Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtreibungsmediziner. Unterlassungsanspruch gegen herabwürdigendes Einwirken Dritter zur Störung seines Ansehens auf Personal und abtreibungswillige Schwangere vor seiner Praxis. Nicht hinzunehmende Behinderung bei der Erfüllung legaler beruflicher Aufgaben als unverhältnismäßiger und unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gynäkologe in unmittelbarer Nähe seiner Praxis ggü. Passanten in Gesprächen über das Thema "Abtreibung" als Arzt namentlich unter Hinweis darauf benannt, dass er Abtreibungen vornehme, tritt das Recht auf Meinungsäußerung hinter das Recht auf Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arztes zurück (BGH, Beschl. v. 1.4.2003 - VI ZR 366/02, MDR 2003, 992 = BGHReport 2003, 890 = GesR 2003, 279).
Normenkette
GG Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 12; BGB § 823 Abs. 1, § 1004; StGB § 218a Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 01.10.2003; Aktenzeichen 4 U 114/03) |
LG Heilbronn |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 1.10.2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger betreibt eine gynäkologische Praxis, in der er unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Am Nachmittag des 24.4.2002 ging der Beklagte vor der Praxis mit einem Sandwich-Plakat auf und ab, auf dem sich vorne die Aufschrift: "Abtreibung tötet ungeborene Kinder" und auf der Rückseite "Du sollst nicht töten. Gilt auch für Ärzte" befand. Außerdem verteilte er Flugblätter, die einen Aufruf zur Hilfe im Kampf gegen die straflose Tötung ungeborener Kinder enthielten. Ferner sprach der Beklagte Passanten, darunter Frauen, die er für Patientinnen des Klägers hielt, vor dessen Praxis direkt an. Er verwickelte sie in Gespräche über das Thema Abtreibung, in deren Verlauf er darauf hinwies, dass in der Praxis Abtreibungen vorgenommen würden.
Der Kläger hat beantragt,
es zu unterlassen, Patientinnen des Klägers sowie Passanten in der Nähe von dessen Arztpraxis, K.-Straße 103 in H. und zwar im Bereich der K.-Straße zwischen den Einmündungen der E.-Straße und der Ke.-Straße, anzusprechen und wörtlich oder sinngemäß darauf hinzuweisen, dass der Kläger in seiner Praxis Abtreibungen vornimmt.
Das LG hat dem Klageantrag entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das OLG zurückgewiesen. Vor Erlass des Berufungsurteils hat das OLG Karlsruhe in einem ähnlich gelagerten Fall einen Unterlassungsanspruch verneint und die Berufung des klagenden Arztes gegen das die Klage abweisende Urteil des LG Heidelberg zurückgewiesen (OLG Karlsruhe v. 23.4.2003 - 6 U 189/02, NJW 2003, 2029). In jenem Fall hatte der Beklagte auf Flugblättern den Arzt namentlich genannt und den Vorwurf erhoben, er nehme rechtswidrige Abtreibungen vor. Der klagende Arzt hat die zugelassene Revision nicht durchgeführt. Der erk. Senat hat im vorliegenden Fall auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten die Revision zugelassen. Dieser verfolgt sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach der Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung veröffentlicht ist in ArztuR 2003, 163 f., greift der Beklagte erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, indem er Patientinnen und Passanten im Bereich der klägerischen Praxis anspricht und auf die Abtreibungstätigkeit des Klägers hinweist. Der Beklagte sei zwar grundsätzlich berechtigt, öffentlich Abtreibungen zu kritisieren, doch sei die Verhältnismäßigkeit zwischen seiner Motivation und der Intensität des Eingriffs in die Klägerrechte nicht gewahrt. Der Beklagte dränge durch sein Verhalten den Kläger bewusst in eine von diesem ungewollte und nicht herausgeforderte Öffentlichkeit. Dieser werde willkürlich aus einer Vielzahl von Abtreibungsmedizinern ausgewählt und im Wesentlichen als Privatperson zum Gegenstand der Personalisierung eines allgemeinen Sachproblems gemacht. Das habe eine unzulässige Prangerwirkung zur Folge. Es komme hinzu, dass der Beklagte sein Ziel durch eine bewusste Irritation des Arzt-Patienten-Verhältnisses und wirtschaftliche Schädigung des Klägers erreichen wolle. Dass sein Verhalten diese Auswirkungen habe und der Beklagte zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe, liege auf der Hand.
II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht dem Unterlassungsbegehren des Klägers entsprochen. Ob eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen. Diese ergibt, dass unter den vorliegenden Umständen die Rechte des Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG hinter den Anspruch des Klägers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zurückzutreten haben.
a) Der Beklagte beruft sich in erster Linie auf die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass das Verhalten des Beklagten in seiner konkreten Ausgestaltung den Kläger in seiner Sozialsphäre tangiert. Denn das Geschehen fällt in das berufliche Umfeld des Klägers, also in einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (BGHZ 36, 77 [80]; BVerfG v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, NJW 2003, 1109 [1111]; Zimmermanns, ZfL 2003, 79 [80 f.]). Der Persönlichkeitsschutz der beruflichen Betätigung reicht zwar keineswegs soweit wie der Schutz des privaten Bereichs i.e.S. Doch sind im Fall schwer wiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht, etwa bei Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung, auch Eingriffe in die Sozialsphäre des Betroffenen unzulässig (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1998 - 1 BvR 131/96, BVerfGE 97, 391 [403 f.]; v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96, BVerfGE 99, 185 [196 f.]; v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, NJW 2003, 1109 [1110 f.]). Derartige Auswirkungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
Indem der Beklagte Passanten und Frauen, die er für Patientinnen des Klägers hält, in unmittelbarer Nähe von dessen Praxis in Gespräche über das Thema Abtreibung verwickelt, den Kläger namentlich benennt und auf dessen Abtreibungstätigkeit hinweist, um die Patientinnen zu irritieren und von dem Besuch der Praxis abzuhalten, würdigt er die berufliche Tätigkeit des Klägers insgesamt herab, obwohl diese legal ist. Er verletzt dadurch den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht.
bb) Auch wenn grundsätzlich Form und Umstände einer Meinungskundgabe so gewählt werden können, dass damit die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung erzielt wird (BVerfG, Beschl. v.10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 [289] = MDR 1996, 82; Beschl. v. 24.3.1998 - 1 BvR 131/96, BVerfGE 97, 391 [398]; BVerfG v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, NJW 2003, 1109 [1110]), geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass das Recht auf freie Wahl der Form der Meinungsäußerung nicht schrankenlos gewährleistet ist. Damit verbundene Beeinträchtigungen der Rechte Dritter müssen zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet (BGH, Urt. v. 12.7.1994 - VI ZR 1/94, MDR 1995, 266 = VersR 1994, 1116 [1117]) sowie erforderlich und das Verhältnis zwischen Rechtsgüterschutz und -beschränkung muss insgesamt angemessen sein (BGH v. 22.5.1984 - VI ZR 105/82, BGHZ 91, 233 [240] = MDR 1984, 747 m.w.N.). Der Senat folgt der Auffassung des Berufungsgerichts, dass das Verhalten des Beklagten in unverhältnismäßiger Weise eine Prangerwirkung gegen die Person des Klägers entfaltet (zur Prangerwirkung: BVerfG, Beschl. v. 24.3.1998 - 1 BvR 131/96, BVerfGE 97, 391 [406]; v. 8.4.1999 - 1 BvR 2126/93, NJW 1999, 2358 [2359]; v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, NJW 2003, 1109 [1110 f.] m.w.N.; BGH, Urt. v. 12.10.1993 - VI ZR 23/93, MDR 1994, 558 = VersR 1994, 58 f.; Urt. v. 12.7.1994 - VI ZR 1/94, MDR 1995, 266 = VersR 1994, 1116; v. 20.12.1994 - VI ZR 108/94, juris, unter II. 2a; Beschl. v. 1.4.2003 - VI ZR 366/02, MDR 2003, 992 = BGHReport 2003, 890 = GesR 2003, 279 = VersR 2003, 777 [778]).
Der Beklagte wählt den Kläger willkürlich aus einer Vielzahl von Abtreibungsmedizinern aus und drängt ihn als Privatperson in eine von ihm ungewollte und nicht herausgeforderte Öffentlichkeit, obwohl der Kläger das Thema, ob Abtreibungen zulässig sein sollen oder nicht, von sich aus nicht in die Öffentlichkeit gebracht hat. In diesem Zusammenhang weist das Berufungsgericht zutreffend auf den Unterschied der Stellung des Klägers zu der des Beschwerdeführers im Verfahren FCKW-produzierende Unternehmen gegen Greenpeace (BVerfG v. 8.4.1999 - 1 BvR 2126/93, NJW 1999, 2358 [2359]; BGH, Urt. v. 12.10.1993 - VI ZR 23/93, MDR 1994, 558) hin, der dadurch gegeben ist, dass der damalige Beschwerdeführer als Vorstandsvorsitzender eines führenden Chemieunternehmens sich öffentlich in die Kontroverse eingeschaltet hatte. Hingegen hat der Kläger in der Öffentlichkeit zum Thema Abtreibung nicht Stellung genommen. Selbst wenn das Leistungsangebot auf seiner Homepage Abtreibungen mit umfassen sollte, wird damit lediglich über das Behandlungsangebot der Praxis informiert. Dies kann nicht schon als öffentlicher Beitrag zur Abtreibungsdiskussion gewertet werden.
cc) Auch bei Berücksichtigung des Zwecks, den der Beklagte nach seinem Vorbringen verfolgt, - nämlich die bestehende Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch zu kritisieren und auf ihre Änderung hinzuwirken - stellt sich seine konkrete Aktion nicht als zulässig dar, zumal er den Kläger in einer Art und Weise in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt, die dieser so nicht will. Zweifellos wird eine besondere Wirkung dadurch erzielt, dass der Beklagte die Passanten mit dem Problem des Schwangerschaftsabbruchs konfrontiert und dabei auf die nahe gelegene Praxis hinweist. Er greift aber dadurch den Kläger in seiner Eigenschaft als Inhaber der Praxis an und beeinträchtigt in unzulässiger Weise dessen legale ärztliche Tätigkeit.
(1) Bereits im Beschluss (BGH, Beschl. v. 1.4.2003 - VI ZR 366/02, MDR 2003, 992 = BGHReport 2003, 890 = GesR 2003, 279), dem ein Verfahren zwischen den selben Parteien wie im vorliegenden Fall zu Grunde lag, hat der Senat ausgeführt, dass der durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägte Begriff der Rechtswidrigkeit im Rahmen der in § 218a Abs. 1 StGB geregelten Beratungslösung ein legales, strafloses Handeln des Arztes nicht ausschließt. Auch nach dem aus den Materialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers zu § 218a StGB ist bei einer solchen Tätigkeit der Tatbestand eines strafbaren Schwangerschaftsabbruchs nicht erfüllt.
(2) Erfolglos wendet die Revision gegen die Abwägung des Berufungsgerichts ein, dass der Beklagte keine eigennützigen Ziele verfolge, vielmehr sein Vorgehen dem Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden und umstrittenen Frage diene. Zwar spricht für Äußerungen im öffentlichen Meinungskampf die Vermutung für deren Zulässigkeit (BVerfG v. 25.1.1984 - 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116 [139 f., 150] = MDR 1984, 729; v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 [294 f., 303f.] = MDR 1996, 82; v. 19.12.1991 - 1 BvR 327/91, NJW 1992, 2013 f.; Urt. v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = VersR 2000, 1162 [1163]). Doch hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zu Recht für ausschlaggebend gehalten, dass - was auf der Hand liegt - der Beklagte durch sein Vorgehen auf das Personal des Klägers und abtreibungswillige Schwangere einwirkt und dem Kläger dadurch wirtschaftliche Nachteile zufügen will, um ihn von der Fortführung der gesetzlich erlaubten Tätigkeit, die im Hinblick auf Hilfe suchende Schwangere Teil der medizinischen Versorgung ist, abzuhalten.
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der Kläger, soweit er in gesetzlich zulässiger Weise tätig wird, seine ärztliche Fachkompetenz in den Dienst einer von Verantwortung getragenen Elternschaft stellt. Da Repression durch das Strafrecht zur Verhinderung von Abtreibungen in der Vergangenheit wenig vermocht hat, sollten nach der Intention des Gesetzgebers durch die Schaffung der Möglichkeit eines zulässigen Schwangerschaftsabbruchs nach Beratung der Schwangeren die Frauen i.S.d. Lebensschutzes beeinflusst werden (BVerfG v. 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96, NJW 1999, 841 [843]; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann, GG, 10. Aufl., Art. 2 Rz. 64). Der Schutz des ungeborenen Lebens kann in dieser Weise aber nur unter Einbindung der Ärzte und der Beratungsstellen im Zusammenwirken mit der Frau erreicht werden. Zum einen bedarf es der ärztlichen Mitwirkung im Interesse der Schwangeren und ihrer Gesundheit, zum anderen ist von der Beteiligung des Arztes zugleich ein besserer Schutz für das ungeborene Leben durch eingehende ärztliche Beratung zu erwarten (BVerfG v. 28.5.1993 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203 [290] = MDR 1993, 789). Aus diesem Grund genießt auch diese ärztliche Tätigkeit den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG v. 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96, NJW 1999, 841 [842]).
Frauen, die sich nach der entsprechenden Beratung zu einem gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch entschlossen haben, muss danach aber ermöglicht werden, medizinische Hilfe durch einen Arzt ihres Vertrauens ohne weiteres Hinzutreten eines Dritten und den damit verbundenen weiteren psychischen Belastungen, unter denen sie in einer solchen Situation regelmäßig stehen werden, in Anspruch zu nehmen. Denn zum Schutzkonzept für das ungeborene Leben gehört nicht nur, dass jede Schwangere in der Nähe des Wohnsitzes eine intensive ärztliche Beratung und ggf. eine kompetente ärztliche Versorgung erlangen kann (BVerfG v. 28.5.1993 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203 [330] = MDR 1993, 789; v. 24.6.1997 - 1 BvR 2306/96, 1 BvR 2314/96, BVerfGE 96, 120 [121]). Erforderlich ist vielmehr auch, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin nicht durch das Dazwischentreten außenstehender Dritter belastet wird, so dass sich die Schwangere auf Grund der äußeren Umstände bedrängt fühlt. Nur dann wird es dem Arzt möglich sein, der Schwangeren ärztlichen Rat zu erteilen und unter noch unklaren Umständen einen etwaigen Eingriff auf einen späteren Tag zu verschieben, wodurch sich auch eine erneute Chance für eine Entscheidung der Frau zu Gunsten des Ungeborenen eröffnen könnte (BVerfG v. 28.5.1993 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203 [330] = MDR 1993, 789; v. 24.6.1997 - 1 BvR 2306/96, 1 BvR 2314/96, BVerfGE 96, 120 [130]).
(3) Durch sein Auftreten will der Beklagte die Patientinnen nach seinen eigenen Angaben davor zurückhalten, den Kläger aufzusuchen. Er versucht durch die bewusste Störung des Verhältnisses Arzt/Patientinnen den Kläger letztlich dazu zu veranlassen, Schwangerschaftsabbrüche zu unterlassen, auch wenn diese legal sind. In Verfolgung dieses Zieles versucht er, den Kläger im Ansehen und in der Wertschätzung bei den angesprochenen Passanten herabzuwürdigen, so dass die erforderliche Vertrauensbasis verloren geht, die jedoch Grundlage für die Erfüllung ärztlicher Aufgaben ist. Dieses Vorgehen muss der Kläger auch unter Berücksichtigung des Rechts des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nicht hinnehmen. Auch wenn grundsätzlich eine Wirkungssteigerung der Meinungsäußerung dadurch bewirkt werden darf, dass die Verantwortlichkeit anonymer Einzelner deutlich gemacht wird (BVerfGE 42, 163 [170]; v. 25.1.1984 - 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116 [139] = MDR 1984, 729; v. 31.10.1984 - 1 BvR 753/83, BVerfGE 68, 226 [232]; v. 8.4.1999 - 1 BvR 2126/93, NJW 1999, 2358 [2359]; BGH, Urt. v. 12.10.1993 - VI ZR 23/93, MDR 1994, 558 = VersR 1994, 58 f.), stellt doch das Vorgehen des Beklagten eine nicht hinzunehmende Behinderung des Klägers bei der Erfüllung legaler beruflicher Aufgaben dar. Zu Recht hat das Berufungsgericht deshalb einen unverhältnismäßigen und damit unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers bejaht (Schmidt-Bleibtreu/Hofmann, GG, 10. Aufl., Art. 2 Rz. 23).
b) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf sein Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG berufen. Dieses Grundrecht gewährleistet, dass sich die maßgeblichen Wertauffassungen frei von staatlicher Beeinflussung in einem freien geistigen Prozess bilden können. Weder Art. 4 Abs. 1 GG noch Art. 4 Abs. 2 GG gewähren jedoch dem einzelnen Bürger ein Recht darauf, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen und ihrer Anwendung gemacht wird (BVerfG v. 18.4.1984 - 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26 [37]; Herzog in Maunz-Dürig, GG, Art. 4 Rz. 111 ff.).
2. Hat der Beklagte sein Vorgehen zu unterlassen, weil er den Kläger - wie dargelegt - in unzulässiger Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, kann dahinstehen, ob es zugleich einen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rz. 126, 128 m.w.N.).
3. Schließlich begegnet die Fassung des Unterlassungsanspruchs - entgegen der Auffassung der Revision - keinen rechtlichen Bedenken.
III.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1308328 |
BGHZ 2005, 266 |
NJW 2005, 592 |
BGHR 2005, 588 |
EBE/BGH 2005, 4 |
GRUR 2005, 612 |
NStZ 2007, 200 |
AfP 2005, 208 |
ArztR 2006, 66 |
DSB 2005, 20 |
MDR 2005, 505 |
MedR 2005, 353 |
VersR 2005, 274 |
WRP 2005, 343 |
GesR 2005, 189 |
JT 2005, 245 |
ZfL 2005, 13 |