Leitsatz (amtlich)

1. Der Umfang der behinderungsbedingten Mehraufwendungen ist nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Angaben der mit der Betreuung eines geschädigten Kindes befassten Angehörigen und unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten zu schätzen.

2. Das Bestreben von Eltern, die Hilfsbedürftigkeit eines geistig und körperlich behinderten Kindes durch besonders liebevolle Zuwendung und Aufmerksamkeit auszugleichen, muss bei der schadensrechtlichen Bewertung des notwendigen Betreuungsaufwands unberücksichtigt bleiben.

 

Normenkette

BGB § 843; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 6 O 174/98)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 02.05.2002; Aktenzeichen III ZR 100/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.5.2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Duisburg unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund des schädigenden Ereignisses vom 4.12.1982 auf den in der Zeit vom 1.6.1994 bis zum 28.2.1998 entstandenen materiellen Schaden einen weiteren Betrag i.H.v. 12.209,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.7.1998 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund des schädigenden Ereignisses vom 4.12.1982 für die Zeit vom 1.3.1998 bis zum 31.12.2000 eine monatliche Rente i.H.v. 2.687,80 DM abzgl. monatlich gezahlter 2.350 DM sowie ab dem 1.1.2001 eine monatliche Rente von 3.235,30 DM abzgl. monatlich gezahlter bzw. anerkannter 2.350 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.689 DM seit dem 16.7.1998, aus je 337,80 DM für die Monate August 1998 bis Dezember 2000 sowie aus je 885,30 DM für die Rückstände ab Januar 2001 ab dem jeweiligen Monatsersten zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges werden der Klägerin 89 % und der Beklagten 11 % auferlegt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 87 % und die Beklagte 13 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die am 4.12.1982 geborene Klägerin ist seit ihrer Geburt schwerstbehindert. Sie leidet unter einer spastischen Tetraplegie; auch ihre geistigen Fähigkeiten sind hochgradig eingeschränkt. Nach einem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 11.5.1995 ist diese Schädigung auf geburtshilfliche Versäumnisse zurückzuführen, für die die Beklagte als damalige Trägerin des St. J.S. einzustehen hat; in der Entscheidung wird festgestellt, dass die Klägerin Anspruch auf eine monatliche Mehrbedarfsrente und auf Ersatz der künftig eintretenden Schäden hat. In dem Vorprozess wurden die bis zum 31.5.1994 entstandenen materiellen Schäden ausgeglichen, wobei nach Aufnahme der Klägerin in einen Kindergarten ein wöchentlicher Pflegeaufwand von 35 Stunden und eine angemessene Vergütung von 15 DM/Stunde zugrunde gelegt wurde. Auf der Grundlage dieser Berechnung zahlte die für die Beklagte eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung ab dem 1.6.1994 eine monatliche Mehrbedarfsrente von 2.350 DM. Daneben erhielt die Klägerin von der zuständigen … Pflegegeld i.H.v. zunächst 400 DM und seit April 1995 1.300 DM monatlich.

Die Klägerin, die mittlerweile eine Schule für Körperbehinderte besucht, ist der Auffassung, die monatlichen finanziellen Zuwendungen seien nicht geeignet, den nach Abschluss des Vorprozesses gestiegenen personellen und sachlichen Mehraufwand für ihre Betreuung auszugleichen. Sie hat behauptet, ihre Eltern seien an normalen Schultagen durchschnittlich 8,6 Stunden mit pflegerischen Tätigkeiten beschäftigt; an schulfreien Tagen erhöhe sich dieser Mehraufwand um 3,95 Stunden (vgl. Bl. 6 ff. GA).

In der Zeit vom 1.6.1994 bis zum 18.2.1998 seien angesichts zahlreicher Fehlzeiten in der Schule für die Pflege und Betreuung insgesamt 14.817 Stunden angefallen; für eine Stunde sei eine Vergütung von 18 DM angebracht, da ihr – der Klägerin – zunehmendes Körpergewicht den Eltern die Erbringung ihrer Leistungen erheblich erschwere. Der personelle Mehraufwand belaufe sich deshalb auf (14.817 Stunden × 18 DM =) 266.706 DM. Hinzu komme ein sachlicher Mehraufwand für Fahrtkosten (3.628,80 DM) und die Anschaffung krampfhemmender homöopathischer Medikamente (1.080,08 DM), der Aufwand für Pflegeeinsätze (350 DM), die Kosten für Pflegemittel (900 DM) sowie eine Pauschale für Telefon und Porto (1.350 DM). Von diesem Gesamtaufwand seien das von der … gezahlte Pflegegeld von insgesamt 49.500 DM sowie der von der Haftpflichtversicherung der Beklagten übernommene Betrag von 112.400 DM abzuziehen; der verbleibende Schaden von 112.104,88 DM sei ihr z...

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