Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegattenunterhalt: Aufrechnung des Unterhaltsanspruchs mit einem Bereicherungsanspruch wegen zuviel gezahlten Unterhalts

 

Leitsatz (amtlich)

Der Aufrechnung gegen Unterhaltsforderungen mit einem Bereicherungsanspruch wegen zuviel gezahltem oder zuviel vollstrecktem Unterhalt steht im Regelfall § 394 Satz 1 BGB entgegen; das gilt auch dann, wenn es sich um die Aufrechnung gegen Unterhaltsrückstände handelt (Abgrenzung zu OLG Naumburg FamRZ 1999, 437; OLG Hamm FamRZ 1999, 436).

 

Normenkette

BGB § 394 S. 1, § 812 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 10.03.2010)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG München vom 10.3.2010 aufgehoben.

2. Der Antragstellerin wird die beantragte Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung einer Forderung zum Nachteilsausgleich wegen Realsplittings über 2.813,60 EUR zzgl. der gesetzlichen Zinsen bewilligt.

 

Gründe

I.a) Die Antragstellerin macht einen Nachteilsausgleich wegen steuerlichen Realsplittings im Veranlagungsjahr 2008 geltend.

Sie verlangt insoweit 2.813,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Die Antragstellerin begehrt für den Antrag auf gerichtliche Festsetzung dieser Forderung Verfahrenskostenhilfe.

b) Der Antragsgegner hat im Jahr 2008 an die Antragstellerin Ehegattenunterhalt in einer Höhe bezahlt, der den Betrag von 13.805 EUR übersteigt, also den Höchstbetrag, bis zu dem das begrenzte Realsplitting möglich ist.

Die Antragstellerin erteilte mit Datum vom 4.8.2009 ihre Zustimmung dazu, dass der Antragsgegner den in 2008 gezahlten Ehegattenunterhalt gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgabe abziehen kann. Der Antragsgegner hat sich im Gegenzug dazu verpflichtet, der Antragstellerin alle finanziellen Nachteile, die sich hieraus ergeben, auszugleichen.

Infolge der Zustimmung der Antragstellerin hat der Antragsgegner für das Jahr 2008 gezahlten Ehegattenunterhalt i.H.v. 12.048 EUR geltend gemacht. Der Antragstellerin wurden folglich für dasselbe Jahr sonstige Einkünfte i.H.v. 12.048 EUR vom Finanzamt zum zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet.

Mit Bescheid vom 9.12.2009 wurde eine zu zahlende Einkommensteuer für das Jahr 2008 i.H.v. 2.758 EUR und ein Solidaritätszuschlag von 55,60 EUR festgesetzt. Den zu zahlenden Betrag von 2.813,60 EUR macht die Antragstellerin als Nachteilsausgleich geltend. Nach ihrer Auffassung wäre ohne die Zurechnung von Einkommen im Rahmen des Realsplittings für sie keine Einkommensteuer entstanden.

c) Der Antragsgegner bestreitet diesen Sachverhalt nicht, beruft sich aber auf eine Aufrechnung mit - infolge Pfändungen seitens der Antragstellerin - überzahltem Unterhalt i.H.v. insgesamt 12.171,28 EUR.

Insoweit stellt ihrerseits die Antragstellerin nicht in Abrede, dass sie eine erhebliche Überzahlung von Unterhalt erhalten hat, wenngleich der konkrete Betrag nicht bestätigt wird.

Sie ist aber der Auffassung, dass eine Aufrechnung grundsätzlich im Hinblick auf § 394 Satz 1 BGB ausgeschlossen sei. Außerdem sei sie nicht mehr bereichert, da sie die Beträge verbraucht habe.

d) Das AG hat mit Beschluss vom 9.3.2010 den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil eine zulässige Aufrechnung mit überzahltem Unterhalt gemäß Schreiben des Antragsgegners vom 28.10.2009 die Antragsforderung zum Erlöschen gebracht habe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, welcher das Familiengericht mit Beschluss vom 18.3.2010 nicht abgeholfen hat.

II.1. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 112 Nr. 3, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO).

2. Es erweist sich auch als begründet. Das Familiengericht hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Hauptsacheantrags i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO verneint und deshalb die begehrte Verfahrenskostenhilfe versagt.

Der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts, dass durch die am 28.10.2009 erklärte Aufrechnung die verfahrensgegenständliche Forderung bereits erloschen sei (§ 389 BGB), kann aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

a) Dass allerdings dem Antragsgegner eine grundsätzlich zur Aufrechnung geeignete Forderung infolge der "Überzahlung" von mittels Pfändung eingezogenem Unterhalt zustand und diese mindestens die Höhe der Ausgleichsforderung erreichte, wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt.

Soweit sie den demnach aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB folgenden Bereicherungsanspruch bestreitet, vermögen ihre Einwendungen nicht durchzugreifen.

aa) Vollständig unbehelflich ist die Behauptung, der Antragsgegner hätte selbst die Überzahlung verhindern oder unverzüglich korrigieren müssen. Allenfalls im Rahmen einer Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB kann über § 814 BGB das Wissen der Nichtschuld dazu führen, dass eine dennoch erbrachte Leistung nicht zurückgeforde...

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