Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 06.02.2020; Aktenzeichen 2 O 222/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 06.02.2020 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 80.000 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Haftungserklärung vom 14. Februar 2012 in Anspruch, welche der Beklagte für einen von der Klägerin an die Ehefrau des Beklagten gewährten Kontokorrentkredit abgegeben hat.

Die Ehefrau des Beklagten betrieb eine Wäscherei als Einzelunternehmen. Der Beklagte war im Unternehmen angestellt und außerdem als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000 EUR am Unternehmen beteiligt. Nachdem über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Klägerin erhaltene Teilzahlungen aufgrund einer Insolvenzanfechtung an den Insolvenzverwalter zurückzahlen musste, nimmt die Klägerin den Beklagten aus seiner Haftungserklärung in Anspruch. Dieser widerrief in der Klageerwiderung vom 19. Oktober 2018 seine Haftungserklärung. Streitig ist zwischen den Parteien in erster Linie, ob dem Beklagten ein Widerrufsrecht zustand. Eine diesbezügliche Belehrung ist nicht erfolgt. Daneben erhebt der Beklagte noch diverse weitere Einwendungen gegen seine Haftung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe seine Haftungserklärung wirksam widerrufen. Ihm stehe als Schuldbeitretendem ein Widerrufsrecht analog §§ 491, 495, 355 BGB zu. Denn der Beklagte habe die Haftungserklärung als Verbraucher, nicht als Unternehmer abgegeben. Das Widerrufsrecht sei auch nicht gemäß § 504 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. ausgeschlossen, weil der Schuldbeitretende keinen Einfluss darauf habe, ob der Kredit in Anspruch genommen und ob er anschließend zurückgeführt werde. Der Schuldbeitretende sei daher nicht weniger schutzbedürftig als bei einem regulären Kreditvertrag. Das Widerrufsrecht sei auch weder verwirkt noch sei dessen Ausübung rechtsmissbräuchlich.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter näherer Begründung im Einzelnen weiterhin meint, dem Beklagten habe kein Widerrufsrecht zugestanden.

Nachdem sich im Termin am 3. November 2020 herausgestellt hat, dass die Klägerin aus der Insolvenz über das Vermögen der Ehefrau des Beklagten zwei Zahlungen erhalten hatte, hat die Klägerin die Berufung teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt:

Das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 06.02.2020, Aktenzeichen 2 O 222/18, der Klägerin am 17.02.2020 zugestellt, wird abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 68.556,18 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.04.2020 sowie Zinsen aus 77.267,42 EUR im Zeitraum vom 12.05.2018 bis zum 23.04.2020 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil der Beklagte seine Haftungserklärung wirksam widerrufen hat. Die dagegen mit der Berufung vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

1. Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Februar 2012 gültigen Fassung (11. Juni 2010 bis 12. Juni 2014) Anwendung. Zitierungen des BGB im Folgenden beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.

2. Der Beklagte hat vorliegend als Verbraucher (§ 13 BGB) gehandelt und nicht als Unternehmer (§ 14 BGB). Daran ändert weder seine stille Beteiligung am Unternehmen noch seine Anstellung im Unternehmen seiner Ehefrau etwas. Das Motiv der Mithaftungsübernahme ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unerheblich. Denn auch wenn der Beklagte mit der Übernahme der persönlichen Haftung für die Rückzahlung des Darlehens den Fortbestand des Unternehmens und seine eigene wirtschaftliche Existenzgrundlage dauerhaft sichern wollte, so ändert dies nichts daran, dass er insoweit als Privatmann gehandelt hat (so für den geschäftsführenden Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, BGH, Urteil vom 8. November 2005 - XI ZR 34/05 -, Rn. 20; für einen geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, BGH, Urteil vom 24. Juli 2007 - XI ZR 208/06 -, ...

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