Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch. Defibrillator. Fidelis-Elektrode. Schadensersatz. Kein Auskunftsanspruch in analoger Anwendung des § 84 a AMG zur Vorbereitung eines Schadnesersatzanspruchs

 

Normenkette

AMG §§ 84a, 2; BGB § 810; Produkthaftungsgesetz § 1 Abs. 1 S. 1; Produkhaftungsgesetz § 8 S. 2; BGB § 253 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 23.03.2010; Aktenzeichen 1 O 184/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt - 1. Zivilkammer - vom 23. März 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils (Bl. 214-216 d. A.) Bezug genommen. Folgendes ist hinzuzufügen:

Der Kläger hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € für gerechtfertigt erachtet.

Am 15. Oktober 2007 hat die Beklagte die beim Kläger implantierte Fidelis-Elektrode vom Markt genommen (Warnung vor Implantation seitens der Beklagten durch Schreiben vom 15. Oktober 2007, Bl. 138 ff. d. A.).

Bei einem ICD (Implantierbaren Cardioverter-Defibrillator) handelt es sich um ein Medizinprodukt, welches Patienten implantiert wird, die unter bestimmten Herzrhythmusstörungen leiden. Der ICD überwacht über Elektroden, die ihn mit dem Herzen verbinden, ständig die Herztätigkeit. Registriert das Gerät eine gefährliche Herzrhythmusstörung, so gibt es Stromstöße ab, um den Herzrhythmus zu normalisieren.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe es unterlassen, entsprechende technische Warnsysteme einzubauen, obwohl ein Sondenbruch zu den üblichen Komplikationen gehöre. Bei Verwendung der Warnsysteme wäre es nicht zu den Vorfällen vom 5. Februar 2007 gekommen.

Die Beklagte hat behauptet, in Einzelfällen könne es durch körperbedingte Einflüsse zu Defekten der Sonden kommen; als negative körperbedingte Einflüsse seien etwa postoperative Fehlbelastungen, mechanische Einwirkungen auf das Implantat durch äußere Gewalt, etwa im Rahmen sportlicher Betätigung, negative Einflüsse fibrösen Gewebes, Abstoßungsreaktionen des Immunsystems, Quetschungen durch Knochen oder anderweitiges Drittverschulden denkbar, die zu einer unangemessen hohen Belastung der implantierten Elektrode führten.

Vorliegend sei eine solche äußere Ursache wahrscheinlich, da das Produkt nahezu zwei Jahre ohne jegliche Komplikationen funktioniert habe.

Soweit der Kläger meine, sie - die Beklagte - habe nicht ausdrücklich vor Elektrodenbrüchen gewarnt, hat die Beklagte auf die Gebrauchsanweisung (Seite 30, Blatt 73 der Akten) verwiesen. Diese Gebrauchsanweisung werde den Ärzten/Krankenhäusern mit der Elektrode zur Verfügung gestellt; es obliege sodann den Ärzten, die Patienten entsprechend über diese Risiken aufzuklären. Auch der Kläger - dies ist unstreitig - sei aufgeklärt worden. Wegen der Dokumentation der Patientenaufklärung wird auf Bl. 32 f. der Akten Bezug genommen.

Die Beklagte hat ferner behauptet, zum Zeitpunkt der Implantation der Elektrode am 13. Januar 2005 hätten ihr keinerlei Erkenntnisse vorgelegen, die auch nur ansatzweise darauf hingedeutet hätten, dass das beim Kläger implantierte Modell nicht die erwartete Sicherheit bieten würde (Beweis: Zeuge Dr. Z1). Sie habe sich entschieden, aufgrund der besseren Ergebnisse der Quattro-Elektroden die Fidelis-Elektroden zunächst vom Markt zu nehmen. Darüber habe sie die Ärzte und Krankenhäuser mit der vom Kläger als Anlage K 25 vorgelegten Maßnahmenempfehlung vom 15. Oktober 2007 umfassend informiert. Bis Oktober 2007 seien weltweit bei insgesamt 268.000 Patienten Elektroden des Typs Fidelis implantiert worden. Zum damaligen Zeitpunkt hätten 665 bestätigte Berichte über Brüche bei zurückgesandten Fidelis-Elektroden vorgelegen, was einem Anteil von lediglich 0,25 % der Gesamtzahl der implantierten Elektroden entspreche.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2008 hat der Kläger erklärt, der Defibrillator sei nicht ausgetauscht worden, sondern lediglich die Drähte, die zum Herzen führen. Er hat ferner angegeben, es komme für ihn in keinem Fall in Frage, sich zum Zwecke der Begutachtung operieren zu lassen. Lediglich ein minimal invasiver Eingriff sei vorstellbar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Auskunftsanspruch bestehe nicht, da § 84 a AMG nur auf Arzneimittel i.S. des § 2 AMG anwendbar sei.

Ebenso wenig sei ein Auskunftsanspruch nach § 810 BGB begründet, da hierfür nicht bereits ein rechtliches Interesse, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, genüge. Schadensersatz oder S...

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