Leitsatz (amtlich)

1. Hinsichtlich Äußerungen, die in einem ersten Film- oder Fernsehdrehbuch enthalten waren, dann aber aus dem tatsächlich verfilmten Drehbuch entfernt worden sind, bevor sie in Szene gesetzt worden sind, ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr auch dann nicht indiziert, wenn sie in der Vorbereitungsphase des Film Dritten zur Kenntnis gebracht worden sind; denn in einer solchen Situation erscheint es als ausgeschlossen, dass eine erneute Verbreitung erfolgen wird.

2. Die vom BVerfG und vom BGH aufgestellten Grundsätze darüber, wie im Kollisionsfall die Interessen, die durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützt sind, zum Ausgleich zu bringen sind (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, NJW 2008, 39 ff., 40 ff.; BGH, Urt. v. 10.6.2008, NJW 2008, 2587 ff.; Urt. v. 16.9.2008, GRUR 2009, 83 ff., 85 = AfP 2008, S. 601 ff., 603), finden nicht nur auf Romane oder Theaterstücke Anwendung, sondern auch auf Filme. Auf das Grundrecht der Kunstfreiheit kann sich danach auch die Einrichtung berufen, die den Film produziert hat.

3. Die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts setzt voraus, dass eine gewisse minimale Eingriffsschwelle überschritten ist. Daher vermögen Äußerungen auch dann, wenn sie als Tatsachenbehauptungen aufgefasst werden sollten und dann unzutreffend wären, keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu bewirken, wenn ihnen im Hinblick auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit keine Relevanz zukommt.

4. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem solchen Ausmaß, dass die Kunstfreiheit hinter diesen zurücktreten muss, kommt erst dann in Betracht, wenn eine gesteigerte Betroffenheit in dem Sinne gegeben ist, dass dem Rezipienten über das bloße Erkennbarmachen hinaus die Identifizierung der tatsächlichen Person mit der geschilderten Kunstfigur aufgedrängt wird, was regelmäßig eine hohe Kumulation von Erkennbarkeitsmerkmalen voraussetzt, und wenn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der so betroffenen Person schwerwiegend ist, indem die Schilderung der ihr zugeschriebenen Verhaltensweisen oder Eigenschaften ihr Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt, ohne dass diese Beeinträchtigung durch eine in der künstlerischen Gestaltung des Stoffes liegende hinreichende und dem Rezipienten erkennbare Verfremdung aufgefangen wird, oder wenn das Geschehen unter den genannten Voraussetzungen Sphären des Persönlichkeitsrechts betrifft, die wegen ihrer überragenden Bedeutung für die betroffene Person nahezu schlechthin jeder öffentlichen Erörterung entzogen sein müssen.

5. Bei der Abwägung zwischen dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht einerseits und der Kunstfreiheit andererseits nimmt die juristische Person als Träger des Unternehmens eine schwächere Position ein, als dies bei einer natürlichen Person der Fall wäre, weil sie als juristische Person ihr Persönlichkeitsrecht nicht auch auf Art. 1 Abs. 1 GG stützen kann. Insbesondere dann, wenn seit den geschilderten Vorgängen so viel Zeit vergangen ist, dass alle damals verantwortlich handelnden Personen das Unternehmen verlassen haben oder gar bereits verstorben sind, kommt bei juristischen Personen ein Persönlichkeitsschutz nicht mehr oder in nur noch sehr beschränktem Umfang zum Tragen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 18.04.2008; Aktenzeichen 324 O 907/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg vom 18.4.2008, Az. 324 O 907/06, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein Begehren weiter, der Beklagten zu verbieten, die aus dem Antrag ersichtlichen Äußerungen erneut zu verbreiten. Diesem Hauptsacheverfahren vorausgegangen war ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Az. des Hanseatischen OLG 7 U 144/06).

Der Kläger war Rechtsanwalt. Nachdem seine Ehefrau während ihrer Schwangerschaft eine Tablette des Beruhigungsmittels "C." eingenommen hatte, wurde er Vater eines Sohnes, der körperliche Fehlbildungen aufwies. In der Folgezeit vertrat er eine Vielzahl von Personen mit ähnlichem Schicksal, die von dem Hersteller und Vertreiber von "C.", der G. GmbH - der Klägerin der Parallelverfahren 7 U 47/08 und 7 U 49/08 -, Entschädigungsleistungen forderten. Die G. GmbH hatte das Medikament 1957 als Beruhigungs- und Schlafmittel "C." auf den Markt gebracht und seinen Vertrieb im November 1961 eingestellt, nachdem der Hamburger Kinderarzt Dr. W ... L ... sich bei ihr gemeldet und ihr mitgeteilt hatte, dass der Verdacht der Teratogenität bestehe, das heißt, dass die Einnahme von "C." während der Schwangerschaft embryonale Fehlbildungen hervorrufen könne. Inzwischen war es bei einer Vielzahl von Frauen, die während ihrer Schwangerschaft "C." eingenommen hatten, zur Geburt ...

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