Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzuständigkeit der Kammer für Handelssachen für die Klauselerteilung auf ausländische Titel nach der EuGVVO; Unzulässigkeit eines Abhilfeverfahrens vor der Kammer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Klauselerteilung nach der EuGVVO ist nur der Vorsitzende einer Zivilkammer, nicht auch der Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen berufen.

2. Auf die Beschwerde gegen eine Klauselerteilung nach der EuGVVO findet kein Abhilfeverfahren beim LG nach § 572 ZPO statt; die Sache ist vielmehr sogleich dem OLG vorzulegen.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 16.01.2004; Aktenzeichen 12 O 4/04)

 

Tenor

Die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 16.1.2004 - 12 O 4/04 - wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Die im Verhandlungstermin säumig gebliebene Schuldnerin ist durch Urteil einer Kammer für Handelssachen des AG von und in Luxemburg verurteilt worden, 13.619,76 Euro zzgl. Zinsen und Kosten zu zahlen. Auf einen an die Kammer für Handelssachen des LG Bonn gerichteten Antrag hat der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen dieses Urteil für vollstreckbar erklärt. Gegen die ihr am 3.3.2004 zugestellte Entscheidung wendet sich die Schuldnerin mit ihrer am 5.5.2004, einem Montag, eingegangenen Beschwerde, mit der sie unter Zeugenbeweisantritt geltend gemacht hat, im Ausgangsverfahren sei ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Vielmehr habe sich in dem ihr zugestellten Schriftstück lediglich ein mit "ANNEXE" überschriebenes Schriftstück befunden, das lediglich Angaben mit den Daten der am Verfahren beteiligten Personen bzw. Institutionen enthalten habe.

Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist daraufhin in die Prüfung einer etwaigen Abhilfe eingetreten und hat vor der Kammer, also unter Beteiligung der Handelsrichter eine Zeugin vernommen. Sodann hat die Kammer beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Sache dem OLG vorzulegen.

II. Die Beschwerde ist zulässig; insb. steht der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin sein Mandat inzwischen niedergelegt hat, der Zulässigkeit nicht entgegen. Aus der Bestimmung in § 6 Abs. 3 AVAG, wonach im ersten Rechtszug eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist, folgt nicht die unbedingte Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung im Beschwerdeverfahren; denn diese kann gem. § 11 Abs. 2 AVAG auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Entsprechendes gilt gem. § 13 Abs. 2 AVAG für weitere Prozesshandlungen, solange keine mündliche Verhandlung angeordnet ist. Nur für das Verfahren mit mündlicher Verhandlung besteht gem. den §§ 13 Abs. 2 AVAG, 78 Abs. 3 ZPO Anwaltszwang (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 11 AVAG Rz. 4, § 13 Rz. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 23. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 17) mit der weiteren Folge, dass auch § 87 Abs. 1, 2. Alt. ZPO nicht eingreift, also die Mandatsniederlegung sofort wirksam geworden ist.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

1. Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen funktionell zuständig war. Für Vollstreckbarkeitssachen nach dem AVAG ist auch nach der gesetzlichen Neufassung an sich nur und ausschließlich der Vorsitzende einer Zivilkammer zuständig (§ 3 Abs. 3 AVAG). Zwar soll gem. § 55 Abs. 1 AVAG die Vorschrift des § 3 dann keine Anwendung finden, wenn dem Vollstreckbarkeitsverfahren die EGVVO zugrunde liegt, nach dessen Anhang II der "Vorsitzende einer Kammer des LG" zuständig ist. Durch den Ausschluss des § 1 sollte aber wegen der Regelung der Zuständigkeit in Art. 39 Abs. 1 EGVVO i.V.m. Anhang II nur der Anschein einer nach EG-Recht unzulässigen Doppelregelung vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 11/47207; Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 55 AVAG Rz. 1; Hub, NJW 2001, 3145 [3150]). Eine Abweichung ggü. dem früheren Rechtszustand und demjenigen nach Art. 39 EuGVÜ/LGVÜ, deren Regelung wegen des in Deutschland zuständigen Gerichts im Anhang II der EGVVO unverändert übernommen wurde, war damit nicht beabsichtigt. In der Literatur wird demzufolge auch im Anwendungsbereich der EGVVO auch weiterhin - wie selbstverständlich - nur der Vorsitzende einer Zivilkammer als zuständig angesehen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., Art. 39 EGVVO Rz. 1; Schlösser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 39 EuGVVO Rz. 1).

Ob dem zu folgen ist, kann indes letztlich offen bleiben; denn die Schuldnerin hat eine etwaige fehlende funktionelle Zuständigkeit des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nicht gerügt. Zwar ist die in erster Instanz von Amts wegen zu prüfende Zuständigkeit auch vom Beschwerdegericht nachprüfbar, wie der Senat mit Beschl. v. 17.3.2004 (OLG Köln, Beschl. v. 17.3.2004 - 16 W 2/04, OLGReport Köln 2004, 237) auf eine entsprechende Rüge hin für die örtliche und sachliche Zuständigkeit entschieden hat. Dies beruht darauf, dass der Ausschluss vo...

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