Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit eines Eigentümerbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Eigentümerbeschluss, der für eine Sonderumlage einen von der Gemeinschaftsordnung abweichenden Kostenverteilungsschlüssel festsetzt, ist anfechtbar, jedoch nicht nichtig.
2. Der Grundsatz, dass Eigentümerbeschlüsse „aus sich heraus”, objektiv und normativ, auszulegen sind, steht einer Beweiserhebung über den Beschlussinhalt nicht entgegen, wenn unter den Beteiligten strittig ist, ob das im Protokoll Verlautbarte mit dem tatsächlich Beschlossenen übereinstimmt.
3. Einem in der Eigentümerversammlung persönlich anwesenden Wohnungseigentümer kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschlussanfechtung im Allgemeinen nicht deshalb bewilligt werden, weil innerhalb der Anfechtungsfrist das Protokoll über die Eigentümerversammlung noch nicht fertig gestellt ist oder dem Wohnungseigentümer eine Einsichtnahme nicht ermöglicht wird (Ergänzung zu BayObLG, Beschl. v. 17.1.2003 – 2Z BR 130/02 = ZMR 2003, 435).
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 01.07.2003; Aktenzeichen 14 T 1158/02) |
AG Fürth (Bayern) (Aktenzeichen 7 UR II 108/01) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 1.7.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 14.571 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnanlage besteht aus drei Gebäuden; dem Antragsteller gehört das Teileigentum an einem Gebäude.
In der Gemeinschaftsordnung ist hinsichtlich der Lasten und Kosten bestimmt:
Die Eigentümer eines gesamten Hauses sind berechtigt, dieses Haus für sich selbst zu verwalten, soweit die jeweils anfallenden Kosten auf jedes einzelne Haus umlegbar sind.
Soweit es sich um Kosten und Abgaben handelt, die nur von der Gemeinschaft getragen werden können und nicht teilbar sind, werden diese vom gemeinsamen Verwalter von den jeweiligen Grundstückseigentümern eingezogen und bezahlt. Die Kosten richten sich nach den jeweiligen Tausendstel Miteigentumsanteilen des jeweiligen Hauses.
Jeder Miteigentümer kann Renovierungs- und Umbauarbeiten in seinem Sondereigentum vornehmen lassen, ohne dass er hierzu die Zustimmung der anderen Miteigentümer benötigt. Soweit eine Abrechnung pro Haus möglich ist, nimmt diese jedes Haus (also die Miteigentümer jedes Hauses) allein vor. In diesem Fall ist der Gesamtmiteigentumsanteil pro Haus 100 %.
Es ist also vereinbart, dass jedes Haus (Anwesen) eine eigene wirtschaftliche Einheit bilden soll, die mit Ausnahme der nicht trennbaren Kosten und Abgaben eigenverantwortlich verwaltet, erhalten und unterhalten wird.
In der Wohnanlage sind Baumängel aufgetreten. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mängel, deren Beseitigung durch eine Sonderumlage von zunächst 100.000 DM finanziert werden soll, auch das Gebäude betreffen, in dem der Antragsteller sein Teileigentum hat und ob dieser demgemäß auch zur Sonderumlage heranzuziehen ist.
In der Eigentümerversammlung vom 29.6.2001 fand in Anwesenheit des Antragstellers eine Wohnungseigentümerversammlung statt, deren Tagesordnungspunkt 6 lautete:
Beschluss über eine Sonderumlage nach Tausendstel Miteigentumsanteilen in einer Gesamthöhe von 100.000 DM.
Das Protokoll weist dazu folgende Behandlung aus:
Zum Zweck der Behebung von weiteren im Zuge des Beweissicherungsverfahrens bekannt gewordenen gravierenden Mängeln am Gemeinschaftseigentum (wie z.B. lose und zum Teil herunter fallende Dachziegel, durchgerostete Einblechungen und dadurch Eindringen von Wasser in die Außenwände) wird eine Sonderumlage erhoben, die (vorerst) limitiert ist auf 100.000 DM. Die Umlage erfolgt im Verhältnis der Miteigentumsanteile des Hauses (es folgt die Anschrift der Gesamtanlage), zahlbar in vier gleichen Raten jeweils zum …
Abstimmungsergebnis: 585 Ja-Stimmen/285 Nein-Stimmen/0 Enthaltungen.
Der Beschlussantrag wurde angenommen.
Die Verwalterin verlangte mit Schreiben vom 16.8.2001 vom Antragsteller die Bezahlung von 28.500 DM auf die Sonderumlage entspr. seinem Miteigentumsanteil an dem Gesamtobjekt. Mit gleichem Schreiben wurde ihm das Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 29.6.2001 übermittelt.
Am 28.8.2001 hat der Antragsteller das gerichtliche Verfahren eingeleitet. Er hat beim AG zuletzt den Antrag gestellt, den Eigentümerbeschluss vom 29.6.2001 zu Tagesordnungspunkt 6 für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass die am 29.6.2001 beschlossene Sonderumlage pro Haus zu erheben ist und er nicht verpflichtet ist, einen Beitrag zu dieser Sonderumlage zu bezahlen. Ferner hat er den Hilfsantrag gestellt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu gew...