Leitsatz (amtlich)

Kollidiert der Führer eines Lieferwagens bei Dunkelheit – in Fahrtrichtung gesehen – ausgangs einer mit Lichtzeichen versehenen Kreuzung mit einem in seiner Sicht von rechts kommenden Radfahrer, der seinerseits auf dem Fuß-/Radweg bei Rot die Fahrlinie des Kraftfahrzeuges quert, ist der Fahrzeugführer für den Unfall jedenfalls teilweise verantwortlich, wenn er bei gelbem Licht „seiner” Ampel in die Kreuzung eingefahren ist und er vor der Kreuzung bei Gelb hätte anhalten müssen. Die gelbe Phase beim Lichtzeichenwechsel von Grün auf Rot ordnet an: Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten; diesem Anhaltegebot ist dann unbedingt Folge zu leisten, wenn eine vor der Kreuzungsampel installierte Vorampel beim Passieren bereits gelbes Licht abstrahlt, was bedeutet, dass der Fahrzeugführer nicht mehr damit rechnen kann und darf, noch bei Grün der Hauptampel in die Kreuzung einfahren zu können. In einem solchen Fall gilt die Regel nicht, dass der Fahrzeugführer beim Lichtzeichenwechsel von Grün auf Gelb seine Fahrt fortsetzen darf, wenn er andernfalls dem Haltegebot nur durch eine Gefahrenbremsung nachkommen könnte.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 19.02.2002; Aktenzeichen 1 O 180/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.04.2005; Aktenzeichen VI ZR 228/03)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das am 19.2.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer I des LG Detmold werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.500 Euro abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Gründe

I. Am 6.12.1999 gegen 17.15 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Fahrrad die rechte Seite der B.-Straße in D. in Richtung D. (Osten). Als er die Kreuzung der R.-Straße erreichte, zeigte die dortige Verkehrsampel für den Fußgänger- und Radfahrerüberweg Rot. Nachdem der Kläger zunächst angehalten hatte, fuhr er kurze Zeit später – bei streitiger Lichtphase der für ihn maßgebenden Ampel – los und begann, den Überweg zu überqueren. Zur selben Zeit fuhr der Beklagte zu 1) mit einem VW-Transporter im Querverkehr von Nord nach Süd bei Gelb der für ihn geltenden Verkehrsampel in die Kreuzung ein und erfasste den Kläger, so dass dieser gegen die Beifahrerseite des Fahrzeuges geschleudert wurde und schwere Kopfverletzungen davontrug. Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) sei mit einer über die zulässigen 70 km/h weit hinausgehenden Geschwindigkeit gefahren und habe den Unfall verschuldet, während er selbst verkehrsgemäß den Überweg bei Grün befahren habe. Mit seiner Klage hat er Feststellung der vollen Haftung der Beklagten für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall begehrt. Die Beklagten bestreiten eine überhöhte Geschwindigkeit und behaupten, der Kläger habe den Überweg trotz Rotlichts der für ihn maßgebenden Ampel überquert und den Unfall ausschließlich selbst verschuldet. Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens der Klage zur Hälfte stattgegeben und sie i.Ü. abgewiesen. Es hat ein schuldhaft verkehrswidriges Verhalten des Beklagten zu 1) – überhöhte Geschwindigkeit, Einfahren in eine Kreuzung bei Gelblicht trotz Warnung durch eine Vorampel – wie auch des Klägers – Rotlichtverstoß – als bewiesen angesehen und die beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gleich hoch bemessen. Wegen weiterer Einzelheiten zu dem erstinstanzlichen Parteivorbringen und den Feststellungen des LG wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung, wobei sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgen. Sie greifen die Beweiswürdigung des LG an, und die Beklagten beanstanden darüber hinaus die Auslegung des § 37 Abs. 2 StVO.

II. Beide Berufungen sind zulässig, jedoch unbegründet. Die Beklagten sind dem Kläger wegen des Unfalles vom 6.12.1999 nach §§ 847, 823 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden nach einem Verantwortungsanteil von 50 % verpflichtet. Das LG hat zutreffend ein Verschulden sowohl des Beklagten zu 1) als auch des Klägers als bewiesen angesehen und mit der hälftigen Teilung der Verantwortlichkeit auch das richtige Maß gefunden.

1. Die mit der Berufung der Beklagten erhobenen Einwände gegen die Feststellung eines schuldhaften und für den Unfall des Klägers ursächlichen verkehrswidrigen Verhaltens des Beklagten zu 1) greifen nicht durch. Dieser war nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verpflichtet, sein Fahrzeug bei Aufleuchten des Gelblichts der für ihn maßgebenden Hauptampel (Signale 3/3a) vor der Kreuzung anzuhalten. Hätte er dies getan, wäre der Unfall vermieden worden.

a) Die gelbe Ampelphase nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO ordnet an: Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen war...

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