Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Steuerberaters für fehlerhafte Beratung; Schadensersatz; Verzögerungsschaden
Leitsatz (amtlich)
Der Steuerberater haftet auch für einen durch fehlerhafte Beratung schuldhaft verursachten Verzögerungsschaden des Mandanten, sofern die Vermeidung eines entsprechenden Nachteils zum Inhalt der übernommenen Vertragspflichten gehörte.
Leitsatz (redaktionell)
1. Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten, insbesondere wie der Mandant auf eine zutreffende Belehrung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre.
2. Im Streitfall liegen in den Schutzbereich der verletzten Beratungspflicht fallende „Verzögerungsschäden” vor, weil es wegen unzulänglicher Beratung hinsichtlich der möglichen Ausnützung von § 6b EStG bei der Erstellung von Wohnungen auf einem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück zu Bauverzögerungen und als Folge davon zu Baumehrkosten und letztlich zu Mietausfällen aufgrund verspäteter Vermietung kam.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe.
Normenkette
BGB §§ 249, 675; EStG § 6b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden die Urteile des 15. Zivilsenats des OLG München vom 14.1.2004 und der 26. Zivilkammer des LG München I vom 19.3.2003, berichtigt mit Beschluss vom 15.5.2003, insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt ist.
Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin nimmt den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung auf Schadensersatz in Anspruch.
[2] Die Klägerin, eine Molkereigenossenschaft, wollte auf ihrem ehemaligen Betriebsgrundstück einen Gebäudekomplex mit 83 Wohnungen, mehreren Läden und einer Gewerbeeinheit errichten. Ein Teil der Wohnungen sollte zur Deckung der Bau- und Finanzierungskosten verkauft, die restlichen Wohnungen sollten vermietet werden. Der Buchgewinn aus der Veräußerung der Grundstücksanteile sollte möglichst nach § 6b EStG von den Herstellungskosten der zur Vermietung vorgesehenen Wohn- und Gewerbeeinheiten abgezogen werden oder eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Der beklagte Verband, der die Klägerin in Steuerfragen beriet, vertrat in einem Schreiben vom 1.8.1997 die Auffassung, das Vorhaben könne durch die Klägerin selbst umgesetzt werden, ohne dass steuerliche Nachteile entstünden, empfahl aber, ein Auskunftsersuchen an das zuständige Finanzamt zu richten.
[3] Die Klägerin beauftragte zusätzlich den Steuerberater K., der zur Sicherung der Steuervorteile des § 6b EStG ein aufwendigeres Modell für erforderlich hielt. Danach sollte die Klägerin als Alleingesellschafterin eine GmbH-Tochter gründen und ihr den zum Verkauf bestimmten Miteigentumsanteil an dem Grundstück veräußern. Außerdem war die Gründung einer GmbH & Co. KG mit der Klägerin als alleiniger Kommanditistin und der GmbH-Tochter als Komplementärin vorgesehen. Die Klägerin sollte den restlichen Miteigentumsanteil in die KG einbringen. GmbH und KG sollten zur Errichtung der Anlage eine Bauherrengemeinschaft bilden. Die GmbH sollte ihre Wohneinheiten veräußern, die KG ihre Einheiten vermieten. Am 20. August beantragte K. beim zuständigen Finanzamt dazu eine verbindliche Auskunft. Mit notarieller Urkunde vom 4.9.1997 errichtete die Klägerin die vorgesehene GmbH.
[4] Am 20.10.1997 nahmen Vertreter des beklagten Verbandes an einer Sitzung des Vorstands der Klägerin teil. Sie empfahlen, die Anfrage K. zurückzuziehen und ein ihrem eigenen Vorschlag entsprechendes Auskunftsersuchen zu stellen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 3:1 könne die Klägerin das Bauvorhaben auch selbst verwirklichen. Bis die Antwort des Finanzamts vorliege, dürfe keine Teilungserklärung abgegeben oder der Vertrag mit dem Generalunternehmer geschlossen werden, weil andernfalls die Steuervergünstigung des § 6b EStG entfallen könne. Bei einem früheren Baubeginn müsse der zu veräußernde Teil des Grundstücks auf eine Tochtergesellschaft übertragen werden.
[5] Die Klägerin ließ ihre Anfrage zurücknehmen. Am 30.10.1997 erhielt sie die Abriss- sowie die Baugenehmigung. Am 3.11.1997 beantragte der Beklagte für die Klägerin eine verbindliche Auskunft, ob für den auf die anteilige Veräußerung des Grund und Bodens entfallenden Gewinn eine Rücklage gem. § 6b EStG gebildet und auf die zu aktivierenden Herstellungskosten der im Eigentum der Klägerin verbleibenden Wohneinheiten angerechnet werden könne, wenn diese selbst als Bauherrin auftrete. Die Klägerin, die am 15.12.1997 mit den Rohbauarbeiten beginnen wollte, traf in der Folge Sicherungsmaßnahmen, ließ das Grundstück abräumen und begann mit der Erschließung. Am 17.12.1997 ließ sie eine auf das Modell des Beklagten abgestimmte Teilungserklärung beurkunden.
[6] Mit Schreiben vom 29.12.1997, das der Klägerin am 8.1.1998 zuging, beschied das Finanzamt die Anfrage des Beklagten abschlägig. Am 12.2.1998 wiederholte der Steuerberater K. seine ursprüngliche Anfrage, die am 20.2.1998 positiv beschieden wurde. Die Bauarbeiten wurden am 28.2.1998 aufgenommen.
[7] Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, sie falsch beraten und dadurch eine Bauverzögerung um 77 Tage verursacht zu haben. Sie verlangt Schadensersatz für die Kosten der dem Vorschlag des Beklagten entsprechenden Teilungserklärung, für Baumehrkosten und für den Mietausfall infolge der verspäteten Fertigstellung des Objekts in einer Gesamthöhe von 490.816,99 EUR nebst Zinsen. Die Tochtergesellschaften der Klägerin haben mit Erklärung vom 25.2.2002 ihre etwaigen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten.
[8] Das LG hat die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Das OLG hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
[9] Nur die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
[10] RevisiondesBeklagten
[11] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich aus der Abtretung. Der Beklagte habe seine Pflicht zu einer risikolosen steuerlichen Beratung dadurch verletzt, dass er der Klägerin die Rücknahme des Auskunftsersuchens des Steuerberaters K. empfohlen habe, statt dessen Bescheidung abzuwarten. Dadurch sei der Klägerin dem Grunde nach ein Verzögerungsschaden entstanden, den der Beklagte zu ersetzen habe. Das ist im Ergebnis richtig.
[12] 1. Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund eines Anspruchs vorab entscheiden, wenn dieser nach Grund und Betrag streitig ist und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Dabei muss es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich sein, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2005 - II ZR 144/03, BGHReport 2005, 1074 = MDR 2005, 1069 = WM 2005, 1624, 1625; v. 10 März 2005 - VII ZR 220/03, MDR 2005, 921 = BGHReport 2005, 932; v. 12.2.2003 - XII ZR 324/98, BGH v. 12.2.2003 - XII ZR 324/98, MDR 2003, 769 = WM 2003, 1919, 1921). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Beklagte der Klägerin in einer noch zu klärenden Höhe zum Schadensersatz verpflichtet.
[13] 2. Die Klägerin ist aufgrund der Abtretungserklärungen vom 25.2.2002 auch hinsichtlich derjenigen Schäden aktivlegitimiert, die nicht bei ihr, sondern bei der GmbH und der KG entstanden sind. Die Tochtergesellschaften waren in den Schutzbereich des zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrags einbezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können Dritten aus einem zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrag Rechte erwachsen, die den Charakter vertraglicher Ansprüche haben und die sich in ihrem Inhalt nach den zwischen den anderen Personen getroffenen vertraglichen Abmachungen bestimmen. Voraussetzung ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der unzureichend erbrachten vertraglichen Leistung in Berührung und durch sie zu Schaden gekommen ist, aber keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Schädiger hat (BGH v. 15.2.1978 - VIII ZR 47/77, BGHZ 70, 327, 329; BGH, Urt. v. 22.7.2004 - IX ZR 132/03, BGHReport 2005, 23 = MDR 2005, 58 = WM 2004, 1825, 1827). Im vorliegenden Fall mussten sich Verzögerungen bei der Umsetzung des Konzeptes des Steuerberaters K. notwendig zum Nachteil der Tochtergesellschaften der Klägerin auswirken, welche als Bauherrengemeinschaft auftreten und die Vermietung übernehmen sollten. Das war den Vertretern des Beklagten bekannt, die der Klägerin am 20.10.1997 die (vermeintlichen) Vorteile des eigenen Konzeptes erläuterten und sie dadurch zur Rücknahme der ersten Anfrage veranlassten. Sonstige vertragliche Schadensersatzansprüche stehen der GmbH und der KG nicht zu.
[14] 3. Der Beklagte hat die ihm obliegenden Beratungspflichten verletzt. Er hat am 20.10.1997 erklärt, die Klägerin könne das Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3:1 auch in eigener Person verwirklichen, ohne steuerliche Nachteile zu befürchten, insb. die Anwendung des § 6b EStG auf den Gewinn aus der anteiligen Veräußerung des Grundstücks in Frage zu stellen. Dies entsprach nicht dem damaligen Stand der Steuerrechtsprechung und den einschlägigen Steuerrichtlinien und Erlassen (vgl. BGH v. 28.9.2000 - XI ZR 6/99, BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v. 20.10.2005 - IX ZR 127/04, BGHReport 2006, 161 = MDR 2006, 298 = WM 2005, 2345).
[15] a) Voraussetzung für den Abzug des bei der Veräußerung des Grund und Bodens entstandenen Gewinns von den Herstellungskosten der neu errichteten, zur Vermietung vorgesehenen Wohneinheiten oder zur Bildung einer den Gewinn mindernden Rücklage war nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehörten. Anlagevermögen bilden diejenigen Wirtschaftsgüter, die bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB). Gemäß Abschnitt R 32 Abs. 1 Satz 7 und 8 EStR 1996 bleibt ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, dessen Veräußerung beabsichtigt ist, so lange Anlagevermögen, wie sich seine bisherige Nutzung nicht ändert, auch wenn bereits vorbereitende Maßnahmen zu seiner Veräußerung getroffen worden sind. Bei Grundstücken des Anlagevermögens, die bis zu ihrer Veräußerung unverändert genutzt werden, ändert eine zum Zwecke der Veräußerung vorgenommene Parzellierung des Grund und Bodens oder die Aufteilung eines Gebäudes in Eigentumswohnungen nichts an der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen (BMF v. 29.10.1979, BStBl. I 1979, 639; v. 13.7.1992, DStR 1992, 1060; ebenso für den Fall der Parzellierung BFHE 110, 348; 197, 109;. a.A. bei Aufteilung eines zum Anlagevermögen gehörenden Mietshauses in Eigentumswohnungen allerdings noch BFHE 114, 354).
[16] Nach Ansicht des Beklagten führte die geplante Bebauung des Grundstücks deshalb nicht zu einer Nutzungsänderung, weil das Grundstück zuvor Träger eines dem Anlagevermögen zuzurechnenden Bauwerks, nämlich des ehemaligen Betriebsgebäudes gewesen war. Die Errichtung eines neuen Gebäudes zum Zwecke der Aufteilung in Wohnungseigentum und der Veräußerung zahlreicher Einheiten ist jedoch schon vom Wortlaut des zitierten BMF-Schreibens nicht gedeckt. Sie steht den dort genannten Beispielsfällen der Parzellierung eines unbebauten Grundstücks oder der Aufteilung eines bereits vorhandenen Gebäudes in Eigentumswohnungen nicht gleich.
[17] b) Der Beklagte hat außerdem die Rechtsprechung des BFH zum gewerblichen Grundstückshandel und den darauf beruhenden gemeinsamen Bund-Länder-Erlass der Finanzverwaltung vom 20.12.1990 (BStBl. I 1990, 884) nicht hinreichend berücksichtigt. Veräußert ein Steuerpflichtiger Wohneinheiten, die er auf eigenen Grundstücken errichtet hat, liegt regelmäßig ein Gewerbebetrieb vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Fertigstellung mehr als drei Objekte an verschiedene Erwerber veräußert werden (BFH v. 31.1.1980 - IV R 13/76, BFHE 130, 34, 37 = FR 1980, 415; 148, 480, 482; 150, 418; BMF v. 20.12.1990, a.a.O. Tz. 17 f.). Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei nur zwischen der Errichtung und der Veräußerung der Wohneinheiten bestehen. Auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks und darauf, ob dieses zuvor mit einem anderen Gebäude bebaut war, kommt es nicht an (BFH v. 22.3.1990 - IV R 23/88, BFHE 160, 249, 251 = FR 1990, 460). Bei einem gewerblichen Grundstückshandel, der spätestens mit der Errichtung der Wohnungen beginnt, sind die zur Bebauung und anschließenden Veräußerung bestimmten Grundstücke Umlaufvermögen (BFHE 95, 219; 151, 399; 163, 382, 385 f.; 164, 381, 384; BFH/NV 1987, 646, 648; 1993, 225, 226; vgl. auch BMF v. 20.12.1990, a.a.O. Tz. 27 unter 1a).
[18] Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, weil ohnehin alle Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln waren (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 2 KStG, § 17 Abs. 2 GenG, § 238 Abs. 1 HGB). Entscheidend war, ob das Grundstück trotz der Bebauung mit einer Wohnungseigentumsanlage in der Absicht, zahlreiche Wohneinheiten zu veräußern, noch im Anlagevermögen der Klägerin bleiben würde; denn die angestrebte Anwendung des § 6b EStG setzte eine Veräußerung aus dem Anlagevermögen voraus (§ 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). Diese Frage war klar zu verneinen. Mit der Aufbereitung und Erschließung des Grundstücks, spätestens aber mit der Errichtung der Wohnungen zum Zwecke des Verkaufs wäre ein gewerblicher Grundstückshandel der Klägerin anzunehmen gewesen; damit wäre das dafür eingesetzte Betriebsvermögen - insb. der zum Verkauf bestimmte Miteigentumsanteil am Grundstück - zwingend als Umlaufvermögen zu qualifizieren gewesen (vgl. auch BFH v. 18.9.2002 - X R 28/00, BFHE 200, 304 = FR 2003, 187 m. Anm. Weber-Grellet).
[19] c) Aufgabe des Beklagten war es, die Klägerin durch ausreichende Belehrung über die Voraussetzungen des § 6b EStG in die Lage zu versetzen, eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. BGH v. 11.5.1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 396 = BRAK 1995, 218 = MDR 1995, 1070; BGH, Urt. v. 16.10.2003 - IX ZR 167/02, BGHReport 2004, 232 = MDR 2004, 332 = BFHReport 2004, 397 = WM 2004, 472; v. 20.10.2005 - IX ZR 127/04, BGHReport 2006, 161 = MDR 2006, 298 = WM 2005, 2345, 2346). Er hätte sie also darauf hinweisen müssen, dass sich mit dem von ihm vorgeschlagenen Konzept die Steuervergünstigung des § 6b EStG aus Rechtsgründen nicht erreichen ließ, statt eine Zustimmung des zuständigen Finanzamts mit einer Wahrscheinlichkeit von 3:1 in Aussicht zu stellen. Er hätte außerdem erläutern müssen, dass das Finanzamt nur einen bestimmt - nicht alternativ - gefassten Antrag auf Erteilung einer Auskunft mit Bindungswirkung bescheiden würde (vgl. BMF v. 24.6.1987, BStBl. I, 474), dass also die den Vorschlag des Steuerberaters K. betreffende Anfrage und ein weiterer, auf seinen eigenen Vorschlag bezogener Antrag nicht gleichzeitig gestellt werden konnten. Dann hätte die Klägerin entscheiden können, ob sie im Hinblick auf die geringeren Kosten des Vorschlags des Beklagten gleichwohl die Anfrage K. zurückziehen und eine neue, dem Vorschlag des Beklagten entsprechende Anfrage an das zuständige Finanzamt richten sollte; den damit im (sehr wahrscheinlichen) Fall des Scheiterns der Anfrage verbundenen Verlust an Zeit und Geld hätte sie den möglichen Einsparungen im (unwahrscheinlichen) Fall einer Zustimmung des Finanzamts gegenüber stellen können. Infolge der unrichtigen Auskunft des Beklagten fehlte ihr jedoch eine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
[20] 3. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (vgl. BGH v. 11.5.1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 399 = BRAK 1995, 218 = MDR 1995, 1070; BGH, Urt. v. 20.6.1996 - IX ZR 106/95, BRAK 1997, 180 = MDR 1997, 100 = WM 1996, 1832, 1835; v. 20.1.2005 - IX ZR 416/00, MDR 2005, 866 = BGHReport 2005, 784 = WM 2005, 999). Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
[21] 4. Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten, insb. wie der Mandant auf eine zutreffende Belehrung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, BGHReport 2004, 231 = MDR 2004, 276 = WM 2004, 475, 476; v. 29.9.2005 - IX ZR 104/01, BGHReport 2006, 164, 165). Hier folgt bereits aus der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGH v. 30.9.1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311; BGH, Urt. v. 17.5.1992 - IX ZR 151/91, BRAK 1992, 228 = MDR 1992, 1004 = NJW-RR 1992, 1110 [Steuerberater]; Fischer in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rz. 1004 ff.), dass die Klägerin bei vollständiger Aufklärung über die Steuerrechtslage und die höchst geringe Wahrscheinlichkeit, eine den Vorschlag des Beklagten billigende verbindliche Auskunft des Finanzamts zu erreichen, die Anfrage des Steuerberaters K. nicht zurückgezogen hätte. In diesem Fall hätte die Antwort des Finanzamts auf die das Modell K. betreffende Anfrage nicht erst am 20.2.1998 vorgelegen. Das Bauvorhaben hätte entsprechend früher begonnen und beendet werden können; die auf das Modell des Beklagten bezogene Teilungserklärung vom 17.12.1997 wäre nicht beurkundet worden.
[22] 5. Die geltend gemachten Schadenspositionen - insb. die behaupteten "Verzögerungsschäden" - fallen schließlich auch in den Schutzbereich der verletzten Beratungspflicht.
[23] a) Der steuerliche Berater hat nur für solche Nachteile einzustehen, die im Schutzbereich der verletzten vertraglichen Pflichten liegen. Zu ersetzen sind solche Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. zur Anwaltshaftung BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, BRAK 1995, 130 = NJW 1995, 449, 451; v. 21.9.1995 - IX ZR 228/94, MDR 1996, 206 = BRAK 1996, 267 = NJW 1996, 48, 51).
[24] b) Die Klägerin wollte den bei der anteiligen Veräußerung des Grundstücks anfallenden Gewinn gem. § 6b EStG auf die Herstellungskosten der nicht zum Verkauf bestimmten Wohneinheiten anrechnen können. Ziel der Beratung, die sie in Anspruch nahm, war es also, Steuern zu sparen. Ein Schaden in Form einer unnötig hohen Steuerlast ist der Klägerin durch die unrichtige Auskunft des Beklagten nicht entstanden. Nachdem die negative Antwort des Finanzamts vorlag, konnte sie ihr Vorhaben in der vom Steuerberater K. vorgeschlagenen Form verwirklichen, welche die Anwendung des § 6b EStG ermöglichte.
[25] c) Bei der Beratung am 20.10.1997 ging es jedoch nicht nur um die Vermeidung einer hohen Steuerlast. Das den steuerlichen Zielen der Klägerin entsprechende Konzept des Steuerberaters K. lag bereits vor. Es stand auch schon ein konkreter Zeitplan im Raum. Die Klägerin, die ein umfangreiches gewerbliches Objekt errichten wollte, legte aus wirtschaftlichen Gründen Wert auf einen möglichst frühzeitigen Baubeginn. Mitte Dezember 1997 sollten die Bauarbeiten beginnen. Beides war den Vertretern des Beklagten bekannt. Sie wussten außerdem, dass die Einholung einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts über die Realisierbarkeit ihres eigenen Vorschlags die Rücknahme des bereits gestellten Antrags und im Fall einer negativen Antwort des Finanzamts eine Verzögerung des Bauvorhabens zur Folge haben würde. Zu ihren Pflichten gehörte es damit auch, die Aufnahme der Bauarbeiten nicht durch die steuerliche Abklärung eines Gestaltungsvorschlags zu verzögern, der kaum eine Aussicht auf eine Billigung durch das Finanzamt hatte. Da die Vertragspflichten des Beklagten somit erkennbar den Schutz des Interesses der Klägerin an der Vermeidung aller bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht sinnvoll erscheinender Verzögerungen umfasste, hat er auch für diejenigen Schäden einzustehen, die daraus entstanden sind, dass die Anfrage K. erst nach der Erledigung der zweiten, auf den Vorschlag des Beklagten bezogenen Anfrage neu gestellt und beantwortet werden konnte.
II.
[26] RevisionderKlägerin
[27] Nach Ansicht des Berufungsgericht trifft die Klägerin ein hälftiges Mitverschulden, weil sie einerseits bereits Anfang August 1997 eine dem Rat des Beklagten entsprechende Auskunft habe einholen können, andererseits im Oktober 1997 dem Rat des Beklagten zur Rücknahme des Auskunftsantrags K. keine Folge habe leisten dürfen. Das ist rechtlich unhaltbar.
[28] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, ggü. dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH v. 21.11.1996 - IX ZR 182/95, BGHZ 134, 100, 114 f. = MDR 1997, 506; BGH, Urt. v. 18.12.1997 - IX ZR 153/96, GmbHR 1998, 282 = AG 1998, 231 = WM 1998, 301, 304; v. 6.2.2003 - IX ZR 77/02, MDR 2003, 688 = BGHReport 2003, 603 = WM 2003, 1138, 1141). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen zu werden, der (unrichtigen) Auskunft des Beklagten vertraut zu haben, sie könne das geplante Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3:1 auch in eigener Person verwirklichen, und daraufhin die erste Anfrage zurückgezogen zu haben. Daran, dass die Antwort des Finanzamts auf die Anfrage des Steuerberaters K. erst am 20.2.1998 vorlag, trifft sie folglich kein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB).
[29] 2. Eine andere Frage ist die des Mitverschuldens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 254 Abs. 2 BGB). Das gilt insb. hinsichtlich der Kosten der Teilungserklärung vom 17.12.1997. Die Vertreter des Beklagten hatten am 20.10.1997 darauf hingewiesen, dass die Teilungserklärung nicht beurkundet werden dürfe, bevor die Antwort des Finanzamts vorliege. Diesen Rat hat die Klägerin missachtet. Gleiches gilt hinsichtlich der Baumehrkosten. Dem Protokoll vom 20.10.1997 nach hatten die Vertreter des Beklagten auch erklärt, bis zur Antwort des Finanzamts dürfe keinesfalls ein Vertrag mit dem Generalunternehmer abgeschlossen werden; die Mehrkosten sollen jedoch auf eine "Bauunterbrechung" zurückzuführen sein. Ob und in welchem Umfang die Klägerin insoweit ein Mitverschulden trifft, ist jedoch erst im Betragsverfahren zu prüfen. Dass es sich um Ansprüche aus abgetretenem Recht der GmbH und der KG handelt, steht der Annahme eines Mitverschuldens nicht entgegen, weil die Tochtergesellschaften sich ein etwaiges Verschulden der Klägerin gem. § 278 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müssten (§ 254 Abs. 2 Satz 2 BGB).
III.
[30] Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, trifft der Senat eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Das LG wird im Betragsverfahren zu klären haben, ob und in welcher Höhe durch die Rücknahme des ersten Antrags auf eine verbindliche Auskunft Schäden entstanden sind und ob sich die Klägerin insoweit ein Mitverschulden anrechnen lassen muss.
Fundstellen
Haufe-Index 1696549 |
DB 2007, 510 |
DStR 2007, 1599 |
DStRE 2007, 1421 |
Inf 2007, 211 |
NWB 2007, 3514 |
BGHR 2007, 344 |
EBE/BGH 2007 |
NJW-RR 2007, 857 |
GI 2007, 75 |
StuB 2007, 875 |
WM 2007, 564 |
ZfIR 2007, 329 |
MDR 2007, 622 |
VersR 2007, 1380 |
GuT 2007, 56 |
NWB direkt 2007, 11 |
SJ 2007, 40 |