Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit deutschen Ehescheidungsrechts bei Ausschluss einer Scheidungsmöglichkeit durch türkisches Recht

 

Normenkette

EGBGB Art. 14, 17 Abs. 1; BGB §§ 1565, 1566 Abs. 1; türk. ZGB Art. 166 n.F.

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen 60 F 25/03)

 

Tenor

Auf die Berufung Antragstellers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 10.4.2003 verkündete Urteil des AG – FamG – Kiel aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das AG – FamG – Kiel zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das AG – FamG – Kiel zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am 18.8.1999 vor dem Standesbeamten des Standesamts C./Türkei die Ehe geschlossen. Soweit der Antragsteller in früheren Schriftsätzen eine Eheschließung zunächst schlechthin bestritten und dann eine Heirat unter Zwang behauptet hatte, ist er mit seinen Nichtigkeitsklagen in Deutschland und der Türkei nicht durchgedrungen.

Aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.

Der Antragsteller lebt schon viele Jahre in Deutschland. Die Antragsgegnerin, türkische Staatsangehörige, kam Mitte Oktober 2000 nach Deutschland und bezog in der Wohnung ihrer Schwiegereltern in K. ein Zimmer. Ob der Antragsteller sich ebenfalls dort aufhielt, ist str. Jedenfalls seit Ende Oktober/Anfang November 2000 leben die Parteien voneinander getrennt. Der Antragsteller zog nach H. zu seiner Freundin, mit der er noch heute zusammenlebt.

Den der Antragsgegnerin am 14.3.2003 zugestellten Scheidungsantrag hatte das AG – FamG – Kiel in dem von dem Antragsteller angefochtenen Urteil zurückgewiesen.

Es hatte den Scheidungsantrag des Antragstellers für unbegründet gehalten, weil die nach dem türkischen Recht erforderliche Trennungszeit nicht eingehalten und der von der Antragsgegnerin erhobene Widerspruch gegen die Scheidung nicht rechtsmissbräuchlich sei.

Im Berufungsverfahren macht der Antragsteller nunmehr erstmals – zutreffend – geltend, dass er bereits seit dem 14.11.2002 eingebürgert wurde und daher bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages deutscher Staatsbürger war, so dass die Ehe unabhängig vom Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen nach türkischem Recht auch gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach deutschem Recht geschieden werden könne, da die Ehe – selbst nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils – zerrüttet sei.

Er beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Ehe der Parteien zu scheiden, hilfsweise unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung gem. § 613 ZPO angehört.

In ihrer Anhörung haben die Parteien bestätigt, dass sie spätestens seit Ende Oktober/Anfang November 2000 voneinander getrennt leben.

Der Antragsteller hält die Ehe der Parteien für gescheitert und die Wiederherstellung der Ehe für ausgeschlossen.

Die Antragsgegnerin widersetzt sich dem Scheidungsbegehren und hofft auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft.

II. Die Berufung hat mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Parteien bestimmen sich nach deutschem Recht.

Zwar ist gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zunächst türkisches Recht anzuwenden, weil beide Parteien bei Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit hatten und die Antragsgegnerin immer noch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. Gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB unterliegt die Scheidung aber dem deutschem Recht, wenn der die Scheidung begehrende Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages Deutscher ist und die Ehe nach dem ausländischen Recht nicht geschieden werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Unabhängig davon, ob die Ehe der Parteien zerrüttet i.S.v. Art. 166 des türkischen ZGB (früher Art. 134 ZGB) ist, wofür angesichts der allenfalls nur kurzen Zeit des ehelichen Zusammenlebens, des langjährigen außerehelichen Verhältnisses des Antragstellers zu einer anderen Frau und der langen Trennungszeit ohne Kontakte zwischen den Parteien von rund drei Jahren und dem wiederholt geäußerten unbedingten Trennungswillen des Antragstellers vieles spricht, kann die Ehe wegen des von der Antragsgegnerin erhobenen Einspruchs gem. Art. 166 Abs. 3 ZGB n.F. (früher Art. 134 Abs. 2 ZGB a.F.), nach türkischem Recht nicht geschieden werden. Der Einspruch greift auch in sachlicher Hinsicht durch, da die Schuld an der Zerrüttung jedenfalls ganz überwiegend bei dem Antragsteller liegt, der sich von der Ehe losgesagt und eine Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen hat. Dass der Einspruch wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unbeachtlich sei (zu den Vo...

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