Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur ausnahmslosen Anwendbarkeit von § 215 VVG seit dem Jahr 2009

 

Normenkette

VVG § 215; GVGEG Art. 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Beschluss vom 11.11.2009; Aktenzeichen 2 O 184/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.12.2009 gegen den Beschluss des LG Neubrandenburg vom 11.11.2009 - 2 O 184/09, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller beabsichtigt, die Anspruchsgegnerin, die in F. geschäftsansässig ist, aus einer zu seinen Gunsten seit dem 1.3.2001 bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung vor dem LG Neubrandenburg in Anspruch zu nehmen. Bedingungsgemäße Berufungsunfähigkeit soll nach seinem Vorbringen seit November 2008 eingetreten sein.

Die Anspruchsgegnerin hat mit Schreiben vom 23.12.2008 erklärt, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten, und den Leistungsantrag des Antragstellers abgelehnt. Zugleich hat sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Im vorliegenden Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren hat die Anspruchsgegnerin die örtliche Zuständigkeit des LG Neubrandenburg gerügt.

Das LG hat mit Beschluss vom 11.11.2009 den Antrag des Antragstellers, ihm für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hält die Klage für unzulässig, da die örtliche Zuständigkeit des LG Neubrandenburg nicht gegeben sei. Zudem würden sich aus dem Vorbringen des Antragstellers auch ausreichende Anhaltspunkte für Arglist ergeben.

Der gegen diese Entscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde des Antragstellers vom 16.12.2009 hat das LG gem. Beschluss vom 18.12.2009 nicht abgeholfen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar ist für die beabsichtigte Klage der Gerichtsstand des LG Neubrandenburg begründet (1.). Die Anspruchsgegnerin ist jedoch zur Leistung aus der mit dem Antragsteller geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung nicht verpflichtet (2.).

1. Das LG Neubrandenburg ist für die beabsichtigte Klage gem. § 215 VVG n.F. örtlich zuständig.

Die Frage, ob diese Vorschrift bei Altverträgen für Versicherungsfälle anwendbar ist, die bis 31.12.2008 eingetreten sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Ansicht, die die Anwendbarkeit des § 215 VVG n.F. ab dem 1.1.2008 bejaht, soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalles durch den Versicherer beziehen, für die Frage der Geltung des § 215 VVG hingegen keine Bedeutung zukommen. Eine andere Auffassung vertritt den Standpunkt, dass sämtliche Vorschriften des VVG a.F. in den Fällen des Eintritts des Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 begrenzt fortgelten und daher § 215 VVG n. F bei Altverträgen bis zum 31.12.2008 keine Anwendung findet. Das OLG Hamburg vertritt die differenzierte Ansicht, dass § 215 VVG n.F. für ab dem 1.1.2009 erhobene Klagen anwendbar ist, auch wenn der Versicherungsfall bis Ende 2008 eingetreten ist (zum Meinungsstreit vgl. OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2009 - 9 W 36/09, NJW-RR 2009, 1543 mit zahlreichen Nachweisen).

Der Senat, der sich der letztgenannten Auffassung anschließt, hält eine einschränkende Auslegung von Art. 1 Abs. 2 EGVVG für zulässig und geboten, § 215 VVG also seit dem Jahr 2009 für ausnahmslos anwendbar. Nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG ist das (alte) Versicherungsvertragsgesetz unbefristet insoweit weiter anzuwenden, als bei Altverträgen, ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift ("Versicherungsfall" und "insoweit") spricht dafür, dass sie sich allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalles durch den Versicherer beziehen soll. Da aber die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Versicherungsfall durch die Änderung der Gerichtsstandsregelung nicht berührt werden, kommt der Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 2 EGVVG für die Frage der Geltung des § 215 VVG n.F. keine Bedeutung zu. Auch der Regelungszusammenhang von Art. 215 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG legt diese einschränkende Auslegung von Abs. 2 nahe. Während die Grundnorm des Abs. 1 die befristete Anwendbarkeit des VVG a.F. für sämtliche bis zum 31.12.2007 entstandenen "Versicherungsverhältnisse" bis zum 31.12.2008 anordnet, unterstellt Abs. 2 für Altverträge lediglich die materiell-rechtliche Beurteilung und Abwicklung von bis zum 31.12.2008 eingetretenen "Versicherungsfällen" dem VVG a.F. Letztlich hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Art. 1 Abs. 2 EGVVG lediglich eine in Ansehung von Altverträgen und der generellen Regelung in Abs. 1 als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnete Rückwirkung auf die wechselseitigen Rechte und Pflichten und Obliegenheiten der Vertragsparteien vermeiden wollen, soweit es laufende, bis zum 31.12.2008 eingetretene Schadensfälle betrifft (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/3945, 118). Derartige Bedenken g...

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