Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage, ob sich bei der "Huckepack"- Beförderung eines mit dem Transportgut beladenen Lkw auf einem "Ro-Ro"- Schiff das mit einem Seetransport verbundene typische Risiko i.S.v. Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR verwirklicht, wenn auf hoher See an Bord des Schiffes ein Feuer ausbricht, lässt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von den Umständen des Schadenshergangs im Einzelfall ab.

2. Ob auf den hypothetischen Vertrag, den der Absender direkt mit dem Huckepack-Beförderer abgeschlossen hätte, zwingende Vorschriften i.S.v. Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR Anwendung gefunden hätten, bestimmt sich ausschließlich anhand objektiver Anknüpfungskriterien. Liegt die Huckepack-Teilstrecke auf See, gilt das für den Seetransport anwendbare Haftungsrecht, sofern es auf den Haager Regeln oder den Haag/Visby Regeln beruht. Auf die Ausstellung eines Konnossements kommt es nicht an.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 28.01.2010; Aktenzeichen 409 O 17/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 9 für Handelssachen, vom 28.1.2010 (Az. 409 O 17/09) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf den Ersatz eines Transportschadens in Anspruch.

Sie ist der Transportversicherer der Firma G., Türkei, die die Beklagte, ein in Istanbul ansässiges Transportunternehmen, mit der Beförderung von 84 Kartons Textilien mit einem Bruttogewicht von 1.240 kg von Istanbul zu ihrer Kundin, der Firma R. GmbH, Hamburg, beauftragte. Die Beklagte stellte für den Transport von Istanbul nach Hamburg unter dem 1.2.2006 einen CMR-Frachtbrief aus (Anl. B 1). Sie gab den Auftrag an den Spediteur Y. weiter, der dafür sorgte, dass der mit der Sendung der Versicherungsnehmerin beladene Sattelzug im sog. Huckepack-Verkehr mit dem Ro-Ro-Seeschiff "UND ADRIYATIK" der Reederei U., Istanbul, vom türkischen Hafen Pendik nach Triest, Italien, verschifft wurde. Von Triest aus sollte der Sattelzug den Transport auf der Straße fortsetzen. Auf der Seereise nach Triest brach auf dem Schiff aus Gründen, die im Einzelnen nicht geklärt sind, ein Feuer aus, das das ganze Schiff in Flammen setzte. Die Sendung Textilien wurde total zerstört. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage auf Zahlung von EUR 25.215 nur in Höhe der gewichtsbezogenen Höchsthaftungssumme gem. Art. 23 Abs. 3 CMR (Zahlung des EUR-Betrages, der 10.345,86 Sonderziehungsrechten am 28.1.2010 entspricht) sowie in Höhe der gezahlten Fracht von EUR 710 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Art. 31 Abs. 1, S. 1 Nr. 1b) CMR. Der Anwendbarkeit der CMR stünden die Bestimmungen des Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR zum Huckepack-Verkehr nicht entgegen. Die Voraussetzungen für das Eingreifen von Seefrachtrecht seien nicht erfüllt. Die Beklagte könne nämlich nicht beweisen, dass der Schaden durch ein Ereignis verursacht worden sei, das nur während und wegen der Beförderung durch das Trägertransportmittel, hier einem Seeschiff, eintreten könne. Das sei bei einem Brand an Bord eines Schiffes nicht der Fall. Außerdem bestünden keine zwingenden Vorschriften für die Beförderung durch das andere Verkehrsmittel (Art. 2 Abs. 1 S. 3 CMR).

Die Beklagte könne zwar nicht geltend machen, dass die Zerstörung der Ware für sie unabwendbar gewesen sei (Art. 17 Abs. 2 CMR), auf der anderen Seite müsse sie sich aber auch keine leichtfertige Schadensverursachung i.S.v. Art. 29 CMR entgegenhalten lassen. Sie könne sich deshalb auf die Höchsthaftung von 8,33 Sonderziehungsrechten für jedes fehlende Kilogramm gem. Art. 23 Abs. 3 CMR berufen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Das Urteil ist der Beklagten am 2.2.2010 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 1.3.2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 30.4.2010 begründet.

Die Beklagte übt Kritik am landgerichtlichen Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Nach ihrer Auffassung richtet sich ihre Haftung nicht nach der CMR, sondern nach türkischem Seefrachtrecht und damit im Ergebnis nach den Haag-Visby Regeln. Das folge aus Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR. Der Schaden sei während der Beförderung auf dem Ro/Ro-Seeschiff eingetreten. Sie selbst habe den Brandschaden nicht verursacht. Es handele sich auch um ein Schadensereignis, dass nur während und wegen der Beförderung auf einem Seeschiff eintreten könne. Denn ein ...

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