Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zuständigkeitsbestimmung entspr. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Mahnverfahren vor Erlass des Mahnbescheids.
2. Ausschließlich zuständiges Mahngericht ist, wenn Antragsteller eine Aktiengesellschaft ist, das für deren Sitz, nicht das für die antragstellende Niederlassung zuständige Mahngericht.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 281, 689 Abs. 2 S. 1, § 691 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Coburg (Aktenzeichen 01-3186485-07-N) |
AG Hünfeld (Aktenzeichen 01-1598853-06-N) |
Tenor
Zuständig ist das AG Coburg.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine AG mit Sitz M., stellte am 27.9.2001 durch ihre Niederlassung D. beim AG Coburg, dem zentralen Mahngericht für Ba., Mahnbescheidsantrag. Der Rechtspfleger wies die Antragstellerin telefonisch darauf hin, dass das AG Coburg nicht zuständig sei, weil der Antrag von der Niederlassung D., nicht von der Zentrale in M. gestellt sei; für die Niederlassung D. sei das AG Hünfeld zuständig. Mit Schriftsatz vom 24.10. 2001 beantragte die Antragstellerin die Abgabe des Verfahrens an das für D. zuständige zentrale Mahngericht, das AG Hünfeld. Mit Beschluss vom 6.11.2001 erklärte sich das AG Coburg „gem. § 689 Abs. 2 ZPO für örtlich unzuständig” und verwies die Sache antragsgemäß an das AG Hünfeld. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 3.1.2002 seinerseits für örtlich unzuständig, weil der allgemeine Gerichtsstand der Antragstellerin durch ihren Sitz bestimmt werde, und legte die Sache dem OLG Bamberg zur Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO vor. Die Akten gingen beim OLG Bamberg am 11.4.2002 ein. Es hat sie dem BayObLG vorgelegt.
II. 1. Für ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist in diesem Falle nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das BayObLG zuständig.
2. Haben sich im Mahnverfahren zwei Mahngerichte für zum Erlass des beantragten Mahnbescheids unzuständig erklärt, von denen eines nach Sachlage zuständig sein muss, so kann das zuständige Mahngericht in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bestimmt werden, obwohl keine rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärungen vorliegen (vgl. BGH Rpfleger 1978, 13; NJW 1979, 1785; v. 14.7.1993 – X ARZ 461/93, MDR 1994, 95 = NJW 1993, 2752; NJW 1998, 1332; Wieczorek/Schütze, 3. Aufl., § 691 ZPO Rz. 23; Holch in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 691 ZPO Rz. 12).
a) Geht ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids bei einem AG ein, das sich nach § 689 Abs. 2 ZPO für örtlich unzuständig hält, so hat es nach der gesetzlichen Regelung den Antrag zurückzuweisen (§ 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). In der Praxis ist es aber üblich, in einem solchen Falle den Antrag an das örtlich zuständige AG weiterzuleiten, wenn der Antragsteller bei der gebotenen Anhörung (§ 691 Abs. 1 S. 2 ZPO) dies beantragt (Loritz, JR 1985, 98; Wieczorek/Schütze, 3. Aufl., § 689 ZPO Rz. 22; Musielak/Volt, 2. Aufl., § 689 ZPO Rz. 4; Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl., § 281 ZPO Rz. 8; dagegen Stein/Jonas/Schlosser, § 689 ZPO Rz. 13).
b) Bei dieser Weiterleitung handelt es sich um eine formlose Abgabe, nicht um eine Verweisung i.S.d. § 281 ZPO (Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl., § 281 ZPO Rz. 8; Zinke, NJW 1983, 1081 [1084]; Loritz, JR 1985, 98 [99]). Eine Verweisung nach § 281 ZPO ist erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit möglich (BGH v. 2.12.1982 – I ARZ 586/82, MDR 1983, 466 = NJW 1983, 1062; v. 5.3.1980 – IV ARZ 8/80, MDR 1980, 566 = NJW 1980, 1281; BayObLG NJW 1964, 1573 [1574]; Musielak/Foerste, 2. Aufl., § 281 ZPO Rz. 2, 5; Stein/Jonas/Leipold, § 281 Rz. 10; Jauernig, NJW 1995, 2017 [2018]), also nicht vor Erlass des Mahnbescheids. Soweit das unzuständige Gericht den Antrag, statt ihn gem. § 691 ZPO zurückzuweisen, an das örtlich zuständige AG weiterleitet, handelt es sich demnach auch dann um eine Abgabe, nicht um eine Verweisung i.S.d. § 281 ZPO, wenn das Gericht die Verfügung als „Verweisungsbeschluss” bezeichnet oder wie einen Verweisungsbeschluss formuliert (Holch in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 691 ZPO Rz. 11). Dementsprechend tritt auch keine Bindungswirkung i.S.d. § 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO ein (Musielak/Foerste, 2. Aufl., § 281 ZPO Rz. 2; Stein/Jonas/Leipold, § 281 ZPO Rz. 10; Zinke, NJW 1983, 1081 [1084 f.]; anders noch BGH RPfleger 1978, 13; diese Ansicht liegt aber seinen oben unter 2) vor a zitierten weiteren Entscheidungen nicht mehr zugrunde).
c) Nach dem Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, einen Zuständigkeitsstreit möglichst schnell zu beenden, ist es gleichwohl geboten, ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren entspr. dieser Vorschrift zuzulassen (vgl. BayObLG BayObLGZ 1981, 387; Wieczorek/Schütze, § 691 ZPO Rz. 23).
3. Mangels Bindungswirkung des „Beschlusses” des AG Coburg vom 6.11.2001 hat der Senat dasjenige Mahngericht zu bestimmen, das tatsächlich zuständig ist.
Das ist das für den Sitz der Antragstellerin (§ 17 ZPO) zuständige AG Coburg.
Nach § 689 Abs. 2 ZPO ist für das Mahnverfahren ausschließlich zuständig das AG, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser wird bei einer AG durch ihren Sitz b...