Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 31.10.2002; Aktenzeichen 31 T 1012/02) |
AG Schwandorf (Beschluss vom 13.08.2002; Aktenzeichen UR II 0010/02) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden Nr. 1 und 2 des Beschlusses des Landgerichts Amberg vom 31. Oktober 2002 und der Beschluss des Amtsgerichts Schwandorf vom 13. August 2002 aufgehoben.
II. Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Ungültigerklärung des in der Wohnungseigentümerversammlung vom 14. Dezember 2001 zu Tagesordnungspunkt 8.4 gefassten Beschlusses gewährt.
III. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der weitere Beteiligte zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem Antragsgegner zu 2 verwaltet wird.
Am 14.12.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die Eigentümer fassten zu TOP 8.4 folgenden Beschluss:
„Es bedarf keiner weiteren Vorlage der schon abgerechneten Jahre 1999 bis 2001, da die Unterlagen für in Ordnung befunden worden waren und die Hausverwaltung entlastet wurde.”
Die Antragstellerin hatte die Eigentümerversammlung bereits vor der Beschlussfassung über diesen Tagesordnungspunkt verlassen.
Mit Einschreiben/Rückschein vom 12.1.2002 an den Verwalter legte die Antragstellerin gegen sämtliche in der Eigentümerversammlung vom 14.12.2001 gefassten Beschlüsse „Widerspruch” ein. Der Einschreibebrief kam mit dem Vermerk „nicht abgeholt” an die Antragstellerin zurück. In der Folgezeit wandte sich der Sohn der Antragstellerin mehrfach an den Verwalter, um eine Protokollabschrift zu erhalten. Unter anderem monierte er auf einem Überweisungsträger vom 29.1.2002, dass das Protokoll über die Versammlung nicht vorliege. Außerdem sprach er den Verwalter zwei- oder dreimal persönlich darauf an, wann die Antragstellerin das vollständige Protokoll erhalte. Das Protokoll ging der Antragstellerin am 10.6.2002 zu.
Mit Schriftsatz vom 20.6.2002, beim Amtsgericht eingegangen am 21.6.2002, hat die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.12.2001 zu TOP 8.4 für ungültig zu erklären. Gleichzeitig hat sie unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Sohnes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.8.2002 der Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.10.2002 zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Antragstellerin treffe an der Fristversäumung zumindest ein Mitverschulden. Es bestehe keine Verpflichtung des Verwalters, ein Versammlungsprotokoll zu übersenden. Die Antragstellerin hätte sich deshalb nach den gefassten Beschlüssen erkundigen müssen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Grundsätzlich kann der verspätete Zugang einer Niederschrift über eine Wohnungseigentümerversammlung die Versäumung der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht entschuldigen, weil der Verwalter vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung zur Übersendung einer Niederschrift nicht verpflichtet ist.
Es ist vielmehr Sache des anfechtungswilligen Wohnungseigentümers, sich durch Einsicht in die Niederschrift gemäß § 24 Abs. 6 WEG Kenntnis über die gefassten Beschlüsse zu verschaffen (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. NJW-RR 1991, 976; Beschluss des Senats vom 7.11.2002 – 2Z BR 97/02). Ein zu vertretendes Verschulden der Antragstellerin stellt es außerdem dar, dass sie ihren „Widerspruch” vom 12.1.2002 nicht an das Amtsgericht, sondern an den Verwalter gerichtet hat.
b) Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Antragstellerin aus objektiven Gründen an einer Wahrung der Anfechtungsfrist gehindert war. Liegt ein Verschulden im Sinne des § 22 Abs. 2 FGG, § 233 ZPO vor, so kann Wiedereinsetzung gleichwohl gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass sich das Verschulden nicht auf die Fristversäumung ausgewirkt haben kann (BGH NJW 2000, 3649/3650; KG ZMR 2002, 548 ff.; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 233 Rn. 14).
Die Antragstellerin war hier aus objektiven Gründen gehindert, den Antrag auf Ungültigerklärung innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG zu stellen.
Ein objektives Hindernis für die Fristwahrung stellt es dar, wenn die Niederschrift innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG noch gar nicht vorliegt (KG ZMR 2002, 548), da die Niederschrift auch der Information über Inhalt und Zustandekommen von ...