Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Formwirksamkeit des testamentum mysticum

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Erbeinsetzung in einem eigenhändigen Testament, in dem die Person des Erben nicht konkret bezeichnet ist, sondern insoweit auf eine nicht der Testamentsform entsprechende Anlage verwiesen wird (testamentum mysticum), ist nur dann formgültig, wenn für einen mit den Verhältnissen vertrauten Dritten aus dem Text des Testamens selbst erkennbar ist, wer Erbe sein soll.

 

Normenkette

BGB § 2247 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Groß-Gerau (Beschluss vom 20.02.2020)

 

Tenor

Der Beschluss vom 20.02.2019 wird aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf Erteilung eines sie als Erben zu je 1/20 ausweisenden Erbscheins wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter aus erster Ehe des am XX.XX.2017 verstorbenen Herrn X (im Folgenden: Erblasser). In zweiter Ehe war der Erblasser mit Frau X1 (im Folgenden: Ehefrau des Erblassers) verheiratet, die bereits zuvor am XX.XX.2013 verstarb.

Der Erblasser und seine Ehefrau erstellten ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament, das von ihnen beiden unterzeichnet wurde (Bl. 27 ff. d.Vfg.-A.). Unter den Unterschriften ist angegeben "Stadt1, den 10. März 2011". In dem Testament setzten sie sich gegenseitig zu "unbeschränkten Alleinerben" ein. Weiter heißt es darin:

Unser gemeinsam erarbeitetes Kapital ist in zwei Ländern angelegt in Deutschland und in Italien mit in etwa gleicher Wertigkeit. Deswegen geben wir eine genaue Anweisung für die Nach/Schlußerben.

Wir haben zwei Häuser mit Grundstück, eines in Stadt1/D und ein Ferienhaus in Stadt2/I. [...]

Für diese beiden Erbteile verfügen wir im vollen Einverständnis miteinander über die Nacherben. Nach dem Tod beider Partner soll das Erbe wie vorgesehen weiter gegeben werden an:

Erbteil Stadt1 an [die Beteiligte zu 3]

Erbteil Stadt2/I fällt an eine Erbengemeinschaft aus 5 befreundeten Familien [...]

Namen und Adressen für den Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben.

Es existiert eine entsprechende ausgedruckte "ANLAGE Gemeinschafts-TESTAMENT - NAMENSLISTE der ERBENGEMEINSCHAFT". Diese enthält fünf durch durchlaufende Querstriche getrennte Felder, in denen jeweils ein Paar mit Namen und Kontaktdaten genannt ist, in zwei Fällen mit weiteren Namen, mutmaßlich Kinder der Paare. Drei der Paare sind in Italien ansässig, zwei in Deutschland, eines davon sind die Beteiligten zu 1 und 2, die im dritten der fünf Felder aufgeführt sind, ohne weitere Namen. Die Liste ist von dem Erblasser und seiner Ehefrau unterzeichnet, darunter wiederum die Angabe "Stadt1, den 10. März 2011".

Nach dem Tod seiner Ehefrau veräußerte der Erblasser das Haus in Italien und löste die dortigen Konten auf. Zu seinem Nachlass gehören keine Vermögenswerte in Italien mehr. Am 17.06.2014 ließ er ein notarielles Testament beurkunden (UR-Nr. .../2014 ... des Notars A in Stadt1; Bl. 83 ff. d.Vfg.-A.), in dem er die Beteiligte zu 3 als Alleinerbin einsetzte.

Am 20.04./19.06.2018 haben die Beteiligten zu 1 und 2 einen (Teil-)Erbschein als Erben des Erblassers zu je 1/20 beantragt (Bl. 8 ff. d.A.). Die Beteiligte zu 3 hat dem Erbschein widersprochen (Bl. 43 ff. d.A.).

Mit Beschluss vom 20.02.2019 (Bl. 160 ff. d.A.) hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Es hat die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, die Erbeinsetzung der "5 befreundeten Familien" in dem Testament vom 10.03.2011 sei formwirksam erfolgt. Es handele sich um eine wechselbezügliche Verfügung, die durch das Testament vom 17.06.2014 nicht wirksam widerrufen oder angefochten worden sei. Das Erfordernis der Eigenhändigkeit nach §§ 2247, 2267 BGB erlaube es, in einem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament auf computergeschriebene Anlagen Bezug zu nehmen. Zwar könne der Erblasser hinsichtlich des Inhalts seiner letztwilligen Verfügung nur auf formwirksame eigenhändig geschriebene Schriftstücke oder öffentliche Testamente Bezug nehmen. Hier liege der Sachverhalt jedoch anders, da die computergeschriebene Anlage nur der Erläuterung der formwirksamen Erbeinsetzung der "5 befreundeten Familien" gedient habe, zumal hier keine Gefahr der Fälschung der Anlage bestehe. Aus dem Wortlaut des formwirksamen eigenhändigen Testaments könne zumindest der Kreis der Erben ermittelt werden. Dies sei eine hinreichende Grundlage, um die computergeschriebene Anlage zur Auslegung heranziehen zu können.

Der Beschluss ist der Beteiligten zu 3 am 28.02.2019 zugestellt worden (Bl. 178 d.A.). Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.03.2019, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt (Bl. 181 ff./187 ff. d.A.). Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.03.2019 (Bl. 193 d.A.) nic...

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