Leitsatz (amtlich)

1. Die Antragsteller im aktienrechtlichen Spruchverfahren können für sich nicht in Anspruch nehmen, dass im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung im Spruchverfahren jeweils diejenige Methode anzuwenden wäre, die zu ihren Gunsten die höchsten Werte ergibt (Anschluss an: OLG Stuttgart NZG 2011, 1346 - juris-Rz. 312).

2. Die verfassungsrechtlichen Beschränkungen von Rückwirkungen sind bei den Empfehlungen für die Unternehmensbewertung (IDW) nicht einschlägig, da es sich bei den Empfehlungen nicht um Rechtsnormen, sondern um eine Expertenauffassung handelt (Anschluss an: OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rz. 279).

3. Das Beharren auf der Durchführung eines aktienrechtlichen Spruchverfahrens Spruchverfahrens trotz Vergleichsangebots ist für sich genommen nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn sich die Weiterverfolgung des Antrags nachträglich als wirtschaftlich wenig sinnvoll darstellt (Anschluss an: OLG Düsseldorf AG 2011, 459 - juris-Rz. 34; OLG Stuttgart AG 2010, 758 - juris-Rz. 59).

 

Normenkette

AktG § 327a; SpruchG § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 11.11.2011; Aktenzeichen 23 AktE 22/04)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller 1 bis 13 gegen den Beschluss des LG Mannheim vom 11.11.2011 - 23 AktE 22/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 3. des Beschlusses des LG Mannheim vom 11.11.2011 dahin abgeändert werden, dass die Antragsgegnerin die Gerichtskosten erster Instanz zu tragen hat.

II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre trägt die Antragsgegnerin.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird für die Gerichtskosten und für die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller beanspruchen als ausgeschlossene Minderheitsaktionäre der E. eine Erhöhung der Barabfindung.

Die E. AG befasste sich im Jahre 2002 mit der Herstellung von Faserzementprodukten für die Bauindustrie. Sie hielt zu 100 % Anteile an der E. Bau GmbH und der K. Verwaltungsgesellschaft mbH sowie Anteile an anderen kleineren Gesellschaften, die keine nennenswerten wirtschaftlichen Aktivitäten entfalteten. Das eingetragene Grundkapital betrug EUR 25.600.000 und war eingeteilt in eine Million auf den Inhaber lautende Stückaktien. Die Aktien waren nicht börsennotiert. Mehrheitsaktionär der E. AG war mit 998.895 Stückaktien (entsprechen 99,89 % am Grundkapital) die E. Management Holding GmbH. Die restlichen Aktien befanden sich in Streubesitz.

Am 4.3.2002 verlangte der Hauptaktionär die Übertragung der im Streubesitz befindlichen Aktien. In der Hauptversammlung der E. AG vom 23.7.2002 wurde der Beschluss gefasst, die Aktien der Minderheitsaktionäre der E. AG gegen Zahlung einer Barabfindung i.H.v. EUR 88 je Aktie auf die E. Management Holding GmbH nach den §§ 327a ff. AktG zu übertragen. In dem Übertragungsbericht der Hauptaktionärin hat diese nach einer nochmaligen Überarbeitung wegen Verlegung der Hauptversammlung einen Wert pro Aktie von 87,89 EUR dargelegt. Der vom LG Berlin eingesetzte sachverständige Prüfer bestätigte diesen Betrag als angemessen.

Am 28.5.2004 erfolgte die Eintragung ins Handelsregister, die im Bundesanzeiger vom 1.7.2004 bekannt gemacht wurde. Mit bei Gericht am 30.8.2004 bzw. 24.9.2004 eingegangenen Anträgen begehren die Antragsteller eine höhere Festsetzung des Abfindungsbetrages.

Die Antragsteller haben ausgeführt, dass der Unternehmenswert zu niedrig angesetzt sei, was sich daran zeige, dass abweichend von der Planung nach dem Squeeze-out eine regelrechte Gewinnexplosion eingesetzt habe. Der Basiszinssatz und der Risikozuschlag seien bei der Bewertung durch die Antragsgegnerin wesentlich zu hoch festgesetzt worden. Allenfalls mit 2 % könne nach neueren Untersuchungen die Risikoprämie in Ansatz gebracht werden. Umgekehrt sei mit einem Wachstumsabschlag von 2,0 % zu rechnen, so dass sich insgesamt ein erheblich höherer Ausgleichsbetrag ergebe. Dies zeige sich auch daran, dass in den Jahren vor dem Squeeze-out die Aktien außerbörslich zwischen 500 DM und 700 DM gehandelt worden seien.

Die Antragsteller und der vom Gericht bestellte Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben die Festsetzung einer angemessenen Abfindung über den in der Hauptversammlung vom 23.7.2002 festgesetzten Betrag hinaus beantragt.

Die Antragsgegnerin haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass der Wert für die Abfindung angemessen festgesetzt worden sei. Insbesondere verteidigt sie die von den Antragstellern angegriffene Berücksichtigung eines typisierten Steuersatzes und die Außerachtlassung von nach Durchführung des Squeeze-out ersparten "Formalaufwandes".

Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vor dem LG eine Erhöhung der Abfindungszahlung auf 175 EUR bei K...

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