Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage des Einkommensteuerbescheids des Unterhaltspflichtigen; Streitwert wegen Auskunftsverweigerung
Leitsatz (amtlich)
Zur Höhe der Beschwer, wenn der Unterhaltspflichtige und sein Ehegatte steuerlich zusammen veranlagt wurden und der Unterhaltspflichtige zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids verurteilt worden ist.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung des Senats muss der Auskunftspflichtige den Steuerbescheid auch dann vorlegen, wenn er zusammen mit seinem Ehegatten veranlagt worden ist. Er darf dabei jedoch solche Betragsangaben abdecken oder sonst unkenntlich machen, die ausschließlich seinen Ehegatten betreffen oder in denen Werte für ihn und seinen Ehegatten zusammengefasst sind, ohne dass sein eigener Anteil daraus entnommen werden kann.
2. Mangels einer notwendigen getrennten Veranlagung durch einen Steuerberater bleiben Kosten für dessen Beiziehung bei der Bemessung der Beschwer außer Betracht.
Normenkette
FamFG § 61 Abs. 1; BGB § 1605
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf vom 7.4.2011 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: bis 600 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners aus dessen erster Ehe. Sie nimmt den Antragsgegner, der mittlerweile wieder verheiratet ist, auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.
Rz. 2
Auf den von der Antragstellerin erhobenen Stufenantrag wurde der Antragsgegner durch Teilbeschluss des AG - FamG - u.a. dazu verurteilt, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Höhe der von ihm innerhalb der Monate März 2009 bis Februar 2010 bezogenen Nettoeinkünfte aus Erwerbstätigkeit und aus Steuerrückzahlungen sowie diese Auskunft durch die Vorlage von Einkommensbelegen und seines letzten Steuerbescheids für die Jahre 2008 und 2009 zu belegen.
Rz. 3
Gegen diesen Teilbeschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Das OLG hat den Wert der Beschwer für das Beschwerdeverfahren auf 300 EUR festgesetzt und die Beschwerde sodann als unzulässig verworfen.
Rz. 4
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er geltend macht, der Wert der Beschwer übersteige 600 EUR.
II.
Rz. 5
Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist nicht zulässig, weil weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Rz. 6
1. a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist - von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 23.3.2011 - XII ZB 436/10, FamRZ 2011, 882 Rz. 9; v. 22.4.2009 - XII ZB 49/07, FamRZ 2009, 1211 Rz. 9 jeweils m.w.N.; v. 31.1.2007 - XII ZB 133/06, FamRZ 2007, 714 Rz. 4; BGHZ - GSZ - 128, 85 = NJW 1995, 664 f.).
Rz. 7
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist im Falle einer Verurteilung zur Auskunft der Wert der Beschwer gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht von dem ihm nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hat, was insb. dann der Fall ist, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 139 ZPO) nicht festgestellt hat (vgl. BGH v. 31.1.2007 - XII ZB 133/06, FamRZ 2007, 714 Rz. 5 m.w.N.; v. 31.3.2010 - XII ZB 130/09, FamRZ 2010, 881 Rz. 10).
Rz. 8
c) Soweit das Beschwerdegericht den Aufwand für die Zusammenstellung und die Vorlage der im Tenor des angefochtenen Beschlusses genannten Unterlagen sowie der darauf aufbauenden Auskunft auf unter 600 EUR geschätzt hat, lässt dies einen Ermessensfehler zum Nachteil des Antragsgegners nicht erkennen.
Rz. 9
d) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch die Kosten der Zuziehung eines Steuerberaters bei der Bemessung der Beschwer außer Betracht gelassen. Solche Kosten können nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (BGH v. 25.4.2007 - XII ZB 10/07, FamRZ 2007, 1090 Rz. 7; v. 26.10.2005 - XII ZB 25/05, FamRZ 2006, 33, 34 und BGH, Urt. v. 11.7.2001 - XII ZR 14/00, FamRZ 2002, 666 [667]). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Rz. 10
Nach der Rechtsprechung des Senats muss der Auskunftspflichtige den Steuerbescheid auch dann vorlegen, wenn er zusammen mit seinem Ehegatten veranlagt worden ist. Er darf dabei jedoch solche Betragsangaben abdecken oder sonst unkenntlich machen, die ausschließlich seinen Ehegatten betreffen oder in denen Werte für ihn und seinen Ehegatten zusammengefasst sind, ohne dass sein eigener Anteil daraus entnommen werden kann (BGH, Urt. v. 13.4.1983 - IVb ZR 374/81, FamRZ 1983, 680 [682]; vgl. dazu auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl., § 1 Rz. 1183). Der Unterhaltsschuldner kann deshalb die im Rahmen eines Verfahrens auf Kindesunterhalt bestehende Belegpflicht über sein Einkommen dadurch erfüllen, dass er die in dem vorzulegenden Einkommensbescheid enthaltenen Angaben zum Einkommen seiner Ehefrau schwärzt (vgl. BGH v. 3.11.2004 - XII ZB 165/00, FamRZ 2005, 104).
Rz. 11
Im vorliegenden Fall kann der Antragsgegner die ihm auferlegte Verpflichtung zur Vorlage seiner Steuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 auf die gleiche Art und Weise erfüllen, ohne das Einkommen seiner Ehefrau preisgeben zu müssen. Die nach der Streichung vorhandenen Angaben zum Einkommen des Antragsgegners und zu den vom Einkommen absetzbaren Beträgen genügen, um anhand der Grundtabelle die Steuerschuld des Antragsgegners fiktiv zu errechnen (vgl. BGH v. 3.11.2004 - XII ZB 165/00, FamRZ 2005, 104 [105]). Eine von einem Steuerberater durchgeführte Berechnung der Steuerschuld des Antragsgegners bei einer getrennten Veranlagung für die beiden relevanten Steuerjahre bedarf es dazu nicht. Das Beschwerdegericht hat deshalb zu Recht die vom Antragsgegner geltend gemachten Kosten für die Beiziehung eines Steuerberaters bei der Bemessung seiner Beschwer außer Betracht gelassen.
Rz. 12
e) Auch soweit das Beschwerdegericht das vom Antragsgegner geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse nicht als werterhöhend berücksichtigt hat, hält dies der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 13
aa) Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des BGH im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur Auskunft verurteilten Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein (BGH BGHZ 164, 63 = FamRZ 2005, 1986). Hierfür muss aber ein besonderes Interesse des Auskunftspflichtigen, bestimmte Tatsachen insb. vor dem Gegner geheim zu halten, im Einzelfall konkret dargelegt werden. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des Auskunftsbegehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden können (BGH BGHZ 164, 63 = FamRZ 2005, 1986 m.w.N.).
Rz. 14
bb) Hier hat der Antragsgegner geltend gemacht, durch die Verpflichtung zur Vorlage der Steuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 müsse auch seine Ehefrau, mit der er steuerlich zusammen veranlagt werde, ihre Einkommensverhältnisse gegenüber der Antragstellerin offenbaren, obwohl sie dazu nicht bereit sei. Dadurch werde das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau verletzt, das diese aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableiten könne. Das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau könne nur dadurch geschützt werden, dass er mit Hilfe eines Steuerberaters fiktiv eine getrennte Steuerveranlagung durchführen lasse. Deshalb habe das Beschwerdegericht das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau bei der Bemessung des Werts der Beschwer berücksichtigen müssen.
Rz. 15
cc) Mit dieser Begründung hat der Antragsgegner ein werterhöhendes Geheimhaltungsinteresse nicht dargetan. Es kann offen bleiben, ob auch in einem Fall der vorliegenden Art der Grundsatz gilt, dass Drittbeziehungen des Auskunftspflichtigen nicht zu einem unmittelbar aus der Verurteilung zur Auskunft fließenden rechtlichen Nachteil führen und deshalb als reine Fernwirkung für die Bemessung der Beschwer außer Betracht zu bleiben haben (vgl. hierzu BGH BGHZ 164, 63 = FamRZ 2005, 1986 [1987]). Wie bereits ausgeführt, kann das Geheimhaltungsinteresse der Ehefrau des Antragsgegners bereits dadurch geschützt werden, dass der Antragsgegner Angaben auf dem vorzulegenden Steuerbescheid, die die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau betreffen, schwärzt.
Rz. 16
2. Schließlich hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist vom BGH bereits entschieden (vgl. BGH, Urt. v. 13.4.1983 - IVb ZR 374/81, FamRZ 1983, 680, 682 und BGH v. 3.11.2004 - XII ZB 165/00, FamRZ 2005, 104). Dass hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. zu dieser Voraussetzung BGH Beschl. v. 8.2.2010 - II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rz. 3 m.w.N.) hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 2857573 |
BFH/NV 2012, 542 |
EBE/BGH 2011 |
FamRZ 2012, 204 |
FuR 2012, 96 |
NJW-RR 2012, 129 |
MDR 2012, 115 |
FamFR 2012, 20 |
FamRB 2012, 46 |
FK 2012, 76 |