Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft über einen Angehörigen eines fremden Staates ist der Richter funktionell zuständig.

2. In einem solchen Fall ist die Entscheidung des Rechtspflegers unwirksam.

3. Zum Fürsorgebedürfnis i.S.d. § 1911 BGB.

 

Normenkette

RPflG § 3 Nr. 2a, § 8 Abs. 4 S. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 1911

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 2 T 443/02)

AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Aktenzeichen 5 VIII N 227)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 17.6.2002 werden aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das AG Bad Neuenahr-Ahrweiler zurückverwiesen.

II. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hat am 4./6.6.2002 beim AG – VormG – die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft über seine geschiedene Ehefrau – eine südkoreanische Staatsangehörige – beantragt. Die Rechtspflegerin des AG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 17.6.2002 abgelehnt, weil es an dem von § 1911 BGB geforderten Fürsorgebedürfnis fehle. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat. Das LG hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 24.7.2002 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Antragstellers.

1. Die weitere Beschwerde ist statthaft und in zulässiger Weise erhoben (§§ 27, 29 Abs. 1 und 4, 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 FGG). Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers ergibt sich bereits aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.7.2002 – 3 W 141/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 448), i.Ü. aber auch aus § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.6.1983 – 3 W 55/83).

2. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Das LG hätte die Entscheidung des AG nicht bestätigen dürfen, da sie von der funktionell unzuständigen Rechtspflegerin erlassen worden ist.

a) Die Entscheidung über die Anordnung der Abwesenheitspflegschaft gem. § 1911 BGB ist in dem hier gegebenen Fall dem Richter vorbehalten. Zwar sind dem Rechtspfleger gem. § 3 Nr. 2 Buchst. a RPflG grundsätzlich die Geschäfte des AG in Vormundschaftssachen übertragen. Hier greift aber der Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG ein, weil die Betroffene nach der ausdrücklichen Feststellung des LG südkoreanische Staatsangehörige ist. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG ist der Richter für die Anordnung einer Pflegschaft über einen Angehörigen eines fremden Staates funktionell zuständig. Dies gilt auch für die Ablehnung einer solchen Maßnahme (vgl. BayObLG v. 7.7.1988 – BReg.3 Z 76/88, Rpfleger 1988, 472 [473]). Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Arten der Pflegschaft (vgl. zur Nachlasspflegschaft OLG Hamm MDR 1976, 492; ferner Arnold/Rellermeyer, 6. Aufl., § 14 RPflG Rz. 74 ff.; Dallmayer/Eickmann, § 14 RPflG Rz. 62; Bassenger/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 14 RPflG Rz. 39). Der Rechtspfleger ist in einem solchen Fall lediglich für die Folgegeschäfte zuständig (Arnold/Reilermeyer, 6. Aufl., § 14 RPflG Rz. 76; Dallmayer/Eickmann, § 14 RPflG Rz. 62; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 14 Rz. 42).

b) Die Entscheidung der Rechtspflegerin ist daher wegen des Richtervorbehalts in § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG gem. § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam. Eine unwirksame Rechtspflegerentscheidung kann nicht dadurch wirksam werden, dass das LG – wie im gegebenen Fall – die hiergegen gerichtete Beschwerde als unbegründet zurückweist (vgl. BayObLGZ 1959, 89 [93]; 1996, 524 [526]; BayObLG v. 20.7.1982 – BReg.3 Z 80/82, Rpfleger 1982, 422; v. 25.8.1983 – BReg.3 Z 124/83, Rpfleger 1983, 443 [444]; v. 7.7.1988 – BReg.3 Z 76/88, Rpfleger 1988, 472 [473]; OLG Frankfurt v. 27.2.1996 – 20 W 227/95, MDR 1996, 608 = OLGReport Frankfurt 1996, 68 = FGPrax 1996, 105; Keidel/Schmidt, 14. Aufl., § 1 FG Rz. 130; Arnold/Herrmann, 6. Aufl., § 8 RPflG Rz. 12; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 8 RPflG Rz. 4). Das LG hätte den unwirksamen Beschluss der Rechtspflegerin nicht billigen dürfen.

c) Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind somit auf die weitere Beschwerde aufzuheben. Auf die Frage, ob diese Entscheidungen sachlich richtig waren, kommt es nicht an (vgl. BayObLG v. 23.6.1980 – BReg.1 Z 38/80, Rpfleger 1980, 350 [351]; OLG München Rpfleger 1979, 346; OLG Frankfurt v. 27.2.1996 – 20 W 227/95, MDR 1996, 608 = OLGReport Frankfurt 1996, 68 = FGPrax 1996, 105; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 8 RPflG Rz. 4). Die Sache ist an das AG zur Entscheidung durch den Vormundschaftsrichter zurückzuverweisen (vgl. BayObLG v. 25.5.1982 – BReg.1 Z 108/81, MDR 1982, 857 = Rpfleger 1982, 292 f.; v. 20.7.1982 – BReg.3 Z 80/82, Rpfleger 1982, 422 [423]; v. 25.8.1983 – BReg.3 Z 124/83, R...

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