Entscheidungsstichwort (Thema)

Versammlungsrecht

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.03.2002; Aktenzeichen 1 BvQ 9/02)

Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 28.03.2002; Aktenzeichen 4 M 29/02)

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25.03.2002 gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2002 verfügten Auflagen mit den Ziffern 1, 8 und 11 wird insoweit wiederhergestellt, als er sich gegen die Nichtgestattung des Einsatzes eines Lautsprecherwagens (Ziffer 11 Satz 1 des Auflagenbescheides) richtet. Der Einsatz eines Lautsprecherwagens wird mit der Maßgabe erlaubt, dass dieser ausschließlich zum Abspielen klassischer Musik verwendet wird.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist lediglich insoweit begründet, als er sich gegen die Nichtzulassung des Einsatzes eines Lautsprecherwagens (Ziffer 11 Satz 1 des Auflagenbescheides der Antragsgegnerin vom 12.03.2002) richtet. Im Übrigen erweist sich der Antrag als unbegründet.

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung ist das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg und Misserfolg des Rechtserfolgs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Prüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrig ergangenen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Prüfung der angefochtene Bescheid demgegenüber als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es bezüglich der für sofort vollziehbar erklärten Verfügung neben der offensichtlichen Rechtmäßigkeit noch eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses, welches mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes nicht identisch ist.

Nach diesen Grundsätzen kann der vorliegende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.03.2002 gegen den Auflagenbescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2002 nur in dem tenorierten Umfang Erfolg haben. Denn lediglich insoweit erweist sich die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtswidrig. Im Übrigen erweisen sich die von dem Antragsteller beanstandeten Auflagen jedoch als offensichtlich rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Etwaige Auflagen müssen dabei stets den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit entsprechen und auch inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im Hinblick auf die insgesamt drei beanstandeten Auflagen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2002 Folgendes festzustellen:

Soweit die Antragsgegnerin in Ziffer 1 des Auflagenbescheides den vom Antragsteller vorgesehenen Marschweg beschränkt und insbesondere eine andere Marschroute festgelegt hat, die dazu führt, dass die Marschroute nunmehr nicht durch die Lübecker Innenstadt führt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erforderlichkeit der verfügten Auflage ergibt sich aus der konkreten Gefahrenprognose, wie sie in dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin zutreffend dargelegt wurde. Demnach hätte die ursprüngliche Streckenführung – insbesondere vor dem Hintergrund der in dem Bescheid im Einzelnen beschriebenen besonderen räumlichen und baulichen Situation der Lübecker Innenstadt – unkalkulierbare Risiken sowohl für die Versammlungsteilnehmer als auch für Gegendemonstranten, Polizeibeamte und Passanten zur Folge. Die Antragsgegnerin hat insoweit in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass angesichts der räumlichen Enge im Innenstadtbereich die Polizeikräfte wenig Aktionsraum und Möglichkeiten hätten, im Vorfeld Straftaten zu erkennen und einen Aufzug vor Störungen oder gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen. Wie sich aus der von der Antragsgegnerin eingereichten Gefahrprognose der Polizeiinspektion Lübeck ergibt, ist für den 30.03.2001 eine ausdrückliche Gegendemonstr...

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