Leitsatz (amtlich)

1. Ist bei einer abstrakten Farbmarke eine farbgetreue Wiedergabe der angemeldeten Farbe in der Markenurkunde und in der zu veröffentlichenden Eintragung aufgrund von unzureichenden technischen Gegebenheiten nicht möglich, kann bei der Bestimmung des Gegenstands der Marke und ihres Schutzbereichs nicht auf diese unzutreffende Wiedergabe abgestellt werden (im Anschluss an BPatG GRUR 2002, 163 [164] – BIC-Kugelschreiber).

2. Ist eine abstrakte Farbmarke aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden (§ 8 Abs. 3 MarkenG), ist das an Farben generell bestehende Freihaltebedürfnis nicht geeignet, den Schutzbereich der Farbmarke auf den Identitätsbereich (Verwendung desselben Farbtons) zu beschränken. Vielmehr ist – wie bei sonstigen Markenformen auch (vgl. BGH GRUR 2002, 173 [174] – Marlboro-Dach, m.w.N.) – regelmäßig von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen.

 

Normenkette

MarkenG § 4 Nr. 1, § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 41

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 4 HKO 12569/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen I ZR 188/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 8.11.2001 abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Abformmassen anzubieten und/oder anbieten zu lassen oder in den Verkehr zu bringen, die nach der vor ihrer Verwendung erforderlichen Abmischung folgende Farbtöne aufweisen (Anl. K 4 „Flexitime Mono Phase”; Anl. K 5 „Flexitime Heavy Tray”; Anl. K 6 „Flexitime Easy Putty”).

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen gem. Nr. 1 seit dem 1.7.2000, und zwar unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Liefermengen, Lieferzeiten und -preise und unter Angabe der einzelnen Angebote (Angebotsmengen und -zeiten), der Werbung (einzelne Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet) sowie des erzielten Gewinns.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gem. Nr. 1 entstanden ist und noch entstehen wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Dentalprodukten. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung einer Farbmarke für Abformmassen für Zahnärzte und Zahntechniker auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Klägerin vertreibt seit dem Jahre 1967 unter der Bezeichnung IMPREGUM eine dentale Abformmasse. Diese besteht aus einer blauen Basispaste und einer roten Paste, die vor der Anwendung gemischt werden, wodurch die Abformmasse den Farbton lila erhält. Nach den Angaben der Klägerin wurde sowohl auf der Verpackung als auch in der Werbung seit jeher diese lila Farbe verwendet (vgl.Werbeprospekte als Anl. K 9). Die Klägerin hat nach ihren Angaben mit diesem Produkt in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland folgende Umsätze erzielt:

1997: mehr als 29 Mio. DM

1998: mehr als 21 Mio. DM

1999: 25,5 Mio. DM

2000 (einschl. einer Produktvariante): 32,5 Mio. DM

Den inländischen Marktanteil von IMPREGUM beziffert die Klägerin für die Jahre 1996 bis 2000 auf 24,8, 26,35, 24,9, 26,8 bzw. 28,7 %. Mit IMPREGUM arbeiteten mehr als 40 % der in Deutschland niedergelassenen Zahnärzte und Kieferorthopäden. Nicht nur das Produkt IMPREGUM, sondern auch die Farbe lila werde im Bereich der dentalen Präzisionsabformmaterialien sei jeher der Klägerin zugeordnet, wie auch bei Umfragen in den Jahren 1996 und 2000/2001 festgestellt worden sei.

Die Klägerin ist Inhaberin der Farbmarke Nr. 395 41 406, eingetragen für Abformmassen für zahnärztliche und zahntechnische Zwecke, die am 11.10.1995 angemeldet wurde. Als Gegenstand wird in dem Anmeldeformular (Kopie in Anl. K 8) unter (7) bzw. (14) aufgeführt:

Sonstige Markenform -> Farbmarke

Farbige Eintragung mit folgenden Farben: lila

Anlagen

1 Farbbeispiel der Farbmarke

3 weitere Farbbeispiele werden nachgereicht

3 Pantone 2622 aufgerastet im C, M, S, geeignet zur farblichen Drucklegung für die Veröffentlichung im Markenblatt

Am 26.10.1995 reichte die Klägerin Silikon-Farbmuster nach sowie auf Anforderung am 21.12.1995 vier farbige Wiedergaben der angemeldeten Marke in Papierform. Mit Beschluss vom 10.5.1996 des Deutschen Patentamts (Originalbeschluss in A...

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