Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel gegen Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Revisionsgericht. Gegenvorstellung. Begründung der Ablehnungsentscheidung des Revisionsgerichts
Leitsatz (amtlich)
a) Der - mit der Rechtskraftwirkung gem. § 544 Abs. 5 S. 3 ZPO ausgestattete - Beschluss des Revisionsgerichts über die Ablehnung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist (nach gegenwärtiger Rechtslage) einer Gegenvorstellung in entsprechender Anwendung der §§ 321a, 705 (i. V. m. § 555 Abs. 1) ZPO nicht zugänglich.
b) § 544 Abs. 4 S. 2 ZPO verlangt eine ins einzelne gehende Begründung des Beschlusses über die Ablehnung einer Nichtzulassungsbeschwerde ebenso wenig wie die Angabe konkreter Gründe für das - nach Halbs. 2 1. Alt. der Vorschrift zulässige - Absehen von einer Begründung überhaupt.
Normenkette
ZPO §§ 321a, 544 Abs. 4 S. 2, Abs. 5 S. 3, § 705
Verfahrensgang
OLG Naumburg |
LG Magdeburg |
Tenor
Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Senatsbeschluss v. 15.12.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagten, die ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen Anfang 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden ist, wegen angeblich schuldhaft verspäteter Stellung des Gesamtvollstreckungsantrags auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage gegen den Beklagten zu 3) dem Grunde nach stattgegeben und sie gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten zu 3) die Klage auch gegen ihn abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Der Senat hat durch Beschluß v. 15.12.2003 die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen, mit der sie u. a. die von ihr für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage aufgeworfen hatte, ob die der Gemeinschuldnerin gewährten staatlichen Hilfen wegen Verstoßes gegen Art. 93 Abs. 3 S. 3 EGV a. F. (jetzt Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV) unter § 134 BGB fielen und deshalb die Überschuldung der Gemeinschuldnerin nicht verhindern konnten. Mit ihrer - auf § 321a ZPO (analog) gestützten - "Gegenvorstellung" rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), weil die - allgemein gehaltene - Begründung des Senatsbeschlusses v. 15.12.2003 nicht konkret auf die aufgeworfene Rechtsfrage eingehe.
II. Die Gegenvorstellung bleibt erfolglos.
1. Erfolg kann das Begehren der Klägerin schon deshalb nicht haben, weil das Verfahren gemäß ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift in § 544 Abs. 5 S. 3 ZPO mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Revisionsgericht rechtskräftig abgeschlossen ist. Eine Überprüfung dieser Entscheidung mit dem Ziel ihrer Änderung würde nicht nur die - in Fällen behaupteter Verletzung von Verfahrensgrundrechten eingeschränkte - Selbstbindung des Gerichts gem. § 318 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901) berühren, sondern darauf hinauslaufen, die gem. § 544 Abs. 5 S. 3 ZPO bereits eingetretene Rechtskraft des vorinstanzlichen Urteils wieder in Frage zu stellen und ggf. rückwirkend zu beseitigen. Das ist nicht zulässig (vgl. zur Rechtskraftwirkung eines Nichtannahmebeschlusses gem. § 554b ZPO a. F. BGH, Beschl. v. 24.6.1980 - KZR 12/79, MDR 1981, 26 = NJW 1981, 55) und steht auch einer entsprechenden Anwendung des von der Klägerin herangezogenen § 321a (i. V. m. § 555 Abs. 1) ZPO entgegen. Denn § 321a ZPO führt nicht zu einer Durchbrechung der Rechtskraft, weil diese gem. § 705 ZPO nicht vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 321a Abs. 2 ZPO eintreten kann und ihr Eintritt durch rechtzeitige Rüge nach § 321a ZPO gehemmt wird. Für die Rechtskraftwirkung der Entscheidung gem. § 544 Abs. 5 S. 3 ZPO ist ausdrücklich etwas Anderes bestimmt. Eine in die Rechtskraft eingreifende Korrektur dieser eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung im Wege einer Analogie zu §§ 321a, 705 ZPO überschritte die Befugnisse eines Fachgerichts (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 321a Rz. 3a). Auch nach dem Beschluss des BVerfG v. 30.4.2003 (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PbvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924) verbleibt es bei der gegenwärtigen Rechtslage, solange der Gesetzgeber nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 31.12.2004 eine umfassende (den §§ 321a, 705 ZPO vergleichbare) gesetzliche Neuregelung der sog. "Anhörungsrüge" bei nicht (mehr) rechtsmittelfähigen Entscheidungen getroffen hat.
2. Davon abgesehen hat der Senat die mit der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe (§§ 543 Abs. 2, 544 Abs. 2 S. 3 ZPO) selbstverständlich geprüft, wie sich auch aus der Begründung des von der Klägerin angegriffenen Senatsbeschlusses ergibt. Diese Begründung orientiert sich an der - von dem BVerfG nicht beanstandeten - Begründungspraxis des BGH bei Nichtannahmebeschlüssen gem. § 554b ZPO a. F.. Durch die Neuregelung der Zulassungsrevision soll das Revisionsgericht nicht einem verstärkten Begründungszwang bei der Entscheidung über Nichtzulassungsbeschwerden unterworfen, sondern erreicht werden, dass das Revisionsgericht sich stärker als bisher seiner spezifischen Aufgabe widmen kann, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden und zur Rechtsfortbildung sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung beizutragen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 66 f.). Dementsprechend sieht auch die Soll-Vorschrift des § 544 Abs. 4 S. 2 ZPO eine ins einzelne gehende Begründung der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht vor. Darüber hinaus kann von einer Begründung ganz abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der (allgemeinen) Zulassungsvoraussetzungen beizutragen. So verhält es sich auch hier. Die Klägerin macht mit ihrer Gegenvorstellung nichts Gegenteiliges geltend, sondern wiederholt lediglich ihre durch den angegriffenen Senatsbeschluss (und in dem angefochtenen Urteil) bereits abl. beschiedene Rechtsmeinung, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen gewesen.
3. Wie die Klägerin in ihrer Gegenvorstellung selbst sieht, ist die von ihr in den Vordergrund gestellte Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 134 BGB auf gegen Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV verstoßende staatliche Beihilfen durch Urteil des BGH v. 4.4.2003 (BGH, Urt. v. 4.4.2003 - V ZR 314/02, BGHReport 2003, 855 = WM 2003, 1491) geklärt. Schon deshalb bestand insoweit zu dem - nach der Rechtsprechung des BGH maßgeblichen - Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kein Grund mehr, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zur Klärung der genannten Rechtsfrage, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2002 - IV ZR 197/02, MDR 2003, 284 = BGHReport 2003, 305 = WM 2003, 554; v. 8.4.2003 - XI ZR 193/02, MDR 2003, 1009 = BGHReport 2003, 902).
Unabhängig davon fehlte es hier aber auch schon an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2002 - VII ZR 101/02, MDR 2003, 468 = BGHReport 2003, 347 = NJW 2003, 831; v. 2.10.2003 - V ZB 72/02, BGHReport 2004, 122 = MDR 2004, 226, Umdr. S. 3). Denn das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG nicht nur wegen (vermeintlich) fehlender Überschuldung der Gemeinschuldnerin, sondern alternativ auch deshalb verneint, weil die Beklagten angesichts der massiven Unterstützung der Gemeinschuldnerin durch die öffentliche Hand und der von der BvS (als Alleingesellschafterin der Gemeinschuldnerin) sowie von der Landesregierung zum Teil öffentlich erklärten Bereitschaft, das wirtschaftliche Überleben der Gemeinschuldnerin mittels eines Sanierungskonzepts zu sichern, von einer positiven Fortführungsprognose hätten ausgehen dürfen und daher die Stellung des Gesamtvollstreckungsantrages jedenfalls nicht schuldhaft verschleppt hätten. Insoweit handelt es sich um eine die Entscheidung schon für sich allein tragende tatrichterliche Einzelfallbeurteilung, die keinen Grund für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO ergibt. Soweit die Klägerin in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde ein Fehlverständnis des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO durch das Berufungsgericht gerügt hat, wird verkannt, dass diese Vorschrift erst seit 1.1.1999 gilt und es im hier maßgebenden Zeitraum davor nach der Rechtsprechung des Senates auf die Frage einer positiven oder negativen Fortführungsprognose als Element der Konkursreife sehr wohl ankam (vgl. BGH v. 13.7.1992 - II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 [214 f.] = GmbHR 1992, 659 = MDR 1992, 1135; v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [199 f.] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781).
Fundstellen
Haufe-Index 1118744 |
BB 2004, 518 |
NJW 2004, 1531 |
BGHR 2004, 617 |
EBE/BGH 2004, 2 |
FamRZ 2004, 619 |
WM 2004, 1894 |
MDR 2004, 768 |
Mitt. 2004, 234 |
ProzRB 2004, 189 |
www.judicialis.de 2004 |