Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehörsrüge. Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innen- und Vertriebsprovisionen
Leitsatz (amtlich)
Zur erfolglosen Gehörsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 19.7.2011.
Normenkette
ZPO § 321a; BGB § 280
Verfahrensgang
Tenor
Die Gehörsrüge der Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 19.7.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Senat hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 ZPO). Er hat das Vorbringen der Beklagten umfassend geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Rz. 2
Insbesondere hat sich der Senat sowohl im Beschluss vom 9.3.2011 (WM 2011, 925 Rz. 32 ff.) als auch im Beschluss vom 19.7.2011 (WM 2011, 1506 Rz. 7 ff.) eingehend mit der Frage der Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Erwerb der Kapitalanlagen auseinandergesetzt. Die Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang, dass gemäß den Ausführungen im Senatsbeschluss vom 9.3.2011 (a.a.O. Rz. 35) die anlageberatende Bank die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Entscheidungskonflikts hat, der zum Nichteingreifen der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens führen würde. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens tritt bereits dann ein, wenn eine fehlerhafte Beratung feststeht. Nur dann, wenn bei einer zutreffenden Beratung ein Entscheidungskonflikt beim Anleger vorliegt, greift die Vermutung nicht ein. Diese der Bank günstige Ausnahme von der Regel muss die Bank, die sich darauf beruft, auch darlegen und ggf. beweisen. Dem entspricht entgegen der Ansicht der Revision auch die bisherige Handhabung durch den Senat.
II.
Rz. 3
Entgegen der Annahme der Beklagten, die sich auf eine Anmerkung von Nobbe (BKR 2011, 302 ff.) zu dem Senatsbeschluss vom 9.3.2011 (WM 2011, 925 ff.) bezieht, enthält der angegriffene Beschluss keine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innen- oder Vertriebsprovisionen, sondern wendet die bereits bisher geltenden Grundsätze an.
Rz. 4
1. Wie bereits in dem Senatsbeschluss vom 9.3.2011 dargestellt, sind Innenprovisionen nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Über sie muss bei einem Fonds unter bestimmten Umständen aufgeklärt werden, weil sie Einfluss auf die Werthaltigkeit der vom Anleger erworbenen Anlage haben und deswegen bei diesem insoweit eine Fehlvorstellung herbeiführen können (BGH v. 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rz. 22). Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Positionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, so dass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, so dass dieser das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann (BGH v. 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rz. 25).
Rz. 5
Danach handelt es sich in dem zugrunde liegenden Fall um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, weil in den Anlageprospekten zwar verschiedene Provisionen offen ausgewiesen sind, jedoch nicht angegeben wird, dass und in welcher Höhe die Beklagte als beratende Bank diese Provisionen - teilweise - bezieht.
Rz. 6
2. Die Auffassung, hierin liege eine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innenprovisionen bzw. Vertriebsprovisionen, lässt sich nicht auf das Senatsurteil vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08, ZIP 2009, 2380 ff.) stützen. Aus diesem Urteil folgt keineswegs, dass "im Anlageprospekt offen ausgewiesene Innenprovisionen, d.h. im Anlagebetrag enthaltene Vertriebsprovisionen ... expressis verbis keine aufklärungspflichtigen Rückvergütungen" sind. Diese - auch terminologisch verfehlte (der Begriff "offen ausgewiesene Innenprovision" ist ein Widerspruch in sich) - Annahme beruht - ebenso wie die Darstellung von Nobbe (a.a.O. S. 302) - auf einer falschen Wiedergabe des Sachverhalts dieses Senatsurteils. Damals hatte die beratende Bank gerade keine versteckte "Innenprovision kassiert". Das lässt sich sowohl dem Senatsurteil als auch dem Berufungsurteil des OLG Frankfurt sowie dessen Urteil im Parallelverfahren entnehmen. Der Senat hat an diesem Tag zwei Urteile zu im Wesentlichen gleich gelagerten Parallelfällen erlassen (BGH, Urt. v. 27.10.2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 ff. vollständig abgedruckt; BGH, Urt. v. 27.10.2009 - XI ZR 338/08, a.a.O., vollständig abgedruckt, in WM 2009, 2306 f. in Auszügen abgedruckt). In diesen Fällen waren die Provisionen der Höhe nach korrekt im rechtzeitig übergebenen Prospekt angegeben. Die beratende Bank war ausdrücklich als Empfängerin dieser Provisionen genannt. Damit lagen diesen Fällen weder verheimlichte Rückvergütungen noch versteckte Innenprovisionen zugrunde.
Rz. 7
Dies hat der Senat mit der Formulierung "dem Inhalt und der Höhe nach korrekt ausgewiesen" zum Ausdruck gebracht (vgl. BGH in der Sache XI ZR 338/08, a.a.O., Rz. 31). Das ergab sich auch schon aus den beiden vorangegangenen Berufungsurteilen. In dem Urteil des OLG Frankfurt, das dem Senatsurteil in der Sache XI ZR 338/08 voranging, heißt es ausdrücklich (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.10.2008 - 23 U 17/06, juris Rz. 52): "Der Beklagten zu 1) kann auch nicht vorgeworfen werden, dass ihre Rechtsvorgängerin Rückvergütungen verschwiegen habe (vgl. BGHZ 170, 226 ff. = BB 2007, 627 ff.), da sie sich aus S. 36 f. des Prospekts i.V.m. § 7 des Gesellschaftsvertrages, der als Anlage zum Prospekt genommen wurde, exakt ergeben." In dem Urteil, das dem Senatsurteil in der Sache XI ZR 337/08 voranging, heißt es wörtlich (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.10.2008 - 23 U 348/05, juris Rz. 7): "Die C. werden bereits auf dem Titelblatt als die Bank genannt, die die Eigen- und Fremdkapitalvermittlung durchführt; Interessenten werden in dem Prospekt aufgefordert, sich an sie zu wenden."
Rz. 8
Deswegen waren die Anleger in diesen Fällen nicht nur über sämtliche Provisionen, sondern auch über die beratende Bank als Empfängerin aufgeklärt. Es lagen damit weder versteckte Innenprovisionen noch versteckte oder verheimlichte Rückvergütungen vor, so dass eine Aufklärungspflicht der beratenden Bank nicht bestand. Das ist auch in der sorgfältig und unvoreingenommen analysierenden Literatur so verstanden worden (vgl. u.a. Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 310 f.; Koch, BKR 2010, 177, 184; s. auch Ellenberger in Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, AGB in der Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 2010, S. 37, 46 und 47 f. und in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 3. Aufl., Rz. 944 und aus der Rechtsprechung KG, Urt. v. 16.6.2011 - 26 U 104/09 Umdr. S. 8 f. und OLG München, Urt. v. 21.6.2010 - 17 U 5374/09, Umdr. S. 9).
Rz. 9
3. Ebenso geht der Hinweis auf das im Senatsurteil vom 27.10.2009 in der Sache XI ZR 338/08 (a.a.O.) zitierte Senatsurteil vom 25.9.2007 (XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rz. 15, 16) fehl. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte die Anlegerin gerade nicht das Verschweigen von an den Anlageberater fließende Rückvergütungen gerügt, sondern nur, dass der Anteil der "weichen Kosten" am Gesamtaufwand unverhältnismäßig hoch sei (Senatsurteil, a.a.O., Rz. 3). Damit ging es in jenem Fall nicht um die Frage der verheimlichten Interessenkollision. Das Urteil befasst sich zudem in den Entscheidungsgründen lediglich allgemein mit den Grundsätzen zur Aufklärung über nicht im Prospekt ausgewiesene (versteckte) Innenprovisionen, nicht jedoch mit Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen an den Anlageberater (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart ZIP 2010, 824, 827; LG München, Urt. v. 25.2.2010 - 22 O 1797/09, juris, Rz. 64; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 312 f.).
Rz. 10
4. Entbehrt mithin die Annahme, aus den Senatsurteilen vom 27.10.2009 und 25.9.2007 ergebe sich, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen bereits dann nicht vorlägen, wenn die betreffenden Provisionen als solche im Anlageprospekt ausgewiesen seien, jeder Grundlage, kann auch keine Rede davon sein, der Senatsbeschluss vom 9.3.2011 enthalte eine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innenprovisionen bzw. Vertriebsprovisionen. Vielmehr entspricht er insoweit, als der Anleger danach darüber aufzuklären ist, dass und in welcher Höhe die beratende Bank die offen ausgewiesenen Provisionen bezieht, dem Senatsurteil vom 27.10.2009 (a.a.O. Rz. 31). Zugleich verbleibt es dabei, dass die Nennung von Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen als Quelle der Rückvergütungen nicht abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen ist.
III.
Rz. 11
Zu Unrecht ist die Beklagte unter Berufung auf Nobbe (a.a.O.) weiter der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision gem. § 552a ZPO lägen nicht vor, weil in der obergerichtlichen Rechtsprechung streitig sei, ob eine Pflicht der beratenden Bank bestehe, Kunden über Innenprovisionen aufzuklären; angesichts der divergierenden obergerichtlichen Urteile lägen vielmehr die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) auf der Hand. Dies verkennt bereits im Ansatz, dass sich die Frage, ob die beratende Bank über von ihr bezogene Innenprovisionen, also im Anlagebetrag versteckte Provisionen, aufklären muss, im zu entscheidenden Fall nicht stellt. Hier geht es allein darum, ob die Beklagte als beratende Bank darüber aufklären muss, dass und in welcher Höhe sie Empfängerin der im Anlageprospekt offen ausgewiesenen Leistungen ist, damit der Anleger ihr besonderes Interesse an der Empfehlung gerade dieser Anlage erkennen kann.
Rz. 12
Unverständlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beklagten auf den Beschluss des BVerfG vom 28.4.2011 (WM 2011, 1117), durch den der eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisende Beschluss des Senats vom 16.10.2007 (XI ZR 155/06, juris) betreffend einen Ausgleichsanspruch des Ausfall- gegen den Regelbürgen aufgehoben worden ist. Dieser Entscheidung des BVerfG lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Revision auch wegen einer Frage zuzulassen ist, die sich in dem betreffenden Rechtsstreit nicht stellt.
Fundstellen
Haufe-Index 2749034 |
NJW 2011, 3231 |
EBE/BGH 2011 |
EWiR 2011, 625 |
NZG 2011, 1189 |
WM 2011, 1804 |
WuB 2011, 580 |
ZIP 2011, 1807 |
ZfIR 2011, 731 |
MDR 2011, 1249 |
BKR 2011, 435 |
ZBB 2011, 410 |