Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.10.2021; Aktenzeichen XI ZR 234/20)

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagte mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge "S-Prämiensparen flexibel" durch die Formulierung "die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst" keine wirksamen Zinsanpassungsregelungen getroffen hat, sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind;

2. die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die im Antrag zu 1. genannten Verträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommt, vorzunehmen;

3. die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des gemäß des Antrages zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung in den Sparverträgen monatlich vorzunehmen;

4. der vertragliche Anspruch von Kunden der Beklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben aus dem "S-Prämiensparvertrag flexibel" einschließlich der nach den Anträgen zu Ziffer 2. und 3. zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages fällig wird.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen der Musterfeststellungsklage die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Zinsberechnung bei von der Beklagten ausgereichten Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel". Diesen Sparverträgen war nach seinem Vorbringen eine variable Verzinsung der Spareinlage immanent. Die Anfangszinssätze hingen von dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Bei Vertragsschluss wurde keine ausdrückliche Zinsanpassungsklausel vereinbart. Zusätzlich zu diesem variablen Zins verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer auf die Jahressparleistung bezogenen, verzinslichen "S-Prämie". Diese beginnt nach dem 3. Sparjahr und steigt auf nach dem 15. Sparjahr zu erreichende 50 % der im zurückliegenden Sparjahr erbrachten Einzahlungen an.

Neben den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wurden die Bedingungen für den Sparverkehr und die Sonderbedingungen für den Sparverkehr Vertragsbestandteil. Die Beklagte berechnete nach Auffassung des Klägers bisher die Zinsen falsch. Daraus sollen sich für die jeweiligen Sparer abhängig von der Laufzeit des Vertrages und der Höhe der eingezahlten Beiträge Ansprüche auf die Kapitalisierung erheblicher Zinsbeträge ergeben. Der Kläger meint, es sei keine wirksame Zinsänderungsklausel in den Vertrag einbezogen worden. Der Beklagten stehe damit auch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Seite. Die so entstehende Regelungslücke sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Er legt seiner Berechnung der Zinsforderung die Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von 10 Jahren (Kürzel: WX 4260) auf der Basis des gleitenden Durchschnitts zugrunde.

Im Einzelnen:

Die Beklagte, ein mündelsicheres Kreditinstitut und Anstalt des öffentlichen Rechts, vereinbarte u.a. mit Verbrauchern Prämiensparverträge "S-Prämiensparen flexibel" (künftig auch: "PS-flex-Verträge). Jeweils war die Spareinlage bei unterschiedlichen Anfangszinssätzen variabel verzinst. Zusätzlich zu dem variablen Zins vereinbarte die Beklagte mit ihren Kunden auf die vertragsgerecht geleistete Spareinlage eine verzinsliche Prämie, die von 3% im dritten Sparjahr bis 50% im 15. Sparjahr reichte. Eine konkrete Zinsanpassungsklausel war in den Verträgen nicht ausdrücklich vereinbart. Vereinbart ist in allen Verträgen folgende Klausel: "Die Sparanlage wird variabel, z.Zt. mit ... % verzinst".

Ziffer 3.3. der Bedingungen für den Sparverkehr, deren Vereinbarung in allen von der Musterfeststellungsklage betroffenen Verträgen nicht unstreitig ist, lautet: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem von Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst. Wird über die gutgeschriebenen Zinsen nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Gutschrift verfügt, unterliegen sie der im übrigen vereinbarten Kündigungsregelung. Bei Auflösen des Sparkontos werden die Zinsen sofort gutgeschrieben."

Die streitgegenständlichen PS-flex-Verträge sind dem Passivgeschäft der Beklagten zuzuordnen. Zum Zeitpunkt ihrer Einführung war das stabile Zinsumfeld von leichten bis starken Zinsanstiegen und -senkungen geprägt. Das habe nach dem Vorbringen der Beklagten auch für die die Sparzinsen finanzierenden Kreditzinsen gegolten. Seit 2008 sank der Refinanzierungszinssatz mit einem zwischenzeitlichen leichten Anstieg, bis er im Jahr 2013 negativ bewertet wurde. Die ...

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