Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Unterlassung von unwahren Äußerungen auf Bewertungsforum gegen Betreiber

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann sich der Betreiber eines Krankenhaus-Bewertungsforums die von Patienten dort eingestellten Inhalte zu eigen macht.

 

Normenkette

BGB §§ 1004, 823-824; GG Art. 1-2; TMG §§ 1-2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 2-3 O 64/15)

BGH (Aktenzeichen VI ZR 123/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.04.2017; Aktenzeichen VI ZR 123/16)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 24.9.2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Äußerungen, die ein Patient der Klägerin auf dem von dem Beklagten betriebenen Bewertungsforum www.(...). de im Rahmen einer Bewertung unter dem Namen "X" und der Überschrift "... mit schweren Folgen" über die von der Klägerin betriebene Klinik eingestellt und die Beklagte auf Beanstandung der Klägerin hin geändert hat.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil den Beklagten zur Unterlassung der Aufstellung und/oder Verbreitung folgender in dem Beitrag enthaltener Äußerungen verurteilt

a. "Kontra: auf Notfälle nicht vorbereitet";

und/oder

b. "Bei einem Standardeingriff kam es wegen meiner besonderen Konstitution zu einer septischen Komplikation, die zu einem Multiorganversagen und einer mehrmonatigen Erblindung führten.";

und/oder

c. "Das Klinikpersonal war mit der lebensbedrohlichen Notfallsituation überfordert. Dies hat beinah zu meinem Tod geführt.";

wenn dies geschieht, wie in den als Anlage K 3 beigefügten Internetauszügen aus den Internet-Seiten www.(...). de (vgl. GA 37/38). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die beanstandeten Passagen beinhalteten unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Aussage lit. a.) verallgemeinere dahin, dass die Klinik der Klägerin überhaupt nicht und auf keinerlei Notfälle vorbereitet sei, was nicht der Wahrheit entspreche. Mit der Aussage lit. b.) werde ein zeitliches Zusammentreffen zwischen dem operativen Eingriff und dem Eintritt der Sepsis behauptet. Die Behauptung der Koinzidenz stelle sich jedoch als unwahr dar. Insoweit sei der Beklagte nicht in hinreichendem Maße seiner ihn treffenden sekundären Darlegungslast nachgekommen. Allein auf die von ihm in Bezug genommenen Aussagen in dem Streitschlichtungsgutachten lasse sich die Richtigkeit dieser Behauptung nicht stützen, wie sich aus den Erwägungen in dem Urteil des Senats vom 27.11.2014 in dem vorausgegangenen Eilverfahren (Az .../14, S. 10 ff) ergebe. Dem Beklagten hätte es daher oblegen, das Schlichtergutachten vollständig vorzulegen und in konkreter Erwiderung zu dem Vorbringen der Klägerin weitere Anknüpfungstatsachen für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Behauptung darzulegen. Schließlich sei auch die Behauptung lit. c.) falsch, da das Personal der Klinik unstreitig zutreffend ausgebildet sei, eine Notfallsituation zu meistern und zutreffende Vorsorgemaßnahmen einleiten zu können. Zudem sei die Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus in dieser Situation als Reaktion auf die eingetretenen Auffälligkeiten medizinisch geboten gewesen. Die Haftung des Beklagten begründete das LG mit dem Umstand, dass er sich bei objektiver Betrachtung die angegriffenen Äußerungen des Nutzers "X" deutlich zu eigen gemacht habe. Ein allgemeines Zueigenmachen aller Nutzerbeiträge folge bereits aus den im Urteil auf Seite 14 im Einzelnen dargelegten Angaben des Beklagten in seinen Richtlinien (vgl. GA 103/104). Darüber hinaus habe der Beklagte auf die Beanstandungen der Klägerin hin an dem Beitrag selbständig und ohne Rücksprache mit dessen Verfasser Änderungen vorgenommen und in dieser Version weiter öffentlich zugänglich gehalten.

Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er hält die Annahme des LG, dass er sich die Äußerungen des Bewerters zu eigen gemacht habe, für falsch. Grundsätzlich sei bei der Annahme, der Betreiber eines Bewertungsforums mache sich fremde Inhalte zu eigen, Zurückhaltung geboten. Hiervon könne nur ausgegangen werden, wenn aufgrund der Gesamtumstände beim Verkehr der Eindruck entstehe, dass der Bewerber des Forums eigene Inhalte präsentiere, sich also mit dem Inhalt des Bewerters selbst identifiziere. Solches lasse sich vorliegend nicht feststellen. Insbesondere sei die streitgegenständliche Situation nicht vergleichbar mit dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall "Marions Kochbuch"....

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