Leitsatz (amtlich)

1. Im Spannungsverhältnis zwischen dem durch die Weisung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 und Satz 4 StGB) bedingten schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verurteilten bzw. in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einerseits und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit andererseits ist im Wege einer Gesamtbetrachtung ein gerechter und vertretbarer Ausgleich zu finden.

2. Die Regelung in § 68b Abs. 1 Satz 4 StGB soll eine aus § 68e Abs. 1 Satz 1 StGB folgende Beendigung der (früheren) Führungsaufsicht ausgleichen, nicht jedoch weiterreichende Eingriffsbefugnisse begründen. Daher kommt ein Rückgriff auf die frühere Führungsaufsicht dann nicht mehr in Betracht, wenn diese - unabhängig von § 68e Absatz 1 Satz 1 StGB - inzwischen wegen Ablaufs ihrer festgesetzten Dauer beendet ist.

 

Normenkette

StGB §§ 177, 68e Abs. 1 S. 1, §§ 68d, 68c, 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 12, Sätze 3-4, §§ 68a, 67d, 66; StPO §§ 463a, 463, 453, 306; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Entscheidung vom 17.06.2015)

 

Tenor

  1. Die (einfache) Beschwerde des Verurteilten vom 06.05.2015 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut vom 24.04.2015 in der Fassung vom 17.06.2015 wird als unbegründet verworfen.
  2. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Regensburg vom 27.05.2013, rechtskräftig seit 04.06.2013, wegen versuchten Raubes mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten verurteilt.

Diese Straftat beging er am 10.05.2012, nachdem er am 05.05.2012 aus der Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz im Bezirksklinikum M. entwichen und in Tschechien untergetaucht war. Der Flucht ging die telefonische Mitteilung seiner Tochter vom 04.05.2012 voraus, dass sie ihn nun wegen zweier sexueller Übergriffe, die er am 18.04.2009 und am 27.03.2010 an ihr begangen habe, anzeigen werde. Beide Übergriffe habe er anlässlich ihrer Besuche bei ihm in der damals im Bezirkskrankenhaus St. vollzogenen Sicherungsverwahrung begangen.

Die Strafhaft im gegenständlichen Verfahren verbüßte der Beschwerdeführer mit Strafende 09.06.2015 in der JVA L.

Durch Beschluss vom 24.04.2015 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut festgestellt, dass mit Vollverbüßung der verfahrensgegenständlichen Freiheitsstrafe gem. § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB Führungsaufsicht eingetreten ist und hat diese ausgestaltet. Die Dauer der Führungsaufsicht setzte die Strafvollstreckungskammer dabei auf 5 Jahre fest, unterstellte den Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnsitz örtlich zuständigen hauptamtlichen Bewährungshilfe und erteilte ihm für seine Lebensführung während der Führungsaufsicht mehrere Weisungen, darunter unter Ziffer IV. Nr. 1 eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und unter Ziffer IV. Nr. 5 folgende Weisung:

"Der Verurteilte hat sich vor Entlassung aus der Haft die für eine elektronische Überwachung seines Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel anlegen zu lassen, diese ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB)."

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidung vom 24.04.2015 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 17.06.2015 fasste die Strafvollstreckungskammer (nur) Ziffer IV. ihrer Entscheidung vom 24.04.2015 neu, wobei die bereits erteilten Weisungen der Sache nach nicht verändert wurden, sondern nur dem Umstand Rechnung getragen wurde, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung im C-Heim ...in R. Wohnsitz genommen hat. Aus diesem Grund wurden die im Beschluss vom 24.04.2015 unter Ziffern IV. Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 8 erteilten Weisungen entsprechend ausgestaltet. Im Rahmen der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB wurde dem Beschwerdeführer dabei untersagt, das Stadtgebiet von R. ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen. Zur Wahrnehmung der Vorstellungstermine bei der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexualstraftäter in N. wurde eine Ausnahme gemacht. Die im Beschluss vom 24.04.2014 unter Ziffer IV. Nr. 5 erteilte Fußfessel-Weisung wurde dabei unverändert aufrechterhalten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidung vom 17.06.2015 Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer ist umfangreich vorbestraft.

Durch Urteil des Landgerichts München I vom 05.03.1990 war der bereits zu diesem Zeitpunkt u. a. mehrfach wegen Raubes vorbestrafte Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, Entführung gegen den Willen der Entführten, vorsätzlicher Körperverletzung und Raub (begangen in den frühen Morgenstunden des 08.05.1988 an einer 19-jährigen Frau) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt worden.

Am 11.11...

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