Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs. Rechtlich anzuerkennendes Interesse für Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
Leitsatz (amtlich)
Für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs kann auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch nicht vollstreckbar ist.
Normenkette
ZPO § 1060
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 27.05.2005; Aktenzeichen 20 SCH 7/05) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des KG vom 27.5.2005 aufgehoben.
Der Schiedsspruch des Schiedsrichters Dr. R. Hoffmann-Theinert vom 28.2.2005 (DIS-SV-B-36/04) wird insgesamt für vollstreckbar erklärt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 110.000 EUR
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der K. GmbH. Gestützt auf Sicherungsabtretungen der Gemeinschuldnerin und eines Zwischenerwerbers der Forderung macht der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin ein Absonderungsrecht geltend. In einem DIS-Schiedsverfahren erwirkte er den Schiedsspruch vom 28.2.2005, durch den die Antragsgegnerin wie folgt verurteilt wurde:
"1. Die Schiedsbeklagte ?= ANTRAGSGEGNERIN≫ wird verurteilt, an den Schiedskläger ?= ANTRAGSTELLER ≫ 50.000 EUR abzgl. der Kosten gem. § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.2.2003 zu zahlen.
2. Die Schiedsbeklagte wird ferner verurteilt,
a) dem Schiedskläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Beträge die K. GmbH i. In. aus der Geschäftsbeziehung mit der D. GmbH nach Einleitung des Insolvenzverfahrens erhalten hat sowie die entsprechenden Abrechnungsunterlagen hierüber vorzulegen.
b) die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern.
c) an den Schiedskläger die vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gem. Ziff. 1 bis zu einem Höchstbetrag von 117.298,50 EUR abzgl. des Kostenbeitrages gem. § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem Tag, an dem die Schiedsbeklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat, auszuzahlen.
3. Die Schiedsbeklagte trägt die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens. Die Festsetzung der Höhe der Kosten erfolgt durch einen gesonderten Schiedsspruch."
Der Antragsteller begehrt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Das OLG hat den Schiedsspruch bezüglich Nr. 2 Buchst. a und b des Tenors für vollstreckbar erklärt und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Gesuch, den Schiedsspruch insgesamt für vollstreckbar zu erklären, weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in vollem Umfang.
1. Das OLG hat ausgeführt, soweit die Vollstreckbarerklärung von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 der schiedsgerichtlichen Verurteilung begehrt werde, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser Teil des Schiedsspruchs sei nicht vollstreckbar. Die in Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors genannte gesetzliche Vergütung gem. § 171 InsO sei keineswegs festgelegt sondern offen; das gelte entsprechend für die Kostenentscheidung in Nr. 3 Satz 1 des Tenors. Dass der Schiedsspruch - im vorgenannten Umfang - nicht vollstreckungsfähig sei, müsse im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden. Diese setze entgegen der Auffassung des BayObLG (BayObLG v. 22.11.2002 - 4Z Sch 13/02, BayObLGReport 2003, 281 = NJW-RR 2003, 502 [503]) voraus, dass aus dem Schiedsspruch tatsächlich die Zwangsvollstreckung betrieben werden könne.
2. Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet. Das OLG hat dem Antrag zu Unrecht teilweise das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen.
a) Der Schiedsspruch ist allerdings hinsichtlich der Verurteilungen zu Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 nicht vollstreckbar.
aa) Die Antragsgegnerin ist verurteilt worden, 50.000 EUR "abzgl. der Kosten gem. § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 1 des Tenors) sowie "die ≪SICH AUS DER AUSKUNFT GEM. NR. 2 BUCHST. A DES TENORS ERGEBENDEN≫ vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gem. Ziff. 1 ≪DES TENORS≫ bis zu einem Höchstbetrag von 117.298,50 EUR abzgl. eines Kostenbeitrages gem. § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 2 Buchst. c des Tenors) an den Antragsteller zu zahlen. Dieser Ausspruch ist unbestimmt, weil jedenfalls die - von dem ausgeurteilten Zahlungsbetrag abzuziehenden - Kosten der Verwertung der sicherungshalber abgetretenen Forderung durch den Insolvenzverwalter (§§ 51 Nr. 1 Alt. 2, 50 Abs. 1 i.V.m. §§ 166 Abs. 2, 170 Abs. 1 InsO) nicht feststehen. Sie sind grundsätzlich pauschal i.H.v. 5 v.H. des Verwertungserlöses anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). Es wird vermutet, dass in dieser Höhe Verwertungskosten anfielen (Lwowski in MünchKomm/InsO, 2002, § 171 Rz. 45 f.). Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten, ggf. zzgl. Umsatzsteuer, anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO). Damit steht die Urteilssumme (Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors) insgesamt in Frage. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe das Schiedsgericht Verwertungskosten - neben den gem. § 171 Abs. 1 Satz 2 InsO zu bemessenden Feststellungskosten - als "Kosten gem. § 171 InsO" und "Kostenbeitrag(es) gem. § 171 InsO", die von dem an den Antragsteller auszukehrenden Betrag abgezogen werden sollen, zugrunde gelegt hat. Daran scheitert auch die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Auslegung von Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Schiedsspruchs in einem bestimmten, die Zwangsvollstreckung ermöglichenden Sinn.
bb) Das Schiedsgericht hat in Nr. 3 Satz 1 des Tenors eine Kostengrundentscheidung - verbunden mit der Ankündigung einer Kostenfestsetzung durch gesonderten Schiedsspruch (Nr. 3 Satz 2 des Tenors) - getroffen. Der Ausspruch ist ebenfalls nicht vollstreckungsfähig.
b) Für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs besteht jedoch auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch nicht vollstreckbar ist.
aa) Der BGH hat zum früheren Schiedsverfahrensrecht entschieden, dass es für die Vollstreckbarerklärung nicht darauf ankomme, ob der Spruch einen vollstreckbaren Inhalt habe. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, könne er für vollstreckbar erklärt werden. Denn die Vollstreckbarerklärung diene nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; sie solle den Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern (vgl. § 1043 Abs. 1 ZPO a.F.; BGH, Urt. v. 12.11.1959 - VII ZR 115/58, BB 160, 302; v. 30.11.1961 - VII ZR 12/61, JZ 1962, 287 ≪VOLLSTRECKBARERKLÄRUNG AUF FESTSTELLUNG ODER KLAGEABWEISUNG LAUTENDER SCHIEDSSPRÜCHE≫; BGH v. 3.12.1986 - IVb ZR 80/85, BGHZ 99, 143 [148] = MDR 1987, 302).
bb) An dieser Auffassung ist festzuhalten; die Umgestaltung der Zivilprozessordnung durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz hat der vorgenannten Erwägung nicht die Grundlage entzogen (h.M.: BayObLG v. 27.7.1999 - 4Z Sch 31/99, BB 1999, 1948; v. 22.11.2002 - 4Z Sch 13/02, BayObLGReport 2003, 281 = NJW-RR 2003, 502 [503]; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1060 Rz. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 27, Rz. 7; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 1060 Rz. 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 1060 Rz. 1; Hk-ZPO/Saenger, 2006, § 1060 Rz. 2; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl. 2002, Rz. 1275; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.1.2002 - 16 Sch 02/01, DIS-Datenbank; unter irrtümlicher Berufung auf BGH v. 30.11.1961 - VII ZR 12/61, JZ 1962, 287; Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 1060 Rz. 2, 5; im Grundsatz auch Münch in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2001, § 1060 Rz. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1060 Rz. 2, die allerdings eine Feststellung analog § 1060 ZPO erwägen, dass ein Aufhebungsgrund nicht vorliegt). Auch nach neuem Recht ist der Schiedsspruch - abgesehen von der Ausschlusswirkung, die durch die rechtskräftige Ablehnung eines Aufhebungsantrags bezüglich des geltend gemachten Aufhebungsgrundes eintritt (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 2 ZPO) - nur durch die Vollstreckbarerklärung umfassend gegen Aufhebungsgründe gefeit. Zwar ist der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs nach Ablauf bestimmter Fristen - was im Einzelfall allerdings durchaus zweifelhaft sein kann (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO) - nicht mehr zulässig (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs kann aber nur dann - stets - nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO).
Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen, wenn die für den Aufhebungsantrag geltenden Fristen abgelaufen sind, ohne dass ein Aufhebungsantrag gestellt worden ist (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1059 Abs. 3 ZPO). Das gilt jedoch nicht für die - von Amts wegen zu prüfenden - Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also insb. nicht für den ordre public-Verstoß (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Sie sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren immer zu berücksichtigen (BGH v. 2.11.2000 - III ZB 55/99, BGHZ 145, 376 [379 f.] = BGHReport 2001, 59 = MDR 2001, 345), sind also erst mit der (rechtskräftigen) Vollstreckbarerklärung erledigt.
cc) Dementsprechend kann im Streitfall ungeachtet der fehlenden Vollstreckbarkeit ein rechtlich anzuerkennendes Interesse des Antragstellers an der Vollstreckbarerklärung auch von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 des Schiedsspruchs nicht geleugnet werden. Dort hat der Schiedsspruch eine Entscheidung über den Grund des Anspruchs und - wenn auch nicht vollständig - zur Höhe (Nr. 1 und 2 Buchst. c des Tenors) sowie eine Kostengrundentscheidung (Nr. 3 des Tenors) getroffen. Die Vollstreckbarerklärung bewirkt die "Bestandskraft" (vgl. §§ 1055, 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO; s. auch Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1055 Rz. 4 ff.) der mit dieser (Zwischen-)Entscheidung erreichten (teilweisen) Streitklärung. Das erleichtert die außergerichtliche Streiterledigung. Von ihr hat die ggf. noch notwendige abschließende Streitentscheidung auszugehen (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1060 Rz. 7).
2. Der mithin zulässige Antrag ist begründet. Aufhebungsgründe stehen der Vollstreckbarerklärung unstreitig nicht entgegen (§§ 1060 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, 1059 Abs. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1503238 |
BGHR 2006, 871 |
BauR 2006, 1033 |
NJW-RR 2006, 995 |
WM 2006, 1121 |
InVo 2006, 366 |
GuT 2007, 319 |
IDR 2007, 78 |
SchiedsVZ 2006, 278 |