Leitsatz (amtlich)
Zur (hier: dreißigjährigen) Verjährungsfrist für Unterhaltsforderungen aus einem vollstreckbaren Unterhaltsabfindungsvergleich.
Normenkette
BGB § 197
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 22.11.2012; Aktenzeichen 2 UF 177/12) |
AG Bamberg (Entscheidung vom 08.05.2012; Aktenzeichen 206 F 1452/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Bamberg vom 22.11.2012 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Rz. 1
Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) wendet sich im Wege des Vollstreckungsgegenantrags gegen die Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) wegen Ehegattenunterhalts nebst Zinsen.
Rz. 2
Die Beteiligten schlossen im Jahr 1992 die Ehe, aus der ein inzwischen volljähriger Sohn hervorgegangen ist. Die Ehe wurde am 18.12.2003 rechtskräftig geschieden.
Rz. 3
Durch Vergleich vom 8.10.2001 sowie durch Beschluss des AG vom 28.8.2002 wurden u.a. Regelungen zum Kindes- sowie zum Trennungsunterhalt getroffen. Am 18.12.2003 schlossen die Beteiligten im Scheidungsverfahren einen gerichtlichen Vergleich, in dem u.a. der Ehegattenunterhalt geregelt wurde.
Rz. 4
Ziff. 2 des Vergleichs lautet:
"Zur Abgeltung der Ansprüche der Antragsgegnerin auf Trennungsunterhalt (einschl. des bisher titulierten Trennungsunterhaltes) und nachehelichen Unterhaltes zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 65.000 EUR in folgenden Raten: a) bis 31.12.2003: 20.000 EUR b) bis 1.7.2004: 15.000 EUR c) bis 31.12.2004: 15.000 EUR und d) bis 1.7.2005: 15.000 EUR. Ab Verzug ist der jeweils rückständige Betrag mit 5 % über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. ... Im Übrigen verzichten die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt auch für den Fall der Not und der Erwerbslosigkeit und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an."
Rz. 5
Mit Schreiben vom 20.9.2011 forderten die Antragsgegnervertreter den Ehemann zur Zahlung von 60.633,57 EUR auf, um weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Dabei verwiesen sie auf eine Forderungsaufstellung, in der als Titel der Vergleich vom 8.10.2001, der Beschluss vom 28.8.2002 und ein Vergleich vom 18.3.2003 genannt waren.
Rz. 6
Der Ehemann hat zunächst beantragt, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich Ziff. 1 und 2 der Vereinbarung vom 18.12.2003, hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des Beschlusses vom 28.8.2002 und hinsichtlich Ziff. 1 des Vergleichs vom 8.10.2001 für unzulässig zu erklären. Nachdem die Ehefrau klarstellte, nur wegen des Ehegattenunterhalts aus Ziff. 2 des Vergleichs vom 18.12.2003 zu vollstrecken, hat er sein Begehren, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, nur im Hinblick auf diesen Titel aufrechterhalten und insoweit die Einrede der Verjährung erhoben. Im Übrigen hat er seinen Antrag für erledigt erklärt. Die Ehefrau hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt.
Rz. 7
Das AG hat im beantragten Umfang die Erledigung der Hauptsache festgestellt und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Die Beschwerden beider Beteiligten, mit denen sie jeweils ihre Begehren weiterverfolgt haben, sind erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Ehemann weiterhin, die Zwangsvollstreckung aus Ziff. 2 des Vergleichs vom 18.12.2003 für unzulässig zu erklären.
II.
Rz. 8
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 9
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über die Beschwerde des Ehemanns ausgeführt:
Rz. 10
Der Zinsanspruch sei nicht verjährt. In der Forderungsaufstellung vom 19.9.2011 sei eine offene Zinsforderung aus dem Zeitraum vom 24.9.2008 bis zum 18.9.2009i.H.v. 4.611,78 EUR enthalten. Die Zinsforderung aus dem vorangegangenen Zeitraum vom 5.1.2004 bis 24. (richtig: 23.) September 2008 sei durch Erfüllung erloschen. Aus den Forderungsaufstellungen gehe hervor, dass eingehende Zahlungen entsprechend der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet worden seien. Nicht getilgt sei danach die Zinsforderung aus dem Zeitraum vom 24.9.2008 bis zum 18.9.2009i.H.v. 4.611,78 EUR. Für Verzugszinsen gelte gem. §§ 195, 197 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BGB die Regelverjährung von drei Jahren. Die dreijährige Verjährung des betreffenden Anspruchs seit dem 24.9.2008 habe mit Ablauf des 31.12.2009 begonnen. Aufgrund des Vollstreckungsauftrags vom 17.10.2011 habe die Verjährung von diesem Zeitpunkt an erneut begonnen (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB), so dass hinsichtlich des Zinsanspruchs seit dem 24.9.2008 keine Verjährung eingetreten sei.
Rz. 11
Auch der Hauptanspruch sei nicht verjährt. Es handele sich um einen Anspruch aus einem vollstreckbaren Vergleich. Soweit ein solcher Anspruch künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Inhalt habe, trete an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB). Ein Anspruch der vorgenannten Art müsse sich seiner Natur nach auf Leistungen richten, die in zeitlicher Wiederkehr zu erbringen seien. Es müsse sich um eine Verbindlichkeit handeln, die nur in den fortlaufenden Leistungen bestehe und darin ihre charakteristische Erscheinung habe, und nicht etwa um eine in Raten zerlegte Kaufpreisforderung oder sonstige Kapitalschuld. Daher gelte § 197 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des BGH etwa nicht für einen Aufopferungsanspruch in Rentenform, da es sich hierbei um einen einheitlichen Anspruch handle, bei dem die zeitliche Aufteilung der Leistungen nur eine besondere Form der Erfüllung darstelle. So liege der Fall auch hier. Vorliegend bestehe die vereinbarte Verbindlichkeit nicht in regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Sie habe darin auch nicht ihre charakteristische Erscheinung. Es handle sich zwar nach wie vor um eine Unterhaltsschuld. Diese sei aber nicht mehr regelmäßig wiederkehrend zu erfüllen, sondern in einem einmaligen Abfindungsbetrag. Die Merkmale der ursprünglichen Unterhaltsforderung, dass die Leistungen in zeitlicher Wiederkehr zu erbringen und die einzelnen Unterhaltsleistungen jeweils an einen bestimmten Zeitabschnitt gebunden seien, besitze der vereinbarte Abfindungsbetrag nicht mehr. Er sei auch nicht zeitlich wiederkehrend zu erbringen; die Aufteilung der Zahlung in vier Raten stelle nur eine besondere Form der Erfüllung dar. Abgesehen davon greife der Schutzzweck der kurzen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall nicht ein. Da es sich somit nicht um eine wiederkehrende Leistung handle, gelte gem. § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB die 30-jährige Verjährungsfrist.
Rz. 12
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung ist nicht verjährt, weil das Berufungsgericht insoweit zu Recht von einer 30-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist.
Rz. 13
a) Nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB verjähren Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen in 30 Jahren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach Abs. 2 der Bestimmung tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), soweit die Ansprüche nach Abs. 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben.
Rz. 14
Ein Anspruch auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB ist dann gegeben, wenn der Anspruch von vornherein und seiner Natur nach auf Leistungen gerichtet ist, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind, insb. wenn der Gesamtumfang der geschuldeten Leistungen nicht beziffert werden kann, weil der Anspruch zeitabhängig entsteht (BGH, Urt. v. 24.6.2005 - V ZR 350/03, NJW 2005, 3146, 3147 m.w.N.). Andererseits findet nicht auf jeden Zahlungsanspruch auf wiederkehrende Leistungen die regelmäßige Verjährungsfrist Anwendung. So sind die vorgenannten Voraussetzungen bei einem Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB auch in den Fällen nicht erfüllt, in denen wegen wiederkehrenden Bedarfs wiederkehrende Teilwertersatzleistungen in Geld bis zur Erschöpfung des Werts der Schenkung zu erbringen sind. Zwar besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente. Für eine Qualifizierung als regelmäßig wiederkehrende Leistung i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB ist jedoch nicht ausreichend, dass eine bestimmte Verbindlichkeit in Rentenform geschuldet wird. Gegen eine Einordnung als regelmäßig wiederkehrende Leistung im Sinne dieser Vorschrift spricht entscheidend, dass sich der Rückforderungsanspruch des Schenkers - anders als etwa Unterhaltsansprüche - nicht als ein "Stammrecht" darstellt, aus dem einzelne abtrennbare Ansprüche (laufend) fließen. Vielmehr handelt es sich auch bei dem auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Teilwertersatzanspruch um einen einheitlichen Anspruch auf teilweise Herausgabe des Geschenkes in Form einer Ersatzleistung in Geld (BGHZ 146, 228, 233 = FamRZ 2001, 409, 410 m.w.N.).
Rz. 15
b) Wiederkehrende Leistungen i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB, zu denen Unterhaltsforderungen regelmäßig gehören, verlieren diesen Charakter grundsätzlich nicht dadurch, dass sie in einer Summe ausgeworfen werden (Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2009] § 197 Rz. 74). Zur Kapitalisierung künftiger Leistungen, etwa einer Unterhaltsrente, wird insofern allerdings vertreten, dass sich hierdurch der Charakter der Schuld so nachhaltig ändere, dass in aller Regel von einer Novation auszugehen sei, weshalb § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB und nicht § 197 Abs. 2 BGB anwendbar sei (Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2009] § 197 Rz. 74).
Rz. 16
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Abgrenzung zwischen einer Änderung des Schuldverhältnisses und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen. Im Zweifel ist daher eine bloße Änderung des Schuldverhältnisses anzunehmen (BGH, Urt. v. 14.3.2013 - III ZR 417/12 - NZM 2013, 545 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 17
bb) Ob das Beschwerdegericht von einer Novation des Schuldverhältnisses oder von dessen Änderung ausgegangen ist, lässt sich der Entscheidung nicht zweifelsfrei entnehmen. Die vom Beschwerdegericht angestellten Erwägungen tragen aber die Annahme, dass das Schuldverhältnis in der Weise geändert worden ist, dass an die Stelle laufender Unterhaltszahlungen im Interesse beider Beteiligten ein Abfindungsbetrag getreten ist. Die für eine Unterhaltsschuld charakteristische Erbringung der Leistung in zeitlicher Wiederkehr und für bestimmte Zeitabschnitte ist entfallen. Die Unterhaltsschuld ist nicht mehr in einzelne Forderungen zerlegbar, vielmehr ist sogar der bei Abschluss des Vergleichs bereits fällige rückständige Trennungsunterhalt in dem Betrag von 65.000 EUR mit erfasst worden, obwohl es sich von vornherein nicht um künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB handelt. Angesichts dieser Sachlage begegnet die tatrichterliche Würdigung keinen Bedenken, dass den Unterhaltsleistungen durch die begründete Verpflichtung zur Zahlung eines Abfindungsbetrags der Charakter einer wiederkehrenden Leistung i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB genommen worden ist. Der Umfang der Unterhaltsleistung steht fest, weitere Zahlungen werden im Hinblick auf den Unterhaltsverzicht nicht geschuldet. Umstände, die unterhaltsrechtlich grundsätzlich von Bedeutung sind, wie Änderungen von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit, die Wiederheirat des Berechtigten oder dessen Tod (vgl. § 1586 Abs. 1 BGB), wirken sich nicht mehr aus (vgl. BGH v. 10.8.2005 - XII ZR 73/05, FamRZ 2005, 1662, 1663). Mit Rücksicht auf die daher überschaubare Belastung bedarf es auch nicht des Schutzes durch eine kurze Verjährung. Denn der Schuldner kann sich auf eine bestimmte Höhe des Anspruchs einstellen und muss nicht mit der Geltendmachung einer über Jahre aufgelaufenen Schuld rechnen, was durch die regelmäßige Verjährung verhindert werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2005 - V ZR 350/03, NJW 2005, 3146, 3147). An diesem Ergebnis vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Abfindungsbetrag in vier Raten zu zahlen ist. Hierbei handelt es sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, um eine besondere Form der Erfüllung eines einheitlichen Anspruchs und nicht um wiederkehrende Leistungen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1957 - III ZR 12/56, NJW 1957, 1148, 1149).
Rz. 18
3. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts hinsichtlich des Zinsanspruchs hat die Rechtsbeschwerde nicht im Einzelnen angegriffen. Die Annahme, der Zinsanspruch sei nicht verjährt, begegnet im Ergebnis auch keinen rechtlichen Bedenken. Da der Hauptanspruch nicht verjährt ist, greift § 217 BGB nicht ein. Die Zinsforderung ist ebenfalls nicht verjährt, weil die Verjährung aufgrund der von der Ehefrau veranlassten Vollstreckungshandlung erneut begonnen hat (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und die dreijährige Verjährungsfrist deshalb selbst bezüglich der ältesten noch offenen Zinsforderung nicht abgelaufen ist.
Rz. 19
4. Soweit die Rechtsbeschwerde die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts beanstandet, hat sie auch damit keinen Erfolg. Die Rüge, das OLG habe übersehen, dass zwischen den Kosten erster und zweiter Instanz zu unterscheiden sei, ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde waren sowohl in erster als auch in zweiter Instanz der Vollstreckungsgegenantrag und der Antrag auf Feststellung der einseitigen Erledigung der Hauptsache Gegenstand des Verfahrens, da auch die Ehefrau Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt hatte. Deshalb hat das Beschwerdegericht folgerichtig eine einheitliche Kostenentscheidung getroffen. Dabei sind bezüglich des Feststellungsbegehrens die vom Senat zur Kostenentscheidung aufgestellten Grundsätze beachtet worden (vgl. BGH v. 13.7.2005 - XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 7183592 |
NJW 2014, 2637 |
EBE/BGH 2014 |
FamRZ 2014, 1622 |
FuR 2014, 4 |
FuR 2014, 664 |
JurBüro 2014, 668 |
JZ 2014, 591 |
MDR 2014, 1029 |
FF 2014, 422 |
FamRB 2014, 365 |
NJW-Spezial 2014, 517 |
FMP 2014, 168 |
NZFam 2014, 994 |