Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertberechnung: Anderweitig entgangene Anlagezinsen keine Nebenforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Als Schadensersatz geltend gemachte anderweitig entgangene Anlagezinsen nach Wertpapieranlage aufgrund fehlerhafter Anlageberatung stellen keine Zinsen, jedenfalls aber keine Nebenforderung i.S.d. §§ 4 Abs. 1 S. 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG dar; sie sind als eingenständige Schadenspositionen dem übrigen Streitwert hinzuzurechnen.

 

Normenkette

BGB § 252; GKG § 43 Abs. 1, § 48; ZPO § 4 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.02.2011; Aktenzeichen 2/21 O 566/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 18.2.2011 über die Festsetzung des Streitwerts 1. Instanz abgeändert.

Der Streitwert wird auf insgesamt 233.859,13 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Kläger begehrten von den Beklagten Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung einer Reihe von Wertpapiertransaktionen wegen fehlerhafter Anlageberatung. Zusätzlich machten sie einen Betrag in Höhe 19.883,93 EUR als entgangenen Gewinn geltend unter dem Gesichtspunkt, dass ihnen das im Rahmen dieser Wertpapierkäufe aufgewendete Kapital nicht für eine anderweitige Geldanlage - jedenfalls mit einem Mindestzinssatz - zur Verfügung gestanden habe. Das LG hat die Klage abgewiesen, da die Beklagten ihre Beratungspflicht nicht verletzt hätten; das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 18.2.2011 hat das LG den Streitwert für den vorliegenden Rechtsstreit auf 213.975,20 EUR festgesetzt und dabei für den genannten Klageantrag wegen des entgangenen Gewinns keinen eigenständigen Wert angesetzt. Hiergegen wendet sich der Bevollmächtigte der Beklagten ausdrücklich aus eigenem Recht mit dem Ziel einer um 19.883,93 EUR höheren Festsetzung des Streitwerts. Er ist der Auffassung, der Betrag der entgangenen Anlagezinsen müsse dem Streitwert hinzugerechnet werden. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde des Bevollmächtigten der Beklagten ist gem. § 68 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet und führt unter Abänderung des Streitwertbeschlusses zu einer um 19.883,93 EUR höheren Festsetzung.

1. Die Beschwerde hat Erfolg, weil die als entgangen geltend gemachten anderweitigen Anlagezinsen nicht als Nebenforderung im Sinne der in der Regelung identischen Vorschriften des § 43 Abs. 1 GKG und des § 4 Abs. 1, Halbs. 2 ZPO anzusehen sind. Vielmehr machen die Kläger insoweit eine eigenständige Schadensposition geltend.

Der Senat hält auch in Kenntnis der abweichenden Rechtsprechung des 19. Zivilsenats des OLG Frankfurt (vgl. Beschl. v. 3.9.2011 - 19 W 46/10 -, juris) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 9. Zivilsenats (Beschl. v. 1.9.2010 - 9 W 21/10 -, juris) und des 17. Zivilsenats (u.a. Beschl. v. 25.2.2011 - 17 U 140/10) an seiner bisherigen Rechtsauffassung (Beschl. v. 7.6.2010 - 1 W 30/10 -, juris) fest.

Ist auf dem Kapitalmarkt ein Anlageinteressent durch unrichtige Prospekte oder Verletzung von Anlageberatungs- oder Aufklärungspflichten bewogen worden, eine bestimmte Kapitalanlage zu tätigen, kann er - als eine denkbare Möglichkeit des Schadensausgleichs - verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wie er gestanden hätte, wenn er die Anlage nicht getätigt hätte. In einem solchen Fall sind dem Geschädigten seine Einlage und die Vorteile zu ersetzen, die er durch deren anderweitige Anlage hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 2.12.1991, NJW 1992, 1223 [juris Rz. 11]). Dies entspricht dem Begehren der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit. Sie verlangen Rückzahlung des eingesetzten Kapitals Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Wertpapiere und Ausgleich für die entgangenen Zinsvorteile; denn ein solcher Zinsschaden ergibt sich typischerweise daraus, dass das vorhandene Kapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, a.a.O., Rz. 14).

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Gegebenheiten ist es bereits erheblich zweifelhaft, ob es sich bei dem geltend gemachten Schaden in Gestalt anderweitig entgangener Anlagezinsen um "Zinsen" i.S.d. §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO handelt. Denn Zinsen im Sinne dieser Vorschriften sind typischerweise das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 4 Rz. 11). Die Kläger begehren aber nicht Zinsen dafür, dass sie die Einlage der Rechtsvorgängerin Beklagten zu 1) überlassen haben, sondern ihre Klage ist auf Ausgleich des Nachteils gerichtet, dass ihnen der Anlagebetrag nicht für eine anderweitige, für sie vorteilhafte Anlagemöglichkeit zur Verfügung gestanden hat. Entscheidend für die Abgrenzung ist, wer das Kapital hätte nutzen können. Nur soweit dies derjenige ist, dem das Kapital überlassen wurde oder s...

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