Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung einer Ergänzungspflegschaft und Auswahlentscheidung. Zuständigkeit des Familiengerichts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Beschwerdeberechtigung der Eltern und des minderjährigen Kindes, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, für Beschwerde und weitere Beschwerde gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft und die Auswahlentscheidung.

2. Aus § 1693 BGB ergibt sich, dass seit 01.07.1998 für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen der Verhinderung der Eltern an der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder nicht mehr das Vormundschaftsgericht, sondern das Familiengericht zuständig ist, das nach § 1697 BGB dabei auch den Pfleger auswählen kann.

3. Verletzt das Vormundschaftsgericht die familiengerichtliche Zuständigkeit nach § 1693 BGB, so richtet sich das Rechtsmittelverfahren und die Rechtsmittelzuständigkeit nicht nach §§ 621 e ZPO, 119 Abs. 1 Nr. 2, 133 Nr. 2 GVG, 64 III S. 1 FGG, sondern nach §§ 19, 28 FGG.

 

Normenkette

BGB §§ 1693, 1697, 1908; ZPO § 529 Abs. 3, § 621e Abs. 4; FGG §§ 19, 28, 64 Abs. 3 S. 1; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 23.11.1999; Aktenzeichen 13 T 9164/99)

AG Nürnberg (Beschluss vom 25.10.1999; Aktenzeichen VIII 163/99)

 

Tenor

Auf die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. November 1999 in Nr. II aufgehoben und in Nr. I geändert wie folgt:

Der Beschluß des Amtsgerichts Nürnberg vom 25. Oktober 1999 wird aufgehoben.

Die Beteiligte zu 3 wird als Ergänzungspflegerin entlassen.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung auch über die Frage der Entlassung der Beteiligten zu 3 als Ergänzungspflegerin durch die zuständige Abteilung für Familiensachen an das Amtsgericht Nürnberg zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 2 beabsichtigt, ein ihr gehörendes Grundstück dem jetzt 13-jährigen Beteiligten zu 1 und dessen drei volljährigen Schwestern zu übertragen, wobei sie sich „als Gegenleistung für die Übertragung” ein Nießbrauchsrecht sowie ein Rückforderungsrecht für den Fall der Veräußerung, Belastung, des Vorversterbens und der Insolvenz des jeweiligen Erwerbers vorbehalten will. Ihre Verfahrensbevollmächtigten haben deshalb mit Schriftsatz vom 14.10.1999 das Vormundschaftsgericht um die Bestellung eines Ergänzungspflegers gebeten und vorgeschlagen, die Kinderärztin K. zur Ergänzungspflegerin zu bestellen. Das Vormundschaftsgericht hat mit Beschluß vom 25.10.1999 Ergänzungspflegschaft angeordnet und die Beteiligte zu 3, eine Rechtsanwältin, zur Ergänzungspflegerin bestellt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Anordnung der Ergänzungspflegschaft sei erforderlich, weil die Eltern des Beteiligten zu 1 gemäß §§ 1629, 1795 BGB an der Ausübung der elterlichen Sorge bei diesem Rechtsgeschäft verhindert seien. Da es sich um eine Eigentumsübertragung innerhalb der Familie handle, sei als Ergänzungspflegerin statt der vorgeschlagenen K., bei der es sich um eine Freundin der Familie handle, eine neutrale Person ausgewählt worden; nur so sei gewährleistet, daß die Interessen des Beteiligten zu 1 unabhängig vertreten würden.

Die Beteiligte zu 3 wurde vom Vormundschaftsgericht am 3.11.1999 durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Pflegschaft mittels Handschlags bestellt.

„Gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts … vom 25.10.1999” haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 Beschwerde zum Landgericht eingelegt. Sie haben in erster Linie die nach ihrer Ansicht ermessensfehlerhafte Auswahl des Ergänzungspflegers unter Übergehung des „Vorschlagsrechts … der allein sorgeberechtigten Mutter” gerügt und geltend gemacht, daß die von der Beteiligten zu 2 vorgeschlagene Ergänzungspflegerin besser geeignet sei als die Beteiligte zu 3, zumal ein Interessengegensatz zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 bei der beabsichtigten Schenkung nicht erkennbar und deswegen auch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei. Die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde ergebe sich auch daraus, daß seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen rechtlicher Verhinderung der Eltern an der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder gemäß § 1693 BGB nicht mehr das Vormundschaftsgericht, sondern das Familiengericht zuständig sei, wie das OLG Stuttgart und das PfälzOLG Zweibrücken entschieden hätten. Folge man deren Ansicht, so sei das Vormundschaftsgericht für die Entscheidung überhaupt nicht zuständig gewesen. Aus all diesen Gründen werde der Antrag gestellt, die Pflegerbestellung der Beteiligten zu 3 aufzuheben.

Das Landgericht hat die Beschwerde dahingehend ausgelegt, daß sie auch im Namen des Beteiligten zu 1 eingelegt worden sei. Es hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2 im eigenen Namen als unzulässig verworfen, auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 aber den Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 25.10.199...

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