Leitsatz (amtlich)

Die Vergabekammer hat im Nachprüfungsverfahren von Amts wegen auch über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen zu entscheiden. Liegt insoweit keine Entscheidung vor, kann sie nicht im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens, sondern nur durch nachträgliche Ergänzung des Beschlusses herbeigeführt werden.

 

Normenkette

GWB § 128 Abs. 3; GWB § Abs. 4; BayVwVfG Art. 80 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Nordbayern (Aktenzeichen 320. VK-3194–17/02)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde gegen den Bescheid der Vergabekammer Nordbayern vom 11.7.2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene zu 1).

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.420 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb die Baumeisterarbeiten für die Erweiterung der Therme … im Offenen Verfahren Europaweit aus. Angebote wurden u.a. von der Antragstellerin sowie den Beigeladenen zu 1) und 2) abgegeben. Nachdem der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass ihr Angebot wegen unklarer bzw. unvollständiger Angaben zum Nachunternehmereinsatz ausgeschlossen werde und der Zuschlag an die Beigeladene zu 1) beabsichtigt sei, leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren ein. In diesem Verfahren war die Beigeladene zu 1) durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vertreten, welcher einen Antragserwiderungsschriftsatz fertigte und an der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer teilnahm. Er gab dort zwar eine mündliche Stellungnahme ab, stellte aber keinen Antrag.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 6.6.2002 den Antrag der Antragstellerin abgewiesen und dieser die Kosten des Verfahrens auferlegt. Einen Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) enthält der Beschluss nicht. Durch Bescheid vom 11.7.2002 hat die Vergabekammer den Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen zu 1) vom 6.6.2002 mit der Begründung zurückgewiesen, es seien keine zu erstattenden Kosten angefallen. Eine Kostenerstattung entspreche nicht der Billigkeit, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt habe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beigeladene zu 1) mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie die Verpflichtung der Antragstellerin zur Erstattung der ihr im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Aufwendungen sowie die Feststellung erreichen will, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in diesem Verfahren notwendig war.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zu 1) ist statthaft. Der Bescheid der Vergabekammer im Kostenfestsetzungsverfahren stellt eine selbständig anfechtbare Entscheidung dar, gegen die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 116 Abs. 1 S. 1 GWB gegeben ist (st. Rspr.; vgl. BayObLGZ 2001, 76 [78] m.w.N.). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor, insb. ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil die Vergabekammer den Kostenfestsetzungsantrag i.E. zu Recht zurückgewiesen hat.

a) Voraussetzung der Kostenfestsetzung, die nur über die Höhe des Erstattungsanspruches befindet, ist eine sie tragende Kostenentscheidung (Kostengrundentscheidung). Die Kostengrundentscheidung, die auch die Aufwendungen der Beigeladenen umfassen muss, ist von der Vergabekammer von Amts wegen zu treffen (§ 128 Abs. 1 und Abs. 4 GWB; Art. 80 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG; vgl. Giehl Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern Art. 80 V.1); sie hat auch darüber zu befinden, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war und die Anwaltskosten somit erstattungsfähig sind (vgl. BayObLGZ 2001, 76 [80]; Thür. OLG VergabeR 2002, 202; Jagenburg/Brück, NJW 2002, 2677 [2686]). Fehlt eine solche Kostenentscheidung, ist für eine Kostenfestsetzung kein Raum (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 103 Rz. 7; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. § 103 Rz. 3).

b) Eine Kostengrundentscheidung der Vergabekammer zur Frage der Erstattungsfähigkeit der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) liegt bisher nicht vor.

(1) Der Beschluss der Vergabekammer vom 6.6.2002 im Nachprüfungsverfahren enthält lediglich die Entscheidung, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Die Erstattung von der Beigeladenen zu 1) entstandenen Aufwendungen ist weder im Tenor noch in den Gründen des Beschlusses erwähnt. Eine ausdrückliche Entscheidung zu diesem Punkt fehlt somit. Sie ist aber auch nicht konkludent in der Kostenüberbürdung auf die Antragstellerin enthalten. Nach Art. 80 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG sind Aufwendungen anderer Beteiligter (als der in S. 1 genannten Hauptbeteiligten) nur erstattungsfähig, wenn sie aus Billigkeit demjenigen, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, oder der Staatskasse auferlegt werden. Dies bedarf einer förmlichen Anordnung...

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