Leitsatz (amtlich)

1. Ausgangsniveau: § 34 Abs. 3 ARegV und § 6 Abs. 2 ARegV sind im Sinne einer strikten Bindung an die Kostenbasis des letzten nach § 23a EnWG ergangenen Genehmigungsbescheids auszulegen. Eine nachträgliche Steigerung der Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig wie ein Risikozuschlag im Hinblick auf eine nachträglich geänderte Rechtsprechung. Eine solche Berücksichtigung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Härtefalls gem. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 möglich.

2. Eine Anpassung auch der kalkulatorischen Gewerbesteuer findet im Rahmen der Anpassung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung gem. § 7 Abs. 6 StromNEV nicht statt.

3. Auch im Verfahren der Anreizregulierung ist (rechtsgrundlos) entstandener Mehrerlös in der nächsten Genehmigungsperiode entgeltmindernd in Ansatz zu bringen.

4. Die Festlegung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors durch den Verordnungsgeber in § 9 ARegV und seine Aufnahme in die Regulierungsformel (Anlage 1 zu § 7 ARegV) findet in § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG eine ausreichende, den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes genügenden Ermächtigungsgrundlage und verstößt auch sonst nicht gegen die Vorgaben von § 21a EnWG (Abweichung von OLG Naumburg, Beschl. v. 5.11.2009 - 1 W 6/09 (EnWG)). Bei dem generellen sektoralen Produktivitätsfaktor handelt es sich nicht um eine Effizienzvorgabe i.S.v. § 21a Abs. 5 Satz 1 EnWG.

 

Normenkette

GG Art. 80; EnWG § 21a Abs. 5-6; ARegV § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 2, §§ 25, 34 Abs. 3; StromNEV § 7 Abs. 6

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.01.2012; Aktenzeichen EnVR 16/10)

 

Tenor

1.a) Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin/Beschwerdeführerin wird der Festlegungsbescheid der Beschwerdegegnerin vom 10.12.2008 aufgehoben.

b) Die Beschwerdegegnerin wird analog § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO verpflichtet, einen Festlegungsbescheid mit Wirkung zum 1.1.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erlassen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird durch gesonderten Beschluss festgesetzt werden.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und zur Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Neubescheidung; der Sache nach hat die sofortige Beschwerde jedoch nur geringen Erfolg.

A. Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Bescheid der Landesregierungsbehörde/Beschwerdegegnerin im Rahmen der Anreizregulierung Strom.

Die Beschwerdeführerin ist ein kommunaler Eigenbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das Versorgungsgebiet umfasst die Gemeinde S im -kreis. Mit Bescheid vom 16.10.2008 hatte die Beschwerdegegnerin befristet bis zum 31.12.2007 auf der Grundlage einer Kostenprüfung (Basisjahr 2004) Netznutzungsentgelte genehmigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde erledigten die Beteiligten durch eine Vereinbarung (Bf. 2 = Bl. 60). Mit Bescheid vom 29.5.2008 hat die Beschwerdegegnerin befristet bis zum 31.12.2008 auf der Grundlage einer Kostenprüfung (nun Basisjahr 2006) eine Genehmigung von Durchleitungsentgelten ausgesprochen.

Mit Bescheid vom 10.1.2008 wurde der Beschwerdeführerin für die erste Anreizregulierungsperiode die Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV genehmigt. Die Beschwerdeführerin hatte mit Schreiben vom 29.9.2008 im Rahmen der Anhörung den Antrag gestellt, die nach gesicherten Erkenntnissen im Jahr 2009 zu erwartenden Kosten für Verlustenergie i.H.v. 71.535 EUR anzuerkennen.

Durch Bescheid vom 10.12.2008 (Bl. 5 - 22 = Verwaltungsverfahrensakte [= VV] 145/17) hat die Landesregierungsbehörde/Beschwerdegegnerin die Erlösobergrenzen für die erste Anreizregulierungsperiode (2009 bis 2013 [Strom]) festgelegt. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 12.12.2008 zugestellt (VV 145/17). Am 12.1.2009 ging die dagegen gerichtete Beschwerde der Gemeinde ein, welche entsprechend einer Fristverlängerung fristgerecht zum 12.3.2009 begründet worden ist.

Darin greift die Beschwerdeführerin den Bescheid im Umfang der nachfolgend im Einzelnen dargestellten Rügepunkte an.

Die Beschwerdeführerin beantragt:

Der Festlegungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10.12.2008, Az: 1-4455.4-3/145, wird aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin wird analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet, einen Festlegungsbescheid mit Wirkung zum 1.1.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Wirtschaftsministeriums vom 10.12.2008 wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt ihre angefochtene Entscheidung als richtig.

Die Bundesnetzagentur (BNA) ist am Verfahren beteiligt; sie hat - allerdings ohne eigene Antragstellung - zu einzelnen Beschwerdepunkten auch Stellung genommen.

Hinsichtlich weiteren Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten sowie die Schriftsätze und die Verhandlungsniede...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge