Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verhandlungsgebühr bei Vergleich im schriftliche Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Der Abschluss eines Vergleichs im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO n.F. löst keine fiktive Verhandlungsgebühr nach § 35 BRAGO aus.

 

Normenkette

BRAGO § 35; ZPO § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 26 O 50/02)

 

Gründe

1. Auf die Klage auf Rückzahlung eines überfälligen Darlehens zzgl. Zinsen hat der Beklagte nur noch die Zinsforderung bestritten. In der Terminsverfügung hat der Richter den Abschluss eines Vergleichs mit Ratenzahlung und Verfallsklausel angeregt. In der Folge haben die Parteien über ihre jeweiligen Prozessbevollmächtigten über eine vergleichsweise Regelung korrespondiert und ihre Vorstellungen dem Gericht zur Kenntnis gebracht. Der Richter hat den Parteien den Vorschlag eines ausformulierten Vergleichs mitgeteilt. Nachdem beide Parteivertreter das Einverständnis ihrer Parteien mit diesem Vergleichsvorschlag mitgeteilt hatten, hat der RiLG durch Beschluss festgestellt, dass gem. § 278 Abs. 6 ZPO der nachfolgend wiedergegebene Vergleich zustande gekommen ist.

Nachdem der Rechtspfleger gegen den kostentragungspflichtigen Beklagten antragsgemäß eine 10/10-Prozessgebühr und eine 10/10-Vergleichsgebühr zzgl. Pauschale und MwSt. festgesetzt hatte, hat der Klägervertreter ergänzend die Festsetzung einer „10/10-Gebühr gem. § 35 BRAGO” in Höhe weiterer 483,17 Euro nebst MwSt. zzgl. Zinsen beantragt. Der Beklagte ist dem entgegentreten. Die Rechtspflegerin hat (nach Einholung einer richterlichen Stellungnahme) den ergänzenden Festsetzungsantrag abgelehnt mit der Begründung, eine „Entscheidung” i.S.d. § 35 BRAGO liege nicht vor. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Kläger seine Ansicht weiter.

2. Das zulässige Kostenrechtsmittel des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4 BRAGO ist nicht angefallen, da eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

b) Der Anfall einer solchen Gebühr lässt sich auch nicht aus § 35 BRAGO herleiten. Nach dieser Vorschrift ist der Anfall einer Gebühr „wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung” davon abhängig, dass einvernehmlich oder in konkret benannten schriftlichen Verfahren (gem. §§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 und 495a Abs. 1 ZPO) eine Entscheidung ergeht (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 35 Rz. 1).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. § 278 Abs. 6 ZPO ist in § 35 BRAGO nicht als eine der Verfahrenssituationen aufgeführt, die auch ohne mündliche Verhandlung eine Verhandlungs- (oder Erörterungs-)gebühr auslösen. Das – im Wesentlichen am 1.1.2002 in Kraft getretene – Zivilprozessreformgesetz vom 27.6.2001, durch das der Vergleichsabschluss im schriftlichen Verfahren in die ZPO eingeführt worden ist, hat auch die BRAGO vielfältig geändert und dem neuen Verfahrensrecht angepasst. Dabei wurde auch der bisher in § 35 BRAGO enthaltene Verweis auf § 128 Abs. 3 ZPO a.F. gestrichen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 ZPO-RG).

Dass dagegen § 278 Abs. 6 ZPO bewusst nicht in § 35 BRAGO aufgenommen worden ist, erklärt sich damit, dass diese Vorschrift einen weiteren Weg zu einem vollstreckbaren Vergleich eröffnet und damit gerade eine gerichtliche Entscheidung vermeidet. Eine „Entscheidung” ist aber gesetzliche Voraussetzung des Anfalls der verlangten Gebühr. Die Feststellung des Vergleichsschlusses durch gerichtlichen „Beschluss” (§ 278 Abs. 6 S. 2 ZPO) ist keine richterliche Entscheidung, sondern hat Protokollierungscharakter. Die Gleichsetzung des „Beschlusses” mit einer Protokollierung bringt § 278 Abs. 6 S. 3 selbst zum Ausdruck: Für den Fall eines Fehlers im „Beschluss” gilt die Bestimmung des § 164 ZPO über die Protokollberichtigung, zugleich ist eine Anfechtung des Beschlusses ausgeschlossen worden (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 82; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., Rz. 24; Thomas/Putzo/Reichert, ZPO, 24. Aufl., Rz. 16, 18; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., AktualBd., Rz. 37; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 278 Rz. 18).

Nachdem sich der Senat bereits durch Beschluss vom 11.3.2003 (8 W 87/03) in einer unveröffentlichten Entscheidung für die Unanwendbarkeit von § 35 BRAGO auf den nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich ausgesprochen hatte, hält er nach erneuter Überprüfung an dieser Auffassung fest (ebenso OLG München v. 17.1.2003 – 11 W 605/03, MDR 2003, 533).

c) Eine entspr. Anwendung des § 35 BRAGO scheidet nach Ansicht des Senats ebenfalls aus. Die von dieser Ausnahmebestimmung genannten Fälle treffen auf andere Verfahrenslagen zu, in denen an Stelle der mündlichen Verhandlung ein schriftliches Verfahren zu einer Entscheidung führt. Auch beim schiedsrichterlichen Verfahren fällt eine „Verhandlungsgebühr” im schriftlichen Verfahren nur an, wenn es zu einem Schiedsspruch kommt (§ 67 Abs. 2 BRAGO). Beim Anwaltsvergleich (§§ 796a–c i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4b ZPO) sind die anfallenden Gebühren im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren ausdrücklich in § 4...

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