Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristgebundener Schriftsatz. Übermittlung per Telefax. Übermittlung an falsches Gericht. Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Ausgangskontrolle. Verschulden des Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
Zur Notwendigkeit einer hinreichenden Ausgangskontrolle bei der Erteilung einer Einzelanweisung des Rechtsanwalts, einen fristgebundenen Schriftsatz durch Telefax an das Gericht zu übermitteln.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Beschluss vom 01.10.2007; Aktenzeichen 1 S 35/07) |
AG Heilbronn (Urteil vom 27.06.2007; Aktenzeichen 7 C 713/07) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 1.10.2007 - 1 S 35/07 Bm - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 4.926,50 EUR
Gründe
I.
[1] Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung i.H.v. 4.926,50 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des AG Heilbronn ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13.7.2007 zugestellt worden. Hiergegen hat er beim LG Heilbronn rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13.9.2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wegen Arbeitsüberlastung beantragt, die am selben Tage ablaufende Frist zur Begründung der Berufung um zwei Wochen zu verlängern. Der durch Telefax versandte Schriftsatz ist an das LG adressiert, wurde jedoch wegen einer unrichtigen Telefaxnummer am 13.9.2007 kurz nach 15.00 Uhr dem AG Heilbronn übermittelt. Von dort wurde er an das LG weitergeleitet, wo er am 17.9.2007 eingegangen ist.
[2] Auf einen Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte noch am 17.9.2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; die Berufungsbegründung ist am 28.9.2007 erfolgt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Angestellten E. seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht: Nach Vorbereitung des Fristverlängerungsersuchens habe der Prozessbevollmächtigte die Akte der ausgebildeten und besonders zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Anweisung übergeben, das Gesuch umgehend per Telefax an das zuständige LG Heilbronn zu übermitteln und nachfolgend telefonisch die Geschäftsstelle des Gerichts zwecks Kontrolle zu kontaktieren. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Antrag indes an den Anschluss des AG Heilbronn übermittelt worden. Nachdem Frau E. die Geschäftsstelle des Gerichts bis zum Arbeitsschluss der Kanzlei telefonisch nicht mehr habe erreichen können, sei das Versehen zunächst unentdeckt geblieben.
[3] Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter.
II.
[4] 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Es fehlt hier jedoch an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er verletzt auch nicht das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Soll der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, so ist in der Regel ein Sendebericht zu erstellen und auf etwaige Übermittlungsfehler, insb. die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - I ZB 64/05, NJW-RR 2006, 1519 Rz. 9; v. 13.2.2007 - VI ZB 70/06, NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rz. 8, 10; BGH v. 4.4.2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429, 1430 Rz. 8; BGH, Beschl. v. 18.7.2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Rz. 6; jeweils m.w.N.). Ausreichend ist auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschl. v. 24.1.1996 - XII ZB 4/96, VersR 1996, 1125; Beschl. v. 2.7.2001 - II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60).
[6] Das Vorbringen des Beklagten lässt nicht erkennen, dass diesen Anforderungen in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden er sich zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), genügt worden wäre. Eine allgemeine oder spezielle Anweisung zur Überprüfung des Sendeberichts ist nicht dargetan. Bei der stattdessen hier erteilten Weisung, sich den Eingang des Telefaxes durch die Geschäftsstelle des LG bestätigen zu lassen, hätte der Prozessbevollmächtigte aber nach den zutreffenden Ausführungen des LG außerdem für den Fall Vorsorge treffen müssen, dass bei Gericht niemand mehr erreicht werden kann und deshalb die vorgesehene Kontrolle fehlschlägt. Dann hätte sich beispielsweise eine alternative Überprüfung des Sendeprotokolls angeboten.
[7] 3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen hinreichender organisatorischer Maßnehmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze im Streitfall nicht deswegen unerheblich, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat. Allerdings ist richtig, dass es nach der Rechtsprechung des BGH auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935 = BB 2003, 707, 708; BGH v. 29.7.2004 - III ZB 27/04, BGHReport 2005, 44, 45 f.; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - IX ZB 219/06, NJW 2008, 526, 527 Rz. 10). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelanweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für den konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelanweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; v. 30.1.2007 - XI ZB 5/06, FamRZ 2007, 720 Rz. 6; s. auch BGH v. 4.4.2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rz. 9; BGH, Beschl. v. 18.7.2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Rz. 6 f.).
[8] Im vorliegenden Fall fehlte es in der Einzelanweisung des Anwalts an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig gemacht hätten. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte bestand lediglich darin, den Schriftsatz umgehend per Telefax an das LG zu übermitteln und sich den Eingang von der Geschäftsstelle bestätigen zu lassen. Damit waren sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet geworden. Denn diese blieben gerade für die hier eingetretene Entwicklung sinnvoll und notwendig, in der die Einzelanweisung des Rechtsanwalts sich als unvollständig erwies, weil die darin bestimmten Kontrollmaßnahmen versagten. Stellt sich dabei die allgemeine Kanzleiorganisation als unzureichend heraus, entlastet es den Rechtsanwalt nicht, wenn er im Einzelfall eine Übermittlung per Telefax an das Berufungsgericht mit gleichfalls ungenügender Überprüfung anordnet.
Fundstellen
Haufe-Index 1976683 |
BGHR 2008, 706 |
EBE/BGH 2008, 140 |
FamRZ 2008, 1170 |
NJW-RR 2008, 1379 |
FA 2008, 184 |
JurBüro 2009, 167 |
MDR 2008, 703 |