Leitsatz (amtlich)

1. Die Anfechtungsbeschwerde gegen eine Netzentgeltgenehmigung nach § 23a EnWG ist nur dann zulässig, wenn der am Entgeltgenehmigungsverfahren der Regulierungsbehörde beteiligte Anfechtende durch die angefochtene Entscheidung auch materiell beschwert ist. An einer materiellen Beschwer fehlt es dem Netznutzer, weil die Netzentgeltgenehmigung nach § 23a EnWG weder in eine rechtlich geschützte Position des Netznutzers eingreift noch zu unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteilen für ihn führt, denn es handelt sich um eine Höchstpreisgenehmigung, die der zivilrechtlichen Umsetzung bedarf und nicht dem Schutze des einzelnen Netznutzers dient.

2. Die Netzkosten und ihre Bestandteile - und damit auch die Eigenkapitalverzinsung - stehen gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG, § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GasNEV ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen. Kommt es nicht schon hier zu einer Kappung der Eigenkapitalverzinsung, ist zu prüfen, ob entgegen dem Gebot des § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG bei dem ermittelten Eigenkapital solche Kostenbestandteile Berücksichtigung gefunden haben, die bei funktionsfähigem Wettbewerb nicht in Ansatz gebracht worden wären.

3. § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG legt der Regulierungsbehörde keine uneingeschränkte Nachweispflicht dahin auf, dass im Falle einer wettbewerblichen Steuerung des Netzbetreibers einzelne Kosten und Kostenbestandteile nicht angefallen wären. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, wenn eine hinreichende, empirisch belegbare Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein konkreter Kostenbestandteil atypisch für wirtschaftliches Verhalten im Wettbewerb und von daher monopolistisch begründet ist.

4. Wird die Regulierungsbehörde zu einer Neubescheidung verpflichtet, so ist sie im Rahmen dieser an einer "Verböserung" anderer nicht angegriffener Kalkulationsansätze und Berechnungsmethoden nicht gehindert.

 

Normenkette

EnWG §§ 23a, 66 Abs. 2 Nr. 3, § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 83 Abs. 1 S. 4; GasNEV § 4; VwGO § 113 Abs. 5 S. 2; VwVfG § 43 Abs. 2

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 03.03.2009; Aktenzeichen EnVR 79/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung der Ziff. 1 des Beschlusses der 9. Beschlusskammer vom 19.12.2006 - BK9-06/228 - verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung von Netzentgelten vom 30.1.2006 für den Zeitraum 20.12.2006 bis 31.3. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des beigeladenen Verbands gegen den Beschluss der 9. Beschlusskammer vom 19.12.2006 - BK9-06/228 - wird als unzulässig verworfen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens und den notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur haben der beigeladene Verband 7 %, die Antragstellerin 62 % und die Bundesnetzagentur selbst 31 % zu tragen. Der beigeladene Verband hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen, von den notwendigen Auslagen der Antragstellerin hat diese selbst 2/3 und die Bundesnetzagentur 1/3 zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 840.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die nach dem Pacht- und Dienstleistungsmodell rechtlich entflochtene Netzbetriebsgesellschaft des Konzerns S.U./N.U.. Ihre Geschäftsanteile werden mittelbar zu 100 % von der S.U./N.U. GmbH gehalten. Deren Geschäftsanteile wiederum werden von den Städten U. (B.-W.) und N.U. (B.) gehalten. Von der Netzeigentümerin, der S.E. GmbH, hat die Beschwerdeführerin zu 1) das Gasversorgungsnetz zum Betrieb gepachtet.

Mit Schreiben vom 30.1.2006 hat die Beschwerdeführerin zu 1) bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Genehmigung ihrer Entgelte für den Gasnetzzugang gem. § 23a EnWG gestellt. Mit Beschluss vom 19.12.2006 genehmigte die Bundesnetzagentur die Netzentgelte, wobei sie lediglich ... EUR der von der Antragstellerin zugrunde gelegten Netzkosten anerkannte, was einer Kürzung um rd. 21,2 % entspricht. Den weitergehenden Antrag hat sie abgelehnt. Die mit Zustellung des Beschlusses wirksam werdende Genehmigung hat sie bis zum 31.3.2008 befristet und unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt. Zusätzlich hat sie der Antragstellerin aufgegeben, ihr unverzüglich die für ihr Netz geltenden Ausspeiseentgelte inklusive gewälzter Kosten und/oder gewälzter Entgelte anzuzeigen und die Berechnung der Kosten-/Entgeltwälzung darzulegen (Ziff. 5) sowie ihre genehmigten Entgelte unverzüglich anzupassen, soweit der vorgelagerte Netzbetreiber im Genehmigungszeitraum seine Netzentgelte senkt (Ziff. 6).

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Netzbetreiberin - der Beschwerdeführerin zu 1) - und des zu ihrem Entgeltgenehmigungsverfahren beigeladenen B.N.E. - des Beschwerdeführers zu 2) -.

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Bundesnetzagentur bei der Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzi...

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