Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfebewilligung: Kostenerstattungsanspruch gegen die bedürftige Partei nach Vergleich. PKH – Erstattungsanspruch des Gegners – Vergleich. Ehegattenunterhalt. Kostenfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Ansicht fest, dass die beklagte Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, dies dem (auch nur teilweise) erstattungsberechtigten Kläger dann nicht entgegenhalten kann, sie die Kosten durch Vergleich übernommen hat (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 14.12.1999 – 8 W 658/98 – Die Justiz 2000, 84)

 

Normenkette

ZPO § 123; GKG § 58 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Göppingen (Aktenzeichen 7 F 162/98)

 

Gründe

1. Der Beklagten ist für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Im verfahrensabschließenden Vergleich, auf den die Prozesskostenhilfebewilligung erstreckt worden ist, sind die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen gegeneinander aufgehoben worden.

Die Beklagte wendet sich unter Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht und andere Gerichte dagegen, dass die Rechtspflegerin die Hälfte der vom Kläger vorgeschossenen Gerichtskosten als erstattungspflichtig gegen sie festgesetzt hat.

2. Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Zwar hat dasBundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23.6.1999 gegen die gefestigte Rechtsprechung fast aller Oberlandesgerichte und die ganz herrschende Lehre entschieden, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, wenn eine beklagte Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, alsEntscheidungschuldnerin über §§ 58 Abs. 2 S. 2, 54 GKG, 123 ZPO verpflichtet wird, der Klägerin die von ihr verauslagten (vorgeschossenen) Gerichtskosten zu erstatten (NJW 1999, 3186 = MDR 1999, 1098 = JurBüro 1999, 540 = RPfl 1999, 495; kritisch dazu Schütt MDR 1999, 1405; Wedel JurBüro 2000, 124). Dabei hat es jedoch – in Fortführung einer früheren Entscheidung (BVerfGE 51, 295, 302) – ausdrücklich den Fall ausgenommen, in dem die Kostentragungspflicht der durch Prozesskostenhilfe begünstigten Partei auf einerÜbernahme durch Vergleich beruht. Dem hat sich auch der Senat – unter teilweiser Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (ebenso zB OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.1999, MDR 1999, 1466 = RPfl 2000, 74 = JurBüro 2000, 87) – angeschlossen (zB Beschl. v. 14.12.1999 – Die Justiz 2000, 84).

b) Darüber hinausgehend hat dasOLG Frankfurt (Beschl. v. 10.11.1999 – NJW 2000, 1120 = MDR 2000, 479 m. abl. Anm. Schütt MDR 2000, 668 und Wedel JurBüro 2000, 397) aus der genannten Entscheidung des Verfassungsgerichts hergeleitet, § 58 Abs. 2 GKG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass gegen die bedürftige Parteiauch im Falle einerKostenübernahme durch Vergleich keine Kosten festgesetzt werden dürfen. Dem hat sich dasOLG Hamm angeschlossen für den Fall, dass es sich um einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich handelt (Beschl. v. 17.7.2000 – RPfl 2000, 553).

c) Demgegenüber haben zahlreicheandere Oberlandesgerichte (zB OLG Bamberg JurBüro 2000, 88; NJW 2000, 3077; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1121 = JurBüro 2000, 28 = Die Justiz 2000, 40; OLG Koblenz NJW 2000, 1122 = RPfl 2000, 73; OLG Nürnberg MDR 1999, 1527 = JurBüro 2000, 88 = OLGRep 2000, 72; MDR 2000, 1034 = RPfl. 2000, 460) – in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung – die Freistellung der bedürftigen Partei von einer Festsetzung zugunsten der Klägerin auf den Fall derEntscheidungsschuldnerschaft beschränkt; im Falle einer Kostenübernahme durch Vergleich bleibt es dagegen beim bisherigen Rechtszustand, nämlich dass die Klägerin die von ihr vorgeschossenen Gerichtskosten gegen die bedürftige Beklagte festsetzenlassen kann.

Inzwischen hat dasBundesverfassungsgericht in einem weiteren Beschluss vom 28.6.2000 (1 BvR 741/00 – MDR 2000, 1157) ausgesprochen:„Übernimmt ein Beklagter, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, in einem Prozessvergleich Gerichtskosten, so können die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten gegen ihn festgesetzt werden”. Damit hat das Verfassungsgericht die Reichweite seiner „verfassungskonformen Auslegung” – die der Sache nach eine (nur vom Ergebnis her zu begrüßende) Rechtsänderung bewirkt hat – begrenzt und im Sinne einer authentischen Interpretation klargestellt, dass in der hier vorliegenden Fallgestaltung der eindeutige Wortlaut des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG nicht durch die Berufung auf eine Verletzung des Art. 3 GG überwunden werden kann.

d) Der Senat verkennt nicht, dass zur Förderung von einvernehmlicher Konfliktbewältigung es rechtpolitisch wünschenswert wäre, wenn der Vergleichsschluss – jedenfalls dann, wenn er vom Gericht vorgeschlagen wird – gegenüber zur Streitentscheidung kostenrechtlich nicht schlechter behandelt wird. Die derzeitige Differenzierung Kostenerstattungspflicht der bedürftigen Partei je nachdem, ob sie Entscheidungsschuldnerin oder Übernahmeschuldnerin ist, steht nicht nur in einem Widerspruch zur kostenrechtlichen Privilegierung des Vergleichs durch Nr. 1202 (= Nr. ...

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