Verfahrensgang

AG Gera (Entscheidung vom 03.04.2002)

LG Gera (Aktenzeichen 5 T 227/02)

 

Tenor

Die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuches der Antragstellerin durch Beschluss des Amtsgerichtes Gera vom 03.04.2002 wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht gegen die B. B. S. B. GmbH einen Zahlungsanspruch geltend. Einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser GmbH hat das Amtsgericht Gera durch Beschluss vom 11.09.2001 mangels Masse abgewiesen (Az.: 8 IN 932/00). Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 29.10.2001 beantragt, ihr das nach § 5 InsO erstellte Gutachten des Insolvenzverwalters in Kopie zu überlassen. Zur Begründung hat sie angegeben, es sei zu prüfen, inwieweit der Geschäftsführer, Herr A. K., persönlich in die Haftung zu nehmen sei. Durch Beschluss vom 03.04.2002 hat das Amtsgericht Gera den Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Brandenburg (ZIP 2001, 1922 ff.). Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer "Beschwerde" vom 18.04.2002 und führt aus, anhand des Gutachtens, welches sich in der Insolvenzakte befinde, müsse geklärt werden, ob der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin seinerzeit bei Abschluss des Kaufvertrages mit der Antragstellerin wusste, dass er den Kaufpreis nicht würde zahlen können, weil das Unternehmen bereits zu diesem Zeitpunkt überschuldet war. Das Landgericht Gera hat die Sache dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG zulässig, da die Ablehnung der hier nach den §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO zu beurteilenden Akteneinsicht einen Justizverwaltungsakt darstellt. Die Antragstellerin macht auch geltend, in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Der am 19.04.2002 eingegangene Antrag (Beschwerde) wahrte auch die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG.

Der Antrag der Antragstellerin ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt; das Amtsgericht hat die begehrte Akteneinsicht zu Recht abgelehnt. Denn die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse gem. den §§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO nicht glaubhaft gemacht. Ein rechtliches Individualinteresse liegt dort vor, wo persönliche Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt berührt werden, sofern diese Interessen einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten haben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 299, Rn. 6 a). Das gegen den früheren Geschäftsführer gerichtete Ermittlungsinteresse der Antragstellerin hat keinen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten. Zwar kommt regelmäßig ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht in Betracht für diejenigen, die nach Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO gewesen wären. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes wäre die Antragstellerin Insolvenzgläubigerin gewesen, da sie sich einer Forderung berühmt, deren Schuldgrund vor der Antragstellung auf Insolvenz entstanden ist (vgl. Smid, Kommentar zur InsO, § 38, Rn. 13; § 189 Rn. 2). Dass die Forderung von dem Insolvenzverwalter bestritten wurde, steht ihrer Stellung als Insolvenzgläubigerin nicht entgegen.

Das Interesse des Antragstellers muss jedoch darauf gerichtet sein, durch Einsicht in die Verfahrensakte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob noch Vermögen auf Seiten der Schuldnerin vorhanden ist, wozu etwa die Gewinnung von Informationen über die Erbringung der Stammeinlagen durch die Gesellschafter gehören. Nur dann bestünde ein rechtlicher Zusammenhang seines Interesses an der Weiterverfolgung seiner Forderung gegen den Gemeinschuldner mit dem Akteninhalt (vgl. Hamburg, OLG-R 2002, 61, 62; OLG Köln NZI 99, 502, 503).

Die Antragstellerin stützt ihr Akteneinsichtsgesuch indessen auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Diese begründen kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht, denn es handelt sich insofern um Ansprüche gegen einen Dritten, der nicht Beteiligter des Insolvenzverfahrens war. Der Streit- und Erkenntnisstoff der Insolvenzakte ist gerichtet auf die Feststellung, ob zurzeit der Entscheidung über den Insolvenzantrag ein Insolvenzgrund vorlag und ob gegebenenfalls eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse vorhanden ist. Voraussetzungen einer möglichen Durchgriffshaftung gegenüber dem Geschäftsführer sind dagegen nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens und ergeben sich allenfalls zufällig aus der Akte (vgl. OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1541; JurBüro 2002, 100; OLG Köln NJW-RR 98, 407). Im Rahmen des rechtlichen Interesses sind im Übrigen die Interessen des Auskunftssuchenden und der betroffenen Partei gegeneinander abzuwägen. Wird das rechtliche Interesse auf einen möglichen Anspruch gegen eine von der Partei verschiedene Person gestützt, kann diese am Akteneinsichtsverfahren mangels Parteistellung nicht beteiligt werden. Sie kann mithin weder Geheimhaltungs...

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