Entscheidungsstichwort (Thema)

"Rennie aus Tschechien": Umverpackung eines Arzneimittels statt bisheriger Auffüllpackung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Parallelimporteur kann auch bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht darauf verwiesen werden, die importierte Packungsgröße ohne Mengenänderung nach einer (ohne großen Aufwand erreichbaren) Zulassung in Deutschland zu vertreiben, wenn das Medikament in dieser Größenordnung (hier: 96 Tabletten) schwerer absetzbar ist.

2. Ist eine Veränderung der Verpackung zulässig, ohne dass der Erschöpfungseinwand entfällt, so hat der Parallelimporteur die Wahl, ob er die ausländische Verpackung unter Veränderung der Blistermengen und bei Überklebung mit Etiketten übernimmt oder eine neue Umverpackung herstellt. Das gilt nicht nur für das Abstocken (Entnehmen von Blistern) - BGH GRUR 2007, 1075 - WRP 2007, 1472 (Stilnox), sondern auch für das Aufstocken (Hinzufügen von Blistern).

 

Normenkette

EGV Art. 30 S. 2; MarkenG § 24; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 03.03.2009; Aktenzeichen 33 O 285/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.02.2011; Aktenzeichen I ZR 172/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3.3.2009 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 285/08 - wird zurückgewiesen.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Inhaberin der Marke S., unter der ihre Muttergesellschaft ein verschreibungsfreies Arzneimittel herstellt und in Deutschland u.a. in Packungen zu 120 Kautabletten (mit 10 Durchdrückstreifen [Blistern] zu je 12 Tabletten) vertreibt. Die Beklagte importiert das Arzneimittel aus U., wo es in Packungen zu höchstens 96 Tabletten (mit 8 Blistern zu je 12 Tabletten) erhältlich ist. Seit Ende 2005 vertrieb sie eine 120-Tabletten-Packung als etikettierte Auffüllpackung. Im Mai 2008 kündigte sie an, das Arzneimittel künftig in neu erstellten Umverpackungen in Verkehr bringen und den Vertrieb der 120-Tabletten-Auffüllpackung einstellen zu wollen. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb wegen Verletzung ihres Markenrechts auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Das LG, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter; ergänzend trägt sie vor, dass die Beklagte statt einer 120-Tabletten-Packung eine umetikettierte 96-Tabletten-Packung in Verkehr bringen könne. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das - entgegen der Berufungsrüge hinreichend mit Gründen versehene - Urteil des LG das Markenrecht der Klägerin in Bezug auf die von der Beklagten importierten Tabletten auch dann als erschöpft angesehen, wenn sie diese in Deutschland - wie angekündigt - zu je 120 Stück in eigenen Umverpackungen unter der Marke S. vertreibt.

1. Angesichts der kennzeichenrechtlichen Einheit von Ware und Verpackung (Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 24 Rz. 49; Lieck, Der Parallelhandel mit Arzneimitteln [GEW Bd. 10], Rz. 249; Böttcher, GRUR-Int. 2009, 646 [647 f.]) stehen Veränderungen der Verpackung und insbesondere die im Umpacken liegende Gefährdung des Originalzustands der Ware einer Erschöpfung des Markenrechts grundsätzlich entgegen; seine Grenze findet das Recht des Markeninhabers aber im Verbot verschleierter Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten nach Art. 30 S. 2 EGV (EuGH, GRUR 2002, 879 [Rz. 31] = WRP 2002, 666 - Boehringer Ingelheim/Swingward I; GRUR 2007, 586 [Rz. 16] = WRP 2007, 627 - Boehringer Ingelheim/Swingward II; Fezer, a.a.O., Rz. 78 ff.; HK-MarkenR/von Hellfeld, 2. Aufl., § 24 Rz. 33). Ein Parallelimport von Arzneimitteln wäre nämlich praktisch ausgeschlossen, wenn der Markeninhaber jede Anpassung der Verpackung an Erfordernisse des Importlandes unterbinden könnte.

Nach der um einen Ausgleich der berechtigten Interessen aller Beteiligten bemühten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR-Int. 1996, 1144 [Rz. 79] = NJW 1997, 1627 - Bristol-Myers Squibb; GRUR 2007, 586 [Rz. 21] = WRP 2007, 627 - Boehringer Ingelheim/Swingward II; GRUR 2009, 154 [Rz. 23] - Wellcome/Paranova), der auch der BGH folgt (vgl. nur BGH GRUR 2008, 1087 [Rz. 16] = WRP 2008, 1557 - Lefax/Lefaxin; zur Entwicklung vgl. Lieck, a.a.O., Rz. 251 ff.; ders., GRUR 2008, 661 ff.), ... ierkann sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht hat, es sei denn,

  • es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu d...

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