Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1a UWG bejahte Zuständigkeit ist im Beschwerderechtszug nicht zu überprüfen.

2. Die Wiederholungsgefahr für einen Vorstoß gegen Art. 28 Abs. 1 Nr. 1b ÖkoVO entfällt nicht dadurch, dass sich der Unternehmer nachträglich zertifizieren lässt.

3. Ein Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG unter dem Gesichtspunkt der Vielfachabmahnung kann nicht angenommen werden, wenn es um Verstöße geht, durch die sich Mitbewerber einen spürbaren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Es muss dann grundsätzlich möglich sein, gegen alle Verletzer vorzugehen.

 

Normenkette

UWG §§ 3a, 8c; ÖkoVO Art. 28

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 11.03.2021; Aktenzeichen 22 O 9/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

1. Der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 11.03.2021 wird abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu vollstreckenden ihren Geschäftsführer, untersagt,

a) landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, im Internet als ökologische/biologische Erzeugnisse durch die Bezeichnung "Bio", etwa wie in Anlage AST 3 anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, ohne hierfür dem Kontrollsystem nach Art. 27 VO (EG) Nr. 834 / 2007 unterstellt zu sein und/oder

b) landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, mit dem in Art. 25 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 834 / 2007 genannten Gemeinschaftslogo

((Abbildung))

oder nationalen oder privaten Logos nach Art. 25 Abs. 2 VO (EG) Nr. 834 / 2007, wie in Anlage AST 3, Seiten 1,4, 9,11, 12,13, 14,15 oder 16 anzubieten oder in Verkehr zu bringen, ohne hierfür dem Kontrollsystem nach Art. 27 VO (EG) Nr. 834 / 2007 unterstellt zu sein.

2. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens um Ansprüche aus §§ 3, 3a, 8 I, III Nr. 1 UWG i.V.m. Art. 27, 28 der ÖkoVO.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Werbeartikeln an gewerbliche Abnehmer. Die Antragsgegnerin bietet neben anderen Dienstleistungen unter anderem Werbeartikel an und erzielt mindestens einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich. Sie beliefert mehr als 50.000 Kunden im In- und Ausland und bietet dabei im Internet u.a. auch eine Reihe von Artikeln mit der Bezeichnung "Bio" an, unter anderem eine Reihe von verarbeiteten wirtschaftlichen Erzeugnissen, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind. Über eine Zertifizierung als Ökokontrollstelle verfügte die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Verfügungsantrages nicht.

Streitgegenständlich sind die in Anlage AS 3 angeführten Angebote von Bio-Artikeln, insbesondere Gummibärchen, Teeprodukte, Orangensaft, Kaffee und Schokolade.

Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Antragsgegnerin verweigerte jedoch die Abgabe dieser Erklärung. Im gleichen Zeitraum versandte die Antragstellerin in vier Tranchen (03.12., 18.12., 29.12. und 04.01.) insgesamt 50 weitere Abmahnungen an Wettbewerber, die überwiegend dieselben Produkte betrafen, die Gegenstand der Abmahnung der Antragsgegnerin waren.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 11. März 2021 den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nachdem die Antragsgegnerin nunmehr eine Zertifizierung erlangt habe, der sie sich nicht einseitig entziehen könne, sei eine Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Unterlassungsanspruch weiterverfolgt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 6. 20. April 2021 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, III Nr. 1, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 28 ÖkoVO zu. Weder ist durch die Zertifizierung der Antragsgegnerin die Wiederholungsgefahr entfallen, noch steht dem Unterlassungsanspruch ein rechtmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin entgegen.

1.) Es kann dahinstehen, ob das ursprünglich angerufene Landgericht Hanau örtlich zuständig war, da § 14 II 3 Nr. 1 a) UWG einschränkend dahingehend auszulegen wäre, dass nur Verstöße wegen Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien betroffen sind (so LG Düsseldorf Beschluss vom 26.2.2021 - 38 O 19/21, GRUR-RS 2021, 4044; ablehnend OLG Düsseldorf MMR 2021, 332; vgl. Isele, MMR 2021, 332). Die Verweisung an das Landgericht nach § 281 Z...

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