Leitsatz (amtlich)

1. Erhebt ein Portal zur Buchung von Flugreisen ein erhöhtes Entgelt nur bei Zahlung mit bestimmten Zahlungsmitteln, muss der Verbraucher davon ausgehen, dass das zusätzliche Entgelt wegen der Benutzung dieser Zahlungsmittel anfällt. Das gilt unabhängig von der Bezeichnung dieses Entgelts (hier: als "Servicepauschale") und auch dann, wenn mehrere Entgeltbestandteile abhängig von der Wahl des Zahlungsmittels anfallen (hier: "Servicepauschale" neben "Entgelt für Kartenzahlung" bzw. "Entgelt für Sofortüberweisung").

2. Die Abgrenzung einer Rabattierung für einzelne Zahlungsarten von der Erhebung eines erhöhten Entgelts für andere Zahlungsarten erfolgt aus Sicht des Verbrauchers danach, ob zunächst der höhere Preis ohne Einrechnung des Rabatts angezeigt wird (Rabattierung) oder ob zunächst der niedrigere Preis angezeigt wird und es dann während des Bestellvorgangs zu Mehrkosten für bestimmte Zahlungsmittel kommt (erhöhtes Entgelt).

3. § 675f Abs. 6 BGB ist auf das Verhältnis zwischen einem Flugvermittlungsportal und einem Verbraucher nicht anwendbar. Die im Verkehr mit Verbrauchern geltenden Schranken des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB sind unabhängig von § 675f Abs. 6 BGB zu beachten.

4. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstößt nicht gegen Unionsrecht. Ein Verstoß gegen Art. 4 und Art. 19 der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) liegt nicht vor, weil die Vorschriften der Verbraucherrechterichtlinie für den hier betroffenen Regelungsbereich gemäß ihrem Art. 3 Abs. 2 hinter Art. 62 Abs. 5 der Zahlungsdiensterichtlinie II (Richtlinie (EU)2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt) als Spezialgesetz zurücktreten.

 

Normenkette

BGB § 312a Abs. 4 Nr. 1, § 675f Abs. 6; EURL 83/2011 Art. 3 Abs. 2, Art. 4, 19; Richtlinie (EU) 2015/2366 Art. 62 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 25.04.2017; Aktenzeichen 406 HKO 201/16)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 18.11.2021; Aktenzeichen I ZR 195/20)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird ihrer Berufung in Bezug auf die Verurteilungen gemäß Ziffern I., III. und V. des angegriffenen Urteils des Landgerichts Hamburg vom 25.04.2017, Az. 406 HKO 201/16, für verlustig erklärt.

2. Die Berufung der Beklagten in Bezug auf den Tenor zu II. des angegriffenen Urteils wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor "Entgelt" an Stelle von "Entgeld" heißt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 14% und die Beklagte zu 86%.

4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil in seinem Tenor zu II. sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gemäß Ziffer II. des Tenors des angegriffenen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich des Kostenausspruchs gemäß der hiesigen Ziffer 2. kann der jeweilige Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 140.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit dem auf die Vermittlung von Flügen gerichteten Online-Angebot der Beklagten.

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung in Bezug auf verschiedene Aspekte einer Online-Flugbuchung in Anspruch genommen. Dabei ging es insbesondere um die Preise bzw. Zahlungsmodalitäten (Klaganträge zu I.-III.), daneben aber auch um die Angabe der wesentlichen Eigenschaften der erbrachten Dienstleistung vor Abgabe der Bestellung (Klagantrag zu IV.) und um die Zusendung von E-Mails nach Abbruch einer Buchung (Klagantrag zu V.).

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte vermittelt u.a. Flugreisen auf ihrer Internetseite.

Der Kläger nahm im Jahr 2016 eine Testbuchung vor, deren Verlauf als Screenshots vorgelegt ist (Anlagen K3 bis K6). Der Screenshot gemäß Anlage K3 zeigt die auf eine bestimmte Suchanfrage angebotenen Optionen für eine Flugreise, Anlage K4 illustriert die Auswahl des ersten der auf die Suchanfrage angezeigten Flüge mit Angabe des Preises i.H.v. 506,71 EUR, Anlage K5 zeigt die Eingabemaske für die persönlichen Daten des Passagiers mit Angabe des genannten Preises des zuvor ausgewählten Fluges und Anlage K6 stellt die letzte Buchungsseite mit der Angabe des je nach ausgewähltem Zahlungsmittel unterschiedlichen Gesamtpreises dar, unter dem sich eine Schaltfläche mit der Beschriftung "jetzt buchen (zahlungspflichtig)" befindet. Der niedrigste angegebene Gesamtpreis i.H.v. 506,71 EUR setzt voraus, dass sich der Verbraucher der Zahlungsmethode "Visa Entropay" oder "Viabuy Prepaid MasterCard" bedient, die jede für sich einen Verbreitungsgrad unter den Kunden der...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge