Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung DD-W 65 928/14 Wz
Leitsatz (amtlich)
Eine Wortfolge, die vom Verkehr als Bezeichnung einer staatlichen Einrichtung verstanden wird (hier: „SWISS ARMY”), kann abstrakt markenfähig sein.
Zur Frage, ob der Eintragung des Wortzeichens „SWISS ARMY” für „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs” absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.
Normenkette
MarkenG § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Februar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Anmelderin, die Schweizerische Eidgenossenschaft, begehrt mit ihrer am 2. Oktober 1990 eingereichten Anmeldung die Eintragung der Wortfolge
SWISS ARMY
für „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs”.
Das Deutsche Patentamt hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft, die Erstprüferin auch wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses, zurückgewiesen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben (BPatG GRUR 1999, 58).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Prüfung der vorliegenden Anmeldung ungeachtet ihres früheren Zeitrangs nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes (am 1. Januar 1995) dessen Vorschriften anzuwenden sind (§ 152 MarkenG).
2. Der Beurteilung des Bundespatentgerichts, daß die angemeldete Wortfolge schon deshalb nicht eingetragen werden könne, weil ihr das Eintragungshindernis fehlender Markenfähigkeit (§ 3 Abs. 1 MarkenG) entgegenstehe, kann nicht zugestimmt werden.
a) Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß der Wortfolge „SWISS ARMY”, die – für jedermann im Inland verständlich – die Schweizer Armee bezeichne, die nach § 3 Abs. 1 MarkenG erforderliche abstrakte Eignung, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, nicht zukomme. Namen von Behörden oder von sonstigen staatlichen Stellen, auch jedermann verständliche Namen ausländischer staatlicher Stellen, bezeichneten nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keine im Wettbewerb auftretenden Unternehmen. Der öffentlichen Hand sei zwar nicht grundsätzlich verwehrt, am freien Wettbewerb teilzunehmen; staatliche Einrichtungen wie die Streitkräfte, die zu hoheitlichem Handeln bestimmt seien, nähmen jedoch nicht am Wettbewerb teil. Das Markengesetz sei für den Schutz der Namen solcher Hoheitsträger nicht vorgesehen und auch nicht geeignet.
b) Die Markenfähigkeit eines Zeichens ist nach § 3 Abs. 1 MarkenG abstrakt, d.h. ohne Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, allein danach zu prüfen, ob das Zeichen als solches geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 12/6581 S. 65; BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 2/97, GRUR 2000, 321, 322 = WRP 2000, 298 – Radio von hier). Dementsprechend ist die abstrakte Markenfähigkeit auch ohne Berücksichtigung der Person des Anmelders und späteren Inhabers der Marke zu beurteilen. Dies hat das Bundespatentgericht – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht übersehen. Seine Annahme, den Namen von Behörden oder sonstigen staatlichen Stellen fehle als solchen bereits jede (abstrakte) Unterscheidungseignung, wird jedoch von der Rechtsbeschwerde zu Recht angegriffen.
Die (abstrakte) Unterscheidungseignung eines Zeichens kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Maßgebend ist die Auffassung des Verkehrs. Dieser nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so auf, wie es ihm entgegentritt, unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.1999 – I ZB 16/97, GRUR 1999, 1089, 1091 = WRP 1999, 1167 – YES; Beschl. v. 22.9.1999 – I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95 – FÜNFER; Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St. Pauli Girl, jeweils m.w.N.) und stellt auch keine rechtlichen Erwägungen an.
Die Markenfähigkeit der Namen von Behörden oder staatlichen Stellen ist danach nicht von vornherein auszuschließen. Dem Verkehr ist bekannt, daß staatliche Stellen – auch solche der Hoheitsverwaltung – Waren vertreiben (z.B. Bücher, Software, Landkarten) oder Dienstleistungen für Dritte erbringen. Diese tatsächlichen Gegebenheiten, nicht die ihnen zugrunde liegende Rechtslage, die im übrigen bei ausländischen Behörden mit der Rechtslage im Inland nicht übereinstimmen muß, bestimmen die Verkehrsauffassung.
Dem Zeichen „SWISS ARMY” kann danach nicht mit den Erwägungen des Bundespatentgerichts schon die abstrakte Markenfähigkeit für Waren oder Dienstleistungen aller Art abgesprochen werden. Dies gilt um so mehr, als der englischsprachige Begriff „SWISS ARMY” keine amtliche Bezeichnung der Schweizer Armee ist.
3. Auch die Beurteilung des Bundespatentgerichts, daß die Wortfolge „SWISS ARMY” wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen sei, weil sie keine (konkrete) Unterscheidungskraft besitze und nur eine Angabe über die Merkmale der mit ihr versehenen Ware sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, daß Behördenbezeichnungen wie „SWISS ARMY”, die im Inland ohne weiteres verstanden würden, nicht geeignet seien, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Zumindest der inländische Verkehr sehe Behörden und sonstige Verwaltungsträger nicht als Gewerbetreibende und ihren Namen nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen an. Staatliche Stellen seien nicht Hersteller von Waren und handelten – von gewissen Gebrauchtwaren abgesehen – auch nicht mit Waren. Die Gebrauchtwaren, mit denen sie Handel trieben, stammten typischerweise von verschiedenen Herstellern, weil Behörden selbst gleiche Waren bei verschiedenen Herstellern bestellten. Bei den Verbrauchern überwiege deshalb die Vorstellung, daß eine Behörde oder sonstige staatliche Stelle in erster Linie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen solle und wahrnehme, nicht aber, daß sie am Wettbewerb teilnehme und mit Waren handele oder sie gar herstelle. Dies gelte in besonderem Maß für die Streitkräfte eines Landes.
Ein Behördenname werde zumindest bei Waren, als deren Abnehmer die Behörde in Betracht komme, als allgemeine Qualitätsangabe aufgefaßt, weil Behörden vor dem Kauf eine Qualitätskontrolle durchführten. Dazu komme, daß staatliche Stellen – wie eine Armee – meist keine Standardprodukte kauften, sondern Spezialanfertigungen für ihre besonderen Zwecke, z.B. Uhren in fliegertauglicher Bauart und Ausstattung. Die Aussage, daß eine Ware für eine bestimmte staatliche Einrichtung bestimmt, für sie nach ihren Vorgaben gebaut sei, werde dadurch zu einer Beschaffenheitsangabe im Sinne einer Typenangabe („Schweizer Armee-Uhr”). Dies entspreche bei Taschenmessern (Messer des Typs „Schweizer Soldatenmesser” bzw. „Schweizer Offiziersmesser”) längst der gängigen Verbrauchervorstellung. Der Umstand, daß „SWISS ARMY” für „modische” Armbanduhren eingetragen werden solle, stehe der Einordnung dieser Kennzeichnung als Beschaffenheitsangabe nicht entgegen. Was „modisch” sei, lasse sich nicht objektiv bestimmen, sondern sei immer von der jeweiligen Verkehrsanschauung abhängig. Gerade militärische Ausrüstungsgegenstände oder solche, die zumindest diesen Anschein erweckten, seien – nicht nur bei Jugendlichen – sehr beliebt und deshalb „modisch”. Auch modische Waren könnten bestimmten Qualitätsanforderungen – wie sie z.B. an Ausrüstungsgegenstände von Armeen gestellt würden – entsprechen.
b) Der Beurteilung des Bundespatentgerichts, daß der Wortfolge „SWISS ARMY” die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft für „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs” fehle, kann nicht zugestimmt werden.
(1) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.2000 – I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000, 739 – Unter Uns; Beschl. v. 24.2.2000 – I ZB 13/98, GRUR 2000, 722, 723 = WRP 2000, 741 – LOGO, jeweils m.w.N.).
Das Vorliegen einer konkreten Unterscheidungskraft kann nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen Auffassung der inländischen Verkehrskreise, die mit den Waren des Verzeichnisses angesprochen werden sollen, geprüft werden (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.1998 – I ZB 12/96, GRUR 1999, 495 f. = WRP 1999, 526 – Etiketten; BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl). Dies bedeutet – abweichend von der Ansicht des Bundespatentgerichts –, daß den Namen von Behörden oder sonstigen staatlichen Stellen nicht von vornherein die Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann, noch weniger einer Wortfolge, die – wie „SWISS ARMY” – kein Behördenname ist, sondern nur – wenn auch trotz des englischsprachigen Begriffs für jeden offensichtlich – auf eine staatliche Einrichtung hinweist. Abweichend von der Ansicht des Bundespatentgerichts ist es auch nicht erforderlich, daß das Zeichen einen bestimmten Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware gibt. Ein Zeichen besitzt Unterscheidungskraft, wenn es als Marke dazu dienen kann, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Nur so kann eine Marke ihre Hauptfunktion erfüllen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke muß danach die Gewähr bieten, daß alle Waren oder Dienstleistungen, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, Urt. v. 29.9.1998 – Rs. C-39/97, GRUR 1998, 922, 924 Tz. 28 = WRP 1998, 1165 – Canon).
(2) Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundsätze kann den Worten „SWISS ARMY” – abweichend von der Ansicht des Bundespatentgerichts – für die angemeldeten Waren „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs” nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Nach den getroffenen Feststellungen weisen die Worte „SWISS ARMY” allerdings eindeutig auf die Schweizer Armee als eine staatliche Einrichtung der Anmelderin hin. Die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise nehmen – wie sich aus den Feststellungen des Bundespatentgerichts weiter ergibt – auch nicht an, daß die Schweizer Armee „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs” herstellen oder auch nur die Produktverantwortung für solche Geräte tragen oder mit diesen Handel treiben könnte. Der Verkehr wird deshalb die Worte „SWISS ARMY” vielfach nicht als Hinweis auf die Herkunft verstehen, sondern ihnen einen allgemeinen Hinweis auf die Qualität oder die Herstellung nach Vorgaben der Schweizer Armee entnehmen, zumal das angemeldete Zeichen keine zusätzlichen Elemente aufweist, die zu den für diesen Teil des Verkehrs – bezogen auf die in Rede stehenden Waren – nicht (konkret) unterscheidungskräftigen Worten „SWISS ARMY” hinzutreten und herkunftshinweisend wirken könnten. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der angemeldeten Wortfolge jede Unterscheidungseignung für die Waren „modische Armbanduhren Schweizer Ursprungs” fehlt. Nach der Lebenserfahrung gibt es vielmehr naheliegende Möglichkeiten, die angemeldete Wortfolge bei Waren der genannten Art so zur Kennzeichnung zu verwenden, daß sie vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird. Dies gilt etwa dann, wenn die Wortfolge „SWISS ARMY” auf dem Ziffernblatt einer Armbanduhr an eine Stelle gesetzt wird, auf der bei solchen Uhren üblicherweise eine Marke zu finden ist. Dabei handelt es sich nicht nur um lediglich theoretisch denkbare, sondern auch um praktisch bedeutsame Einsatzmöglichkeiten der Wortfolge „SWISS ARMY” als Marke, denen jedenfalls ein maßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs einen Herkunftshinweis entnehmen wird. Ein Indiz dafür, daß den Worten „SWISS ARMY” auch in anderen Ländern die Eignung zuerkannt wird, bei „modischen Armbanduhren Schweizer Ursprungs” in dieser Weise als Unterscheidungsmittel für die Waren eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu dienen, ist auch der Umstand, daß sie nicht nur in der Schweiz, sondern u.a. auch in Großbritannien für diese Waren eingetragen sind.
c) Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „SWISS ARMY” schon deshalb nicht entgegen, weil diese zwar gegebenenfalls bestimmte allgemeine Vorstellungen über die Herstellung nach Vorgaben der Schweizer Armee und damit verbunden gewisse Qualitätsvorstellungen auslösen kann, aber keine Angabe darstellt, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit der Ware verwendet wird.
III. Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin war danach der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.09.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512431 |
BGHR 2001, 49 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 252 |
GRUR 2001, 240 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2001, 157 |
MarkenR 2001, 29 |
Mitt. 2001, 74 |