Normenkette

BGB §§ 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Rottweil (Aktenzeichen 2 O 141/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urt. des LG Rottweil v. 3.8.2000 (2 O 141/99) abgeändert:

1. Der Beklagte Ziff. 1) wird verurteilt, an die Klägerin 29.956,61 DM zzgl. 4 % Zinsen daraus seit 9.4.1999 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte Ziff. 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus der Oberkieferimplantatbehandlung von April 1994 bis Januar 1996 zu ersetzen, den materiellen Schaden jedoch nur, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Es tragen

1. in erster Instanz

von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin diese 2/3, der Beklagte Ziff. 1) 1/3, von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1) dieser 2/3, die Klägerin 1/3 und die Klägerin i.Ü. die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 2);

2. in zweiter Instanz

die Klägerin 32 % und der Beklagte Ziff. 1 68 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beklagten Ziff 1).

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer für die Klägerin: 15.000,00 DM

für den Beklagten Ziff. 1): 32.156,61 DM

Streitwert: 47.156,61 DM

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin aus der Behandlung deren Oberkiefers in der Zeit von April 1994 bis Januar 1996 gem. §§ 823 Abs. 1 und 847 BGB Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 DM und – zusätzlich wegen der Grundsätze über die Folgen einer positiven Forderungsverletzung – Rückzahlung des Honorars i.H.v. 14.156,61 DM, weil der Beklagte zu 1) die Klägerin fehlerhaft über die Nachteile des gewählten subperiostalen Implantats im Vergleich zu der Methode des enossalen Implantates als echter Behandlungsalternative aufklärte und zudem die Klägerin fehlerhaft in der Zeit nach Einsetzung des subperiostalen Implantats behandelte.

Aus diesem Grunde ist auch der zulässig gestellte Feststellungsantrag begründet.

I. Wegen unzureichender Aufklärung der Klägerin über die als echte Behandlungsalternative zur Wahl gestandenen Methode des enossalen Implantats handelte der Beklagte zu 1), indem er ab April 1994, konkret ab Dezember 1994, mit der Eingliederung des subperiostalen Implantats im Oberkiefer der Klägerin begann, rechtswidrig.

1. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes, so dass er dem Patienten normalerweise nicht ungefragt erläutern muss, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für die eine und gegen die andere spricht, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Eine Aufklärung ist jedoch dann erforderlich, wenn Behandlungsalternativen zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. BGH v. 17.12.1991 – VI ZR 40/91, BGHZ 116, 379 [385] = MDR 1992, 233; v. 22.9.1987 – VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17 [22 ff.] = MDR 1988, 216).

2. Im vorliegenden Fall bestand nach Ansicht des Senats aufgrund folgender Gesichtspunkte eine Pflicht zur Aufklärung der Klägerin über die anstehenden Behandlungsalternativen:

a) Der Beklagte zu 1) sah sich selbst in der Pflicht, über Behandlungsalternativen aufzuklären. Dies belegen seine wiederholten Ausführungen im Rechtsstreit (vgl. so schon Schriftsatz vom 5.5.1999, S. 7 ff., Bl. 47 ff. d.A.), das von ihm selbst verfasste „Attest” vom 14.11.1993 (Anl. K 2, Bl. 19 d.A.) und auch die Heil- und Kostenpläne für Unter- und Oberkiefer vom 13.2.1993, die sowohl die subperiostale Implantat- als auch die „Sinuslift”-Lösung betrafen.

b) Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. hat die beiden zu bedenkenden Alternativen (subperiostales und enossales Implantat nach „Sinus-Lift”) in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.1.2000 (S. 22) gegenübergestellt und die Forderung aufgestellt, Vor- und Nachteile beider Methoden müssten dem jeweiligen Patienten unterbreitet werden, was insbesondere deshalb gelte, weil das subperiostale Implantat nur selten angewandt und besonderen Indikationen vorbehalten sei, während demgegenüber bei der Klägerin der fortgeschrittene Knochenabbau zu berücksichtigen war, der vor einem enossalen Implantat zunächst einen sog. „Sinuslift” erfordert hätte. Letztere Methode hat der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten (GA S. 22 und GA S. 28) als sog. „Golden Standard” bezeichnet, und zwar gerade auch bei einer Situation, wie sie bei der Klägerin anzutreffen war.

Der Beklagte zu 1) hat zwar im zweiten Rechtszug zur Begründung seiner Berufung entscheidend darauf abgehoben, dass im Jahr 1993/1994 die vom Sachverständigen favorisierte Methode noch in den „Kinderschuhen” gesteckt habe. Gleichwoh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge