rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstunfall. Berufskrankheit. Brustkrebs. Berufsschule. Tod der Beamtin. Feststellungsklage des Hinterbliebenen. Feststellungsinteresse. Entbehrlichkeit des Vorverfahrens. Meldefrist. Auftreten der Erkrankung. Möglichkeit einer Berufserkrankung. Metastasen. keine neue Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Meldefrist gemäß § 45 Abs 1 BeamtVG beginnt bei einer möglichen Berufserkrankung gemäß § 31 Abs 3 S 1 BeamtVG mit dem Auftreten der Erkrankung bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem sich der Beamte die Erkrankung zugezogen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob er erkannte oder erkennen konnte, dass es sich dabei möglicherweise um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt.

2. Gelangt der Beamte schon innerhalb der 2-Jahres-Frist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG zu der Erkenntnis, dass es sich um eine mögliche Berufskrankheit handeln könnte, oder musste er mit dieser Möglichkeit rechnen, so besteht kein Anlass, ihm eine längere Frist einzuräumen. In diesem Fall ist die 10-Jahres-Frist nach § 45 Abs 2 BeamtVG nicht eröffnet.

3. Der Beamte muss mit der Möglichkeit, dass es sich um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt, nicht erst dann rechnen, wenn dies feststeht oder er ärztlicherseits hierauf hingewiesen wird. Nach der seit 01.01.2002 geltenden neuen Fassung des § 45 Abs 2 BeamtVG reicht ein geringer Grad an Sicherheit.

4. Das Auftreten von Metastasen nach einer Primärerkrankung an Brustkrebs ist nicht als neue Krankheit anzusehen, die eine neue Meldefrist in Gang setzt.

5. Im Einzelfall Abweisung der Klage des Witwers einer an Metastasen nach Brustkrebserkrankung verstorbenen Lehrerin an einem Berufskolleg auf Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit. Die Lehrerin hatte die Erkrankung auf Schadstoffbelastungen in der Schule zurückgeführt. Die Meldefrist war schon zu deren Lebzeiten abgelaufen.

 

Normenkette

VwGO § 68; BeamtVG § 31 Abs. 3 S. 1, § 45 Abs. 1-2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der 1951 geborene Kläger – beamteter Lehrer im Landesdienst – ist der Ehemann der verstorbenen Frau L…. Sie waren seit dem Jahr 1976 verheiratet und hatten zwei 1982 und 1993 geborene Töchter. Die Ehefrau des Klägers stand als Berufsschullehrerin im Schuldienst des beklagten Landes (zuletzt als Studienrätin, Besoldungsgruppe A 13 Bundesbesoldungsordnung – BBesO). Sie war seit dem Jahr 1979 am Berufskolleg in H… beschäftigt, welches heute Teil des Berufsbildungszentrums (BBZ) H… ist. Sie unterrichtete dort die Fächer Ernährungslehre, Technologie/Fachkunde, Mathematik, Wirtschaftslehre und Politik, insbesondere in Klassen für Bäckereifachverkäuferinnen sowie allgemein im Nahrungsbereich. Seit der Geburt des ersten Kindes befand sie sich in Teilzeitbeschäftigung verschiedenen Umfangs, soweit sie nicht wegen Kindererziehungszeit beurlaubt war.

Träger des BBZ H… ist der Kreis O….

Schon seit Ende der 1980er Jahre – eventuell auch schon früher – machen Lehrer des BBZ H… geltend, aufgrund von Schadstoffen zu erkranken, denen sie nach ihrer Meinung in der Schule ausgesetzt (gewesen) sind. Besonders besorgt sind sie wegen Fällen von Krebserkrankungen. Der Kreis O… als Schulträger setzte sich damit stets auseinander und führte Untersuchungen über mögliche Schadstoffbelastungen durch. Dies geschah teilweise durch vom Kreis O… beauftragte externe Institute und Sachverständige. Nach Aktenlage sind insofern u.a. ersichtlich:

– Untersuchung der Schulen des Kreis O…, darunter auch des BBZ H…, auf Formaldehyd, durchgeführt vom Hygiene-Institut des Ruhrgebiets (HYI) in H1 (vgl. Bericht des HYI vom 14. Oktober 1989, Tgb.-Nr. L 35/89, Beiakte 8 zu 23 K 7945/08): Messungen am 14. August 1989, Auftraggeber Kreis O… – Hochbauamt (Amt 65) –; Ergebnis: Grenzwertüberschreitungen in Bezug auf Formaldehyd im BBZ H… im Schulbucharchiv und dem Computerraum; wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 8 zu 23 K 7945/08 verwiesen.

– Prüfberichte des Universitätsklinikums M…, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, vom 3. April 2003 (Protokoll-Nr. 00000000/0000000 und Nr. 00000000/0000000), Räume in Gebäude 3 (Raum 3.a und 3.b), Probenahme am 3. März 2003, Auftraggeber Kreis O… – Gesundheitsamt (Amt 53) –; Untersuchung der Luft auf flüchtige organische Verbindungen (volatile organic compounds – VOC); wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 5 zu 23 K 7945/08 verwiesen.

– Prüfbericht des HYI vom 10. Januar 2005 (Zeichen A-000000-00-Me), Probenahme am 3. Dezember 2004, Auftraggeber Kreis O… – Hochbauamt –; Messungen in Gebäude 3 (Räume 3.c, 3.d, 3.e, 3.a und 3.f): Untersuchung auf polychlorierte Biphenyle (PCB) und Pentachlor...

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