Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsanpruch. Insolvenzanfechtung. Nichtberechtigter. Leistungsannahme. Revisionsrechtszug. Klageänderung
Leitsatz (amtlich)
Wird ein in den Tatsacheninstanzen auf Insolvenzanfechtung gestützter Zahlungsanspruch im Revisionsrechtszug ausschließlich aus der wirksamen Leistungsannahme durch einen Nichtberechtigten (§ 816 Abs. 2 BGB) hergeleitet, liegt, wenn die Leistungsannahme erst im Revisionsrechtszug genehmigt wird, eine Klageänderung vor, deren Verfolgung mangels einer Beschwer nicht alleiniges Ziel der Revision sein kann.
Normenkette
ZPO §§ 263, 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. a
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 05.10.2007; Aktenzeichen 303 S 8/07) |
AG Hamburg-St. Georg (Urteil vom 02.02.2007; Aktenzeichen 920 C 548/06) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Hamburg vom 5.10.2007 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der auf den 9.10.2008 bestimmte Verhandlungstermin wird aufgehoben.
Gegenstandswert: 1.017,94 EUR
Gründe
I.
[1] Der Kläger ist Verwalter in dem am 29.6.2006 über das Vermögen der F GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Zuvor war er auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 31.3.2006 zum vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden. Die Beklagte zog unter Verwendung einer ihr erteilten Einzugsermächtigung am 24.2.2006 vom Konto der Schuldnerin Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 1.017,94 EUR ein.
[2] Der Kläger, der in den Tatsacheninstanzen auf der Grundlage der im Streitfall maßgeblichen Nr. 7 Abs. 3 Banken-AGB von einer Genehmigung der Lastschrift infolge Zeitablaufs ausgegangen ist, nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch. Das LG hat die erstinstanzlich erfolgreiche Klage abgewiesen. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des AG.
II.
[3] Die Revision ist mangels einer ordnungsgemäßen Begründung (§ 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO) als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO); dabei macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, durch Beschluss zu entscheiden (§ 552 Abs. 2 ZPO).
[4] 1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Rechtsmittel der Berufung und Revision nur dann zulässig sind, wenn der Rechtsmittelkläger mit ihnen die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also - im Falle einer vorinstanzlichen Klageabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel ein zulässiges Rechtsmittel voraus (BGH, Urt. v. 25.2.1999 - III ZR 53/98, NJW 1999, 1407 f.; Urt. v. 15.3.2002 - V ZR 39/01, NJW-RR 2002, 1435, 1436 jeweils m.w.N.).
[5] 2. Die Revision erstrebt nicht die Beseitigung einer Beschwer des Klägers, weil sie lediglich eine Klageänderung zum Gegenstand hat.
[6] a) Der Kläger hatte seinen Zahlungsanspruch in den Tatsacheninstanzen ausschließlich auf § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützt. Eine konkludente Genehmigung der im Wege des Lastschrifteinzugs an die Beklagte bewirkten Zahlung war nach der von dem Kläger - entgegen der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Grundsatzentscheidung (BGH, Urt. v. 25.10.2007 - IX ZR 217/06, WM 2007, 2246, für BGHZ 174, 84 bestimmt) - vertretenen Rechtsauffassung infolge des vor Insolvenzeröffnung verstrichenen Zeitablaufs eingetreten. Deshalb ging der Kläger, der die Erteilung einer ausdrücklichen Genehmigung der Lastschrift für den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung in Abrede stellte, davon aus, dass der Lastschrifteinzug auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin beruht. Demgegenüber hat das LG angenommen, dass der Lastschrifteinzug vor Insolvenzeröffnung nicht genehmigt wurde und es folglich an einer Rechtshandlung der Schuldnerin fehlt.
[7] b) Mit seiner Revision zieht der Kläger die rechtliche Würdigung des LG nicht in Zweifel. Er meint vielmehr, die Beklagte habe durch den Lastschrifteinzug als Nichtberechtigte eine vermögenswerte Buchposition erlangt. Diese Buchposition könne er mit seiner Klage nachträglich genehmigen und Wertersatz verlangen. Die Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruchs führe nicht zur Genehmigung der Belastungsbuchung. Hinnehmen müsse die Schuldnerin diese Buchung erst mit Erfüllung des Bereicherungsanspruchs durch den Lastschriftgläubiger.
[8] c) Bei dieser Sachlage wird mit der Revision durch eine Klageänderung anstelle des bisherigen ein neuer prozessualer Anspruch in das Verfahren eingeführt. Da der in den Vorinstanzen erhobene Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt wird, erweist sich das Rechtsmittel des Klägers als unzulässig.
[9] aa) Nach der heute ganz herrschenden Auffassung wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (vgl. nur BGHZ 117, 1, 5 m.w.N.; BGH, Urt. v. 11.7.1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152). Eine Klageänderung liegt vor, wenn entweder der Klageantrag oder der Klagegrund ausgewechselt wird (Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 263 Rz. 7). Zwar umfasst der Klagegrund alle Tatsachen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Klagevortrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (BGHZ, a.a.O., S. 6; BGH, Urt. v. 11.7.1996, a.a.O.). Jedoch liegen bei gleichem Antrag unterschiedliche Streitgegenstände dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGH, Urt. v. 27.5.1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173; Urt. v. 11.7.1996, a.a.O.).
[10] bb) Der Kläger hat im Rahmen seines vor den Tatgerichten verfolgten Anspruchs die Beklagte als infolge konkludenter Genehmigung des Lastschrifteinzugs berechtigte Gläubigerin einer Zahlung angesehen, die allein aus anfechtungsrechtlichen Gründen rückabzuwickeln ist. In Abkehr von diesem im Revisionsrechtszug fallen gelassenen Klagevortrag stützt der Kläger seinen - der Höhe nach unveränderten - Zahlungsanspruch nunmehr allein auf § 816 Abs. 2 BGB, indem er die Beklagte als nicht berechtigte Empfängerin einer durch den Lastschrifteinzug erlangten Buchposition behandelt. Der aus § 816 Abs. 2 BGB hergeleitete Anspruch setzt nach der rechtlichen Konstruktion der Revisionsbegründung, deren Tragfähigkeit dahinstehen kann, eine besondere Genehmigung der Buchposition durch den Kläger voraus, die er in den Tatsacheninstanzen im Blick auf die allenfalls eingeräumte konkludente Genehmigung des Lastschrifteinzugs freilich nicht erteilt hat. Da die mithin bislang fehlende Genehmigung folglich nur in der Revisionsbegründung selbst liegen kann, wird durch die erstmals im Revisionsrechtszug erklärte, offenbar auf die Buchposition beschränkte Genehmigung ein - infolge einer entscheidenden Modifizierung - neuer Sachverhalt als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 816 Abs. 2 BGB unterbreitet.
[11] Zu Unrecht macht die Revision geltend, eine konkludente Genehmigung i.S.d. § 816 Abs. 2 BGB sei bereits in der Klageerhebung (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.1972 - VII ZR 118/70, NJW 1972, 1197, 1199; v. 15.5.1986 - VII ZR 211/85, NJW 1986, 2430) zu erkennen. Dies kann nur gelten, wenn die Klagebegründung die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden Tatsachenvortrags enthält (BGH, Urt. v. 18.2.1960 - VII ZR 21/59, WM 1960, 611, 612). Wird ein solcher Anspruch erst in einem späteren Schriftsatz - hier der Revisionsbegründung - mit Sachvortrag unterlegt, kann nur dieser Schriftsatz als Genehmigung verstanden werden.
[12] Bei dieser Sachlage stellt der von dem Kläger rechtlich verselbständigte Lebensvorgang einen neuen Klagegrund (BGH, Urt. v. 27.5.1993, a.a.O.; v. 11.7.1996, a.a.O.; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 263 Rz. 13) und damit eine zur Unzulässigkeit der Revision führende Klageänderung dar. Da sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen zulässigerweise auf die Verfolgung des anfechtungsrechtlichen Anspruchs beschränken durfte und beschränkt hat, liegt im Übergang auf den Bereicherungsanspruch eine Klageänderung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. Einl. Rz. 70).
Fundstellen
Haufe-Index 2052096 |
NJW 2008, 3570 |
BGHR 2009, 89 |
EBE/BGH 2008 |
WM 2008, 2029 |
ZAP 2008, 1185 |
ZIP 2008, 1991 |
DZWir 2009, 38 |
MDR 2008, 1351 |
NZI 2008, 685 |
ZInsO 2008, 1075 |