klägers erforderlich gewesen seien. Das gelte auch für das Magazin 'Finanzplaner'. Da dem Kläger die Finanzierung seiner Büro und Materialausstattung selbst oblegen habe, könne die Beklagte eine Vergütung des vom Kläger bestellten Briefpapiers, der Datenerhebungsbögen und der Mandantenordner verlangen. Schriftliches Verkaufstraining und Schulungen zur persönlichen Fortbildung hätten der persönlichen Weiterentwicklung des Klägers und der Förderung seiner Karriere gedient. Kosten hierfür unterfielen ebenfalls nicht § 86a Abs. 1 HGB...

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