Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit von Bürgschaftsverträgen auch im Zusammenhang mit InsO

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 2/31 O 140/02)

 

Tenor

Auf die Berufung wird das am 10.2.2003 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG in Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil vom 9.8.1992 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung zu tragen. Dies gilt nicht für die Kosten der Säumnis am 9.8.2002, die die Beklagte zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in gleicher Höhe erbringt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Auf die ausführliche Darstellung um Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Zur Begründung führt sie aus, das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall keine krasse finanzielle Überforderung vorliege. Es sei in erster Instanz unstreitig gewesen, dass die Beklagte zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung über kein Vermögen verfügt habe, weswegen das LG nicht berechtigt gewesen sei, festzustellen, die Beklagte habe nicht ausreichend substantiiert zu ihrem frei verfügbaren, veräußerbaren Vermögen vorgetragen (Bl. 217, 190). Das LG habe weiterhin verkannt, dass es gleichfalls in erster Instanz unstreitig gewesen sei, dass die zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung in Erziehungsurlaub befindliche Beklagte keinerlei Einkünfte gehabt habe und auch ihr Ehemann aus seiner Stellung als Geschäftsführer und Gesellschafter der Gesellschaft, dessen Geschäftsanteilekauf die Klägerin finanzierte, nie Einkünfte erzielt habe (Bl. 212, 134, 156). Wenn aber das LG schon davon ausgehe, dass der diesbezügliche Vortrag der Beklagten bestritten sei, hätte es den insoweit als Zeugen angebotenen Ehemann der Beklagten hören müssen (Bl. 213). Im Übrigen sei das der Beklagten überhaupt nicht bekannte Einkommen ihres Ehemannes nach der ständigen Rechtsprechung nicht ausschlaggebend, da ihr mittelbare Vorteile aus dem dem Betrieb des Ehemanns gewährten Kredit nicht zugerechnet werden könnten (Bl. 223).

Zur Darlegung der Einkommenssituation ihres Mannes und von ihr selbst hat die Beklagte in zweiter Instanz u.a. die Einkommensteuerbescheide 1994, 1997 und 2000 vorgelegt (Bl. 226 ff.). Der Bescheid 1994 weist ein Bruttoeinkommen von 11.968 DM, der von 1997 kein Einkommen und der von 2000 ein Bruttoeinkommen von 8.040 DM aus.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Frankfurt/M. v. 10.2.2003 - 2/31 O 140/02 abzuändern und das Versäumnisurteil des LG Frankfurt/M. vom 9.8.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verweist darauf, dass sie den wiederholten Vortrag der Gegenseite betreffend die finanziellen Verhältnisse der Beklagten konkret bestritten habe (Bl. 253, 256 ff.). Das LG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt habe, aufgrund welchen Vermögens und welcher Einnahmen die vierköpfige Familie ernährt werde. Es seien auch keine nachvollziehbaren Gründe für die strikte Verweigerung zur Darlegung der tatsächlichen Lebensgrundlage ersichtlich. Soweit die Beklagte behaupte, ihr sei nicht bekannt, womit ihr Ehemann sein Geld verdiene, sei dies in Anbetracht des Umstands, dass die Eheleute seit Jahren gemeinsame Steuererklärungen abgeben, unglaubhaft (Bl. 254). Soweit die Beklagte nunmehr unter Vorlage von Belegen mehr zu ihrer Einkommenssituation vortrage, werde dies als verspätet gerügt; die vorgelegten Unterlagen beträfen auch nicht die maßgeblichen Zeitpunkte der Jahre 1995 und 2001 (Bl. 256).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.Die Klage kann keinen Erfolg haben, weil die Bürgschaft, die die Beklagte übernommen hat, sittenwidrig und damit nichtig ist.

Generell sieht die Rechtsprechung eine Bürgschaft gem. § 138 Abs. 1 BGB als nichtig an, wenn die aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürgin finanziell krass überfordert wird und die Bürgschaft sich aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Insoweit besteht eine (im vorliegenden Fall nicht widerlegte) Vermutung. Die Bürgin ist krass überfordert, falls die Verbindlichkeit, für die sie einstehen soll, so hoch ist, dass bei Vertragsschluss nicht zu erwarten ist, dass sie im Falle einer Verwirklichung des Risikos die Forderung des Gläubigers zu wesentlichen Teilen tilgen kann. Davon ist bei nicht ganz ger...

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