Leitsatz (amtlich)

1. Wird innerhalb der Fachkreise für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel mit dem Hinweis "Neu" geworben, so bezieht das der Verkehr regelmäßig auf die Markteinführung des Mittels, nicht aber auf den Zeitpunkt der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Bei einem unbetont gestalteten Hinweis "Neu" wird man nicht annehmen, das Mittel sei in jeder Hinsicht neu.

2. Nur Pflichtangaben nach dem AMG oder sonst gestattete Angaben fallen wegen der notwendigen Normkorrektur nicht unter den grundsätzlich weiten HWG-Werbebegriff; bei sonstigen Zusatzangaben ist das HWG aber anzuwenden.

3. Die Angabe "Zur Behandlung von Bluthochdruck" auf der Arzneimittel-Faltschachtel ist keine Pflichtangabe des Arzneimittels (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AMG) und auch keine "weitere" Angabe i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG, wenn sie die Anwendungsgebiete nur teilweise anführt und insoweit der Fachinformation widerspricht.

4. Die Ausnahme des § 11 Abs. 1 Nr. 6 AMG gilt für Pflichtangaben der Packungsbeilage, die entfallen können, wenn sie auf dem Behältnis stehen; § 11 Abs. 1 Nr. 6 AMG gilt aber nicht für Angaben auf dem Behältnis, soweit sie Pflichtangaben aus der Packungsbeilage nur auszugsweise wiederholen.

 

Normenkette

AMG § 10 Abs. 1 S. 1, § 10 S. 3, § 11 Abs. 1 Nr. 6; HWG § 3; UWG §§ 3, 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 16.08.2005; Aktenzeichen 312 O 540/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 16.8.2005 abgeändert, soweit die Beschlussverfügung vom 8.7.2005 nicht bestätigt worden ist.

Die einstweilige Verfügung wird unter Androhung der in der Beschlussverfügung bestimmten Ordnungsmittel mit der Maßgabe erneut erlassen, dass der Antragsgegnerin weiter verboten wird, für das Arzneimittel "w-t-ZERO" außerhalb der Fachkreise mit der Aussage zu werben "Zur Behandlung von Bluthochdruck", und zwar auf der äußeren Umverpackung des Arzneimittels.

Beide Verbote sind mit "und/oder" verknüpft.

Im Übrigen wird die Berufung der Antragstellerin zurückgewiesen.

Von den Kosten des Erlassverfahrens und Widerspruchsverfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragstellerin 42/100 und die Antragsgegnerin 58/100.

 

Gründe

A. Die Parteien sind Pharmaunternehmen, vertreiben bluthochdrucksenkende Arzneimittel und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin vertreibt das verschreibungspflichtige Arzneimittel "w-t-ZERO" (Anlage ASt 2). Hierfür hat sie mit einer Anzeige geworben, die auch die Aufmachung der Vorderseite der Faltschachtel des Präparats zeigt (Anlage ASt 1).

Die Antragstellerin beanstandet Angaben in der Anzeige und auf der Faltschachtel als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Antragsgegnerin vorliegend im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

In der Werbeanzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt 1) sieht man einen nächtlichen Sternenhimmel mit einem besonders hell leuchtenden Stern, darunter heißt es im Blickfang:

"Neu: w-t-ZERO - Ihre sichere Therapie steht unter einem guten Stern".

Unterhalb der Angabe ist rechts die Faltschachtel des Arzneimittels abgebildet, darüber bei der Faltschachtel steht nochmals: "Neu", links daneben sind vier Aussagen untereinander gestellt, die dritte lautet:

"Höhere Compliance durch 1 × tägliche Einnahme".

Auf der Faltschachtel des Arzneimittels "w-t-ZERO" steht (wie aus der Abbildung in der Anzeige gemäß Anlage ASt 1 ersichtlich) u.a. die Angabe:

"Zur Behandlung von Bluthochdruck".

Das LG hat mit seiner Beschlussverfügung vom 8.7.2005 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "w-t-ZERO" mit nachfolgenden Aussagen zu werben:

1. "Neu"

und/oder

2. "Höhere Compliance durch 1 × tägliche Einnahme"

wie in der mit diesem Beschluss verbundenen Anzeige geschehen (es folgt Fotokopie der Anzeige gemäß Anlage ASt 1)

und/oder

3. außerhalb der Fachkreise mit der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck".

Durch Urteil vom 16.8.2005 hat das LG seine Beschlussverfügung zu Ziff. 2.) bestätigt. Im Übrigen hat es die Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung, soweit das LG zu ihrem Nachteil entschieden hat; sie hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die einstweilige Verfügung, soweit sie aufgehoben worden ist, mit der Maßgabe erneut zu erlassen, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der in der Beschlussverfügung genannten Ordnungsmittel verboten wird,

für das Arzneimittel "w-t-ZERO" mit nachfolgenden Aussagen zu werben:

"Neu"

wie in der mit der Beschlussverfügung des LG verbundenen Anzeige geschehen (Fotokopie der Anzeige gemäß Anlage ASt 1)

und/oder

außerhalb der Fachkreise mit der Aussage "Zur Behandlung von Bluthochdruck", und zwar auf der äußeren Umverpa...

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