Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Dulden bzw. Unterlassen nach § 890 Abs. 1 ZPO zu der Vornahme einer Handlung nach § 888 Abs. 1 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Schuldner den Zutritt zu einem Anwesen zu gewähren, so handelt es sich dabei um eine Handlung, die nicht gem. § 890 ZPO, sondern nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das zu betretende Objekt ein üblicherweise verschlossenes Anwesen ist.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 07.02.2003; Aktenzeichen 4 O 1/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 926,67 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Gläubigerin hat in einem vor dem LG geführten Rechtsstreit die Räumung und Herausgabe eines von der Schuldnerin bewohnten Hausanwesens (Einfamilienhaus) verlangt. Der Rechtsstreit wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 10.7.2002 beendet, worin sich die Schuldnerin (u.a.) verpflichtet hat, das Anwesen bis 31.12.2002 zu räumen. In Ziff. 4 des Vergleiches haben die Parteien vereinbart, dass es der Gläubigerin und ihrem Ehemann – nach vorheriger Ankündigung – gestattet ist, bei Besichtigungsterminen im Rahmen von Verkaufsbemühungen anwesend zu sein.

Die Gläubigerin hat die Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, nach § 890 Abs. 2 ZPO gegen die Schuldnerin beantragt, da diese der getroffenen Vereinbarung aus Ziff. 4 des Vergleiches zuwidergehandelt habe.

Am 2.1.2003 hat die Schuldnerin das Anwesen geräumt und herausgegeben. Daraufhin hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 5.2.2003 den Antrag für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 7.2.2003 hat die Einzelrichterin beim LG den Antrag zurückgewiesen, da mangels Zuwiderhandlung ein schutzwürdiges Interesse an der Androhung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 2 ZPO nicht bestanden habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, mit der sie unter Aufhebung der Entscheidung des LG die Feststellung begehrt, dass sich der Antrag in der Hauptsache erledigt hat.

II. Das Rechtsmittel, über welches der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 568 Abs. 1 ZPO), ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache bleibt es jedoch ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat die Einzelrichterin beim LG den Antrag der Gläubigerin auf Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 Abs. 2 ZPO abgelehnt, da dessen Voraussetzungen auch vor Rückgabe des Hausanwesens am 2.1.2003 nicht vorgelegen haben.

1. Der Androhungsantrag scheitert allerdings nicht bereits daran, dass die fragliche Passage des Vergleichs vom 10.7.2002 (Ziff. 4 S. 3 und 4) keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hätte. Im Rahmen des § 890 ZPO muss der zugrunde liegende Titel die zu unterlassende oder zu duldende Handlung nach Inhalt und Umfang hinreichend deutlich bestimmt ausweisen. Dies ist hier der Fall: Ziff. 4 des Vergleiches enthält mehr als eine bloße Absichtserklärung, es ist vielmehr mit genügender Bestimmtheit die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Verpflichtung der Beklagten festgelegt, nämlich der Klägerin und ihrem Ehemann zu gestatten, bei Besichtigungsterminen im Rahmen der Verkaufsbemühungen – nach entspr. vorheriger Ankündigung – anwesend zu sein (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 704 Rz. 4, m.w.N.).

2. Die selbständige Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 Abs. 2 ZPO setzt auch eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung des Schuldners gegen den Unterlassungs- oder Duldungstitel nicht voraus (OLG Zweibrücken MDR 1990, 258, m.w.N.).

3. Es fehlt aber bereits an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO. Die Gläubigerin hat kein schutzwürdiges Interesse an der beantragten Vollstreckungsmaßregel (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., vor § 704 Rz. 17).

Der nach § 890 ZPO zu vollstreckende Anspruch muss entweder darauf gerichtet sein, eine Handlung zu unterlassen, oder dazu verpflichten, die Vornahme einer Handlung zu dulden. Unterlassen (vgl. § 194 BGB) ist dabei jedes untätige Verhalten (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 890 Rz. 2). Geht es – wie hier – darum, dass die Schuldnerin den Zutritt zu einem von ihr bewohnten Anwesen gewähren muss, so handelt es sich dabei weder um ein Dulden noch um ein Unterlassen in diesem Sinne. Der Senat sieht das Gewähren von Zutritt zu einem Anwesen als unvertretbare Handlung an, die nicht gem. § 890 ZPO, sondern gem. § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – das zu betretende Objekt ein üblicherweise verschlossenes Wohnanwesen ist. Denn das bloße Untätigbleiben genügt in diesem Falle nicht, um die titulierte Verpflichtung zu erfüllen. Die Schuldnerin muss die Türe öffnen und Einlass bzw. Zugang gewähren (OLG Frankfurt v. 10.10.1996 – 26 W 128/96, OLGReport Frankfurt 1997, 34 [35]; OLG Naumburg, Beschl. v. 11.7.2002 – 5 W 29/02, zitiert nach juris; insoweit unklar...

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