Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwilliges Offenbaren. Disziplinarrecht. Nachtragsanschuldigung. Disziplinarmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Beamter offenbart eine Dienstpflichtverletzung dann nicht freiwillig, wenn er sein Fehlverhalten vom Dienstherrn entdeckt glaubt und sich unter konkretem Tatverdacht sieht; das gilt auch dann, wenn dem Dienstherrn das Fehlverhalten tatsächlich noch unbekannt ist.

2. Begeht ein Beamter während eines in zweiter Instanz anhängigen und daher einer Nachtragsanschuldigung nicht zugänglichen Disziplinarklageverfahren eine weitere Dienstpflichtverletzung, so darf diese bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme berücksichtigt werden, sofern der einschlägige Sachverhalt – z.B. aufgrund eines umfassenden Geständnisses des Beamten – abschließend geklärt ist.

 

Normenkette

BPersVG § 77 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 78 Abs. 1 Nr. 3; BDG § 13 Abs. 1, 2 S. 1, §§ 14, 38 Abs. 2; BBG § 65 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am … 1974 geborene Beklagte, der am 1.8.1990 als auszubildende „Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb” in den Dienst der Deutschen Bundespost getreten war, wurde nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung am 11.6.1992 von der Klägerin unter gleichzeitiger Ernennung zum Postoberschaffner z. A. in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde dem am 1.2.1995 zum Posthauptschaffner beförderten Beklagten am 12.3.2001 verliehen. Bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im April 2002 war er als Briefzusteller eingesetzt. Mit Beurteilung vom 12.11.2001 wurden ihm gerade noch befriedigende Leistungen bescheinigt.

Wegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, hatte der örtliche Leiter der Niederlassung Produktion BRIEF der Deutschen Post AG am 6.11.2001 gegen den ledigen Beklagten disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses wurde ihm zur Last gelegt, von August bis Dezember 2001 folgende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

nicht termingerechte Zustellung von 75 Postwurfsendungen,

Unterschlagung von Briefnachentgelten in Höhe von insgesamt 106,90 DM,

„Schieben” von Nachnahmebeträgen in Höhe von insgesamt 557,80 DM zuzüglich Entgelten von 12,00 DM.

Das gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs der Unterschlagung oder Untreue eingeleitete Strafverfahren wurde nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 400,– Euro von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken am 1.8.2002 gemäß § 153 a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt.

Nachdem die Klägerin aufgrund des Ermittlungsergebnisses beschlossen hatte, gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Antrag auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben, teilte der vom Beklagten angerufene örtliche Betriebsrat der Niederlassung durch Schreiben vom 3.7.2002 mit, er könne gegen die Erhebung der Disziplinarklage keine Einwendungen vorbringen, die sich auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen ließen. Vorsorglich weise er jedoch darauf hin, dass er im Hinblick auf die Rechtsprechung zu den außergewöhnlichen Milderungsgründen eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für überzogen erachte. Der Niederlassungsleiter erwiderte mit Schreiben vom 10.7.2002, dass er mangels vorgebrachter Einwendungen im Sinne des Gesetzes keinen Anlass sehe, von der Klageerhebung Abstand zu nehmen.

Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost stimmte der beabsichtigten Klageerhebung zu.

Das Verwaltungsgericht hat auf die am 17.9.2002 eingegangene Disziplinarklage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12.9.2003 ergangenes Urteil – 13 K 1/02.D – den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dessen Berufung hat der Senat durch Urteil vom 8.3.2004 – 7 R 1/03 – (AS 31, 161 = IÖD 2004, 131) im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

Der Stattgabe der Disziplinarklage stehe kein Mangel des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens entgegen. Der nach § 28 PostPersRG zuständige Betriebsrat habe „bei Erhebung der Disziplinarklage” (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) keine Einwendungen im Sinne des Gesetzes erhoben. Der vorsorgliche Hinweis des Betriebsrats, er halte eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis für überzogen, stelle keine Einwendung im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BPersVG dar.

Das vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellte Dienstvergehen wiege so schwer, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müsse (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Maßgebend für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme sei der Zugriff auf die Nachentgelte und Nachnahmebeträge. Der Beklagte habe in insgesamt 54 Fällen über mehr als drei Monate dienstlich erlangtes Geld – bei den Nachentgelten 106,90 DM auf Dauer, bei den Nachnahmen einschließlich Entgelten 569,80 DM vorübergehen...

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