Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Angabe von Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerten; Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Verschärfung der Rechtslage; Richtlinienkonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in der Werbung für ein Kraftfahrzeug neben der Fabrikmarke auch ein bestimmter Fahrzeugtyp genannt, sind Angaben zu den Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Werten erforderlich, da die Ausnahmevoraussetzungen gemäß Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV, Abschnitt I Nr. 3 nicht erfüllt sind.

2. Die durch einen Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann dadurch entfallen, dass die zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung zweifelhafte Rechtslage durch eine Gesetzänderung verschärft worden ist und der Verletzer unzweifelhaft erklärt, die Verletzungshandlung künftig nicht wiederholen zu wollen.

3. Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist dann kein Raum, wenn sie dem klaren Wortlaut des nationalen Rechts widersprechen würde und der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass er in Kenntnis des Umstandes, dass die bestehende Regelung möglicherweise mit der Richtlinie nicht vereinbar ist, für eine Änderung dieser Regelung keinen Anlass sieht.

 

Normenkette

Pkw-EnVKV § 5 Abschn. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.03.2011; Aktenzeichen 3/8 O 139/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.3.2011 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt a.M. abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, gegen das die Beklagte in vollem Umfang Berufung eingelegt hat, wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die angegriffene Werbung verstoße schon deswegen gegen die Vorgaben der Richtlinie 1999/94/EG, weil nicht nur für eine Fabrikmarke, sondern auch für zwei Fahrzeugtypen geworben werde. Zum 1.12.2011 ist Anlage 4 (zu § 5) Abschnitt I Nr. 3 zur Pkw-EnVKV dahin geändert worden, dass die Befreiung von den dort genannten Angaben nur gilt, wenn lediglich für die Fabrikmarke und nicht für ein bestimmtes Modell geworben wird. Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 8.3.2012 (Bl. 200 ff.) darauf hingewiesen, dass jedenfalls nach dieser Änderung die beanstandete Werbung mit der Pkw-EnVKV nicht mehr zu vereinbaren sei. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, dass sie die beanstandete Anzeige zwar auf der Grundlage der alten Fassung der Pkw-EnVKV für eine zulässige Imagewerbung halte, auf Grund der eindeutigen Neuregelung jedoch zukünftig nicht mehr unter Angabe der drei verschiedenen Typen XK, XJ und XF werben werde, ohne hierbei die Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Werte anzugeben. Die Klägerin ist der Auffassung, mit dieser Erklärung sei die Wiederholungsgefahr für den begangenen Wettbewerbsverstoß nicht entfallen, da schon nach der alten Fassung der Pkw-EnVKV wegen des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung ein Verstoß vorgelegen habe. Im Übrigen wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Für den Fall, dass der Senat Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts haben sollte, beantragt die Klägerin weiter,

dem Europäischen Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung folgende Vorlagefrage vorzulegen:

"Ist die Vorschrift des Anhangs IV (letzter Satz) der Richtlinie 1999/94/EG vom 13.12.1999, nach der nur der Kraftstoffverbrauch nicht anzugeben ist, wenn in der Werbeschrift lediglich auf die Fabrikmarke und nicht auf ein bestimmtes Modell verwiesen wird, so auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die in einem solchen Fall nicht nur die Angabe des Kraftstoffverbrauchs als entbehrlich ansieht, sondern auch die Angabe der CO2-Emissionswerte?"

II. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Ziff. 1. des Tenors des angefochtenen Urteils) nicht zu, weil es jedenfalls an der hierfür erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 2001, 717 - Vertretung der Anwalts-GmbH) kann die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch dadurch beseitigt werden, dass der Verletzer im Hinblick auf eine nach der Verletzungshandlung eingetretene Verschärfung der Rechtslage, durch die eine bisher bestehende Unsicherheit über den Inhalt der Regelung beseitigt worden ist, unzweifelhaf...

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